Jede Narbe sieht anders aus

Bastian Schweinsteiger mit Operationsnarbe / © dpa

Bastian Schweinsteiger mit Operationsnarbe / © dpa

Jede Narbe hat eine Geschichte. Manch einer trägt sie mit Stolz, für andere ist sie die ständige Erinnerung an ein schmerzliches Erlebnis. Aber warum bleibt nach einer Verletzung überhaupt eine Narbe zurück? Und kann man Form und Farbe einer Narbe im Heilungsprozess beeinflussen?

Als Kind vom Fahrrad gefallen, am Backofen verbrannt oder am Blinddarm operiert – jedes dieser Erlebnisse hinterlässt eine Narbe, mehr oder weniger sichtbar für den Rest des Lebens. Nicht immer sieht die am Ende so aus, wie es sich der Betroffene wünscht. Manche rücken der verletzten Haut mit Cremes oder Salben zu Leibe, andere entscheiden sich für eine Laserbehandlung. Doch Experten bezweifeln, dass solche Behandlungen immer hilfreich sind.

Narben entstehen, wenn eine Verletzung bis in die Lederhaut reicht. Die Lederhaut, auch Dermis genannt, ist die mittlere von drei Hautschichten. Sie enthält Haarfollikel, Schweißdrüsen und die meisten der Sinnesrezeptoren. Lediglich Verletzungen, die nur die oberste Hautschicht, auch Epidermis genannt, betreffen, verheilen ohne Narbe. Das gilt zum Beispiel für Schürfwunden. Im Mutterleib ist das noch anders. „Wird ein Fötus im Mutterleib operiert, verheilen die Wunden ohne Narbenbildung“, sagt Professor Ulrich Mrowietz, Oberarzt an der Hautklinik Kiel und Leiter der Narben-Sprechstunde.

Zum Heilen brauchen Narben Ruhe

Narben sind Hautersatzgewebe. Sie haben keine Haarfollikel oder Schweißdrüsen und enthalten mehr Bindegewebe als normale Haut. Der Grund: „Nach einer Verletzung bemüht sich der Körper, schnellstmöglich eine Barriere gegen Krankheitserreger zu bilden“, erklärt Professor Mrowietz. Bindegewebszellen füllen das fehlende Gewebe aus und sind anschließend in der Lage, durch eine teilweise Umwandlung in muskelartige Zellen die klaffende Wunde von den Wundrändern aus schnell zu verkleinern.

„Diese Form der Wundheilung ist hocheffektiv und zeitsparend“, sagt der Facharzt für Dermatologie aus Kiel. Für den Körper geht Sicherheit vor Schönheit. Eine Wunde schnell zu verschließen ist überlebenswichtig, schön pigmentierte Haut mit Haarfollikel oder Schweißdrüsen dagegen verzichtbar.

Zu Beginn ist eine Narbe noch rötlich, mit der Zeit verblasst sie und pigmentiert sogar leicht. „Nach der Wundheilung reift eine Narbe bis zu drei Jahre. Erst dann hat sie ihre endgültige Form und Farbe“, erklärt Torsten Kantelhardt, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie. Nicht nur die Art der Verletzung, auch Körperstelle und Pflege beeinflussen, wie eine Narbe letztlich aussieht. An Stellen, die unter besonderer Hautspannung stehen, wie beispielsweise Brust oder Schulter, können sich auffälligere Narben bilden. Das gleiche gilt für ungereinigte Wunden, die sich entzünden.

Bei einer Operation kann der Chirurg durch Schnittführung und Nahttechnik versuchen, möglichst wenig Hautspannung zu erzeugen und eine Narbe so unsichtbar wie möglich erscheinen zu lassen. „Leichte Zickzack-Formen sind beispielsweise weniger auffällig als gerade Striche. Ebenso ist eine subkutane Naht, also eine Naht unter der Haut, möglich“, erklärt Kantelhardt. Entsprechende Techniken sind gerade in der plastischen Chirurgie üblich.

„Im Heilungsprozess sollte man einer Narbe Ruhe gönnen, um keine Spannung auf die Naht zu bringen und nicht ständig das Pflaster abreißen“, sagt Ulrich Klein, Dermatologe aus Witten. Und: „In den ersten sechs Monaten einen Sunblocker verwenden. Zu viel Sonnenlicht kann die Narbe überpigmentieren, so dass sie später dunkler erscheint“, warnt Kantelhardt.

Wie eine Narbe am Ende aussieht, können Cremes nicht beeinflussen

Trotzdem kann gerade an spannungsreichen Körperstellen auch eine krankhafte Narbe entstehen. Experten sprechen von einer hypertrophen Narbe oder einem Keloid. Dabei bildet das Narbengewebe einen rötlichen Wulst, der sogar über die ursprünglichen Grenzen der Wunde hinauswachsen kann.

Ob das passiert, ist wahrscheinlich genetisch bedingt. „Möglicherweise haben Zellen, die für die Pigmentbildung zuständig sind, einen Einfluss auf Keloide. Interessanterweise sind Menschen mit dunkler Haut häufiger betroffen“, so Mrowietz. Auch Hormone können eine Rolle spielen. Während sich hypertrophe, also lediglich nach oben gewölbte, Narben von allein zurückbilden können, ist dies bei übermäßig wachsenden Keloiden nicht der Fall. Man kann sie aber behandeln.

„Die Behandlung von Keloiden soll in erster Linie Schmerzen und Jucken lindern und Bewegungsfreiheit wiederherstellen, die Kosmetik ist aber auch wichtig“, sagt Mrowietz, der sich auf die Behandlung von krankhaften Narben spezialisiert hat. Gut helfen Druckbandagen oder Mieder, wie sie aus der Verbrennungsmedizin bekannt sind, allerdings müssten Betroffene diese über einen Zeitraum von vielen Monaten kontinuierlich tragen.

Auch Narben, die nicht krankhaft sind, können als Makel empfunden werden. Spezielle Cremes oder Narbenpflaster versprechen eine optische Besserung. Aber: „Wie eine Narbe schlussendlich aussieht, kann man durch Cremes oder Narbenpflaster nicht beeinflussen“, sagt Mrowietz. Narben etwas weicher und flexibler zu machen, sei hingegen schon möglich, sagt Klein: „Dabei werden Cremes mit einem Ultraschallgerät in die Haut eingearbeitet“. Doch mit einem Laser lässt sich eine Narbe nicht einfach wegzaubern, stellt Chirurg Kantelhardt klar. „Auch ein ästhetisch-plastischer Eingriff hinterlässt immer eine Narbe.“ Bei einem normalen Heilungsprozess sind also letztlich Zeit und Geduld die beste Medizin.

Von Mira Fricke (dpa)