Nachlässigkeit beim digitalen Nachlass

Ein Mensch stirbt, doch seine virtuelle Identität lebt weiter – für viele ein ungutes Gefühl. Trotzdem wird das Thema verdrängt. Dabei ist es zu Lebzeiten gar nicht schwer, das digitale Erbe zur regeln und zu schützen – für Angehörige nach dem Tod dagegen sehr.

Alle drei Minuten stirbt in Deutschland ein Facebook-Nutzer, ohne dass feststeht, was mit seinem digitalen Erbe geschieht – mit seinen Fotos, Likes und Posts. Das geht aus Zahlen des Verbraucherzentrale Bundesverbandes hervor. Nach dem Tod ihres Angehörigen haben es Familien oft schwer, Internetkonten abschalten zu lassen oder – wie nach dem Germanwings-Absturz – die Verbreitung privater Bilder zu verhindern. Was Angehörige im Ernstfall tun können und wie jeder schon zu Lebzeiten Vorsorge treffen kann:

Wer ist nach dem Tod für meine Daten verantwortlich?

Als Erben verwalten Angehörigen die persönlichen Rechte eines Gestorbenen – das gilt für Schriftstücke wie für digitale Inhalte, erklärt Oliver Wirthmann, Geschäftsführer des Kuratoriums Deutsche Bestattungskultur. In der Juristensprache heißt das postmortales Persönlichkeitsrecht. Darunter fallen etwa auch das Urheberrecht oder das Recht am eigenen Bild, das bis zu zehn Jahre nach dem Tod eines Menschen noch gültig ist.

Dürfen Fotos von Toten verbreitet werden?

Nur mit Erlaubnis der Angehörigen, sagt Stephan Neuser, Rechtsanwalt und Geschäftsführer des Bestatterverbandes Nordrhein-Westfalen. Das gelte auch für Bilder, die nach dem Tod entstanden sind. Bei Verstößen könnten Angehörige auf Entschädigungszahlungen klagen.

Für den Ernstfall vorsorgen – aber wann und wie?

In sozialen Netzwerken erschaffen sich Internetnutzer eine digitale Persönlichkeit, legen Benutzerkonten an, schließen Verträge ab. Doch die enden erst, wenn die Anbieter über den Tod des Users informiert worden sind. Allein deshalb sollte sich jeder sobald wie möglich um seinen digitalen Nachlass kümmern, rät der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). Schon zu Lebzeiten sollten eine oder mehrere Vertrauenspersonen bestimmt werden. Entscheidend sei auch, für diese Personen die wichtigsten Anmeldedaten an einem sicheren Ort zu hinterlegen – sei es auf einem Zettel in einem versiegelten Umschlag oder auf einem verschlüsselten USB-Stick. Wer einen Passwort-Manager benutzt, muss eigentlich nur sein Masterpasswort weitergeben.

Brauche ich ein digitales Testament?

Ja. Zugangsdaten allein reichen nicht aus, um dem Willen des Verstorbenen nachzukommen: Soll ein Facebook-Profil gelöscht oder nur in den Gedenkstatus versetzt werden? Ratsam ist es laut vzbv daher, für die Angehörigen auch eine Anleitung zu schreiben, was genau mit geposteten Fotos, E-Mails oder Accounts nach dem Tod geschehen soll.

Was tun Angehörige, wenn sie keine Zugangsdaten haben?

Nur die wenigsten Menschen hinterlegen bislang ihre Benutzernamen und Passwörter – und wenn, können sie im schlimmsten Fall nicht mehr aktuell sein. Deshalb ist es wichtig, die hinterlegten Zugangsdaten regelmäßig zu aktualisieren. Ansonsten müssen die Angehörigen zum Löschen des Kontos einen Nachweis über den Tod des Nutzers vorlegen – meist eine Sterbeurkunde, manchmal einen Erbschein oder eine Gerichtsverfügung, wie aus einer Erhebung der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz hervorgeht. Damit können Konten auch ohne gültige Zugangsdaten abgeschaltet werden. Unter Umständen finden sich die geforderten Nachweise in den AGBs.

Wie kommt man Benutzerkonten auf die Spur?

Ohne Zugangsdaten müssen Angehörige natürlich erst einmal darauf kommen, wo überall der Verstorbene angemeldet gewesen sein könnte. Hilfreich ist hier zu allererst der E-Mail-Account, erklärt der vzbv. Darüber ließen sich viele weitere Online-Konten entdecken – ebenso wie kostenpflichtige Mitgliedschaften und Abos, die man schnellstmöglich kündigen sollte. Wertvolle Hinweise könnten auch Rechner, Festplatten, USB-Sticks, Smartphones oder Tablets liefern.

Was ist von Nachlassdiensten zu halten?

Das kommt darauf an. Dienste, die gegen Gebühr auf Basis von Namen und Anschrift bei Online-Unternehmen recherchieren, welche Konten und Verträge existieren, können Hinterbliebenen eine echte Hilfe sein, urteilt der vzbv. Unternehmen, die anbieten, den PC oder andere Geräte eines Verstorbenen zu durchforsten, sollte man dagegen meiden. Dabei können zu viele persönliche Daten weitergegeben werden. Auch von Firmen, die zu Lebzeiten Passwörter gegen Gebühr speichern, um sie im Ernstfall an Angehörige weiterzugeben, raten die Verbraucherschützer aus Datenschutz- und Sicherheitsgründen ab.

Von David Fischer (dpa)