„Paartherapien sind pompöse Begräbnisse“

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Wenn nach der Trennung das eigene Leben aus den Fugen gerät, scheuen manche Männer nicht einmal vor Mord an der Ex-Partnerin zurück. Die Kriminalpsychiaterin Heidi Kastner beschreibt in ihrem Buch, wieso bei manchen die Lust an der Rache zum einzigen Lebensinhalt wird.

Sandra Walder (dpa): Eine Trennung ist oft Brennglas für alle Probleme in der Beziehung. Wie schafft man es, würdevoll getrennte Wege zu gehen?

Heidi Kastner: Ich glaube, vorbereiten kann man sich nicht wirklich, weil Trennungen meistens asymmetrisch ablaufen. Meistens ist es einer, der sich innerlich zu trennen beginnt und das nicht kommuniziert. Der Überrumpelte reagiert dann natürlich mit Entsetzen, Überraschung, Kränkung. In dieser akuten Phase ist alles eine Überforderung. Aber wenn das vorbei ist, sollte man nicht hergehen und dieses ganze Kapitel der eigenen Biografie als fatalen Irrtum abschreiben. Man sollte sich vergegenwärtigen, was es in der Beziehung an Gutem gegeben hat. Man sollte nicht die ganze Geschichte umschreiben, sonst stellt man sich ja selbst als Idiot dar.

Eine Paartherapie bezeichnen Sie in vielen Fällen aber nur als „pompöses Begräbnis“. Warum?

Wenn Menschen zum Therapeuten kommen, dann meistens an einem Punkt, an dem zumindest für einen die Sache schon gelaufen ist. Man kommt, um einen mehr oder weniger unabhängigen Schiedsrichter ins Spiel zu bringen, der dem anderen sagen soll, wie unmöglich er ist. Oder man kommt, um öffentlich zu demonstrieren, dass man ja eh alles gemacht hat. Nur formal alles zu machen ohne innere Bereitschaft irgendwas zu verändern, ist sinnlos.

Zur Person

Heidi Kastner ist seit 2005 Chefärztin der forensischen Abteilung der Landesnervenklinik Linz. Als Gerichtspsychiaterin ist sie seit Jahren für die Analysen von vielen aufsehenerregenden Verbrechen Österreichs zuständig. In ihrem neuesten Buch „Tatort Trennung. Ein Psychogramm“ beschäftigte sich die 54-Jährige mit der Liebe, zu hohen Erwartungen und dem Mord an ehemals geliebten Menschen

Viele Missbrauchsvorwürfe gegen Väter sind vermutlich erfunden

Wieso ketten sich einige mit ihrem Hass auf Jahre in einem Rosenkrieg weiterhin an den Ex-Partner?

Weil es das Bedürfnis ist, die eigene Kränkung in Rache umzuwandeln. Das kann auch lebensbestimmend werden. Kränkungen nicht als biografische Ereignisse stehen zu lassen. Koste es, was es wolle. Weil ich das nicht hinnehmen kann, dass das Leben nicht immer gerecht ist, dass einem auch als guten Menschen Schlechtes widerfahren kann.

 

Die Macht der Frauen liegt dann oft bei den Kindern. Ihre These ist, dass viele Missbrauchsvorwürfe gegen Väter erfunden sind.

Es gibt Befunde, dass es gerade in Trennungskonstellationen sehr häufig so ist, dass sich diese erhobenen Vorwürfe nicht bewahrheiten. Aber das ist natürlich ein sehr probates Mittel, den Anderen sozial zu eliminieren.

Können Außenstehende wie Freunde und Experten Gewaltausbrüche von Verlassenen erkennen und verhindern?

Jein. Es gibt sicher Risikokonstellationen, etwa wenn sich der Partner auch vorher schon als einer erwiesen hat, der auf ein Durchkreuzen seiner Wünsche mit Gewalt reagiert. Ebenso wenn die Realität der Trennung komplett verweigert wird und die Person in dieser Phase selbst zusehends ins Hintertreffen kommt. Etwa wenn die finanzielle Lage sehr angespannt wird, wenn man das Haus oder den Job verliert. Wenn dann zusätzliche biografische Belastungsfaktoren auftreten, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich, was in meinem Leben schief geht, dem anderen schuldhaft zuschreibe, relativ hoch. Irgendwann kann es dann so weit kommen, dass ich mich berechtigt fühle, dem das heimzuzahlen, der mir mein Leben vermeintlich ruiniert hat. Denn ich werde sowieso aus dieser bösen, bösen Welt scheiden und da bring’ ich vorher aber noch den um, der mir das Ganze angetan hat.

Viele verspüren das Bedürfnis, die Trennung immer wieder zu besprechen. Macht das Sinn? 

Manche Entwicklungen würden gar nicht erst entstehen, wenn man die Praxis der sogenannten 27 letzten Aussprachen nicht pflegen würde. Es gibt keinen einzigen Grund, wieso ich meinem ehemaligen Partner die Trennung 27 Mal mitteilen muss. Wozu ich mich dann immer wieder treffe, ist mir schleierhaft. Und da sind vor allem Frauen sehr anfällig dafür, dem Wunsch nach Aussprache nachzugeben. Da mache ich mich zur sprichwörtlichen Karotte, die ihm vor der Nase hängt.

Frauen kommen mit dem Verlassenwerden besser zurecht

Wenn es zum Äußersten kommt, sind Geschlechterspezifika zu beobachten: Männer ermorden ihre Frauen, um sie ein letztes Mal an sich zu binden. Frauen töten, um vom Mann wegzukommen.

Frauen kommen mit dem Verlassenwerden besser zurecht, insofern dass sie in gekränkter Aggression den Anderen nicht meucheln müssen. Aber beim Verlassen entledigen sich Frauen ihrer Partner manchmal auf sehr brachiale Art und Weise.

Wesentlich häufiger findet das Stalking des ehemaligen Partners statt. Was treibt die Menschen dazu an?

Genau das, was es auch für die Beziehung so schwierig macht: Dass er dem Anderen nicht zuhört und einräumt, dass er andere Vorstellungen hat. Stalking beschreibt ja auch nur das Verhalten und nicht die Motivation. Es gibt die wahnhaften Stalker, die werden nie aufhören – und es gibt die, die es machen, bis es Konsequenzen gibt.

Sehen Sie in Ihrer Berufspraxis eine Verschärfung des Problems in der Generation Tinder, die mit einem Wisch zum nächsten Partner weitergehen kann?

Ich glaube nicht. Dieses Nicht-Zuhörenwollen hat sich nicht dramatisch verändert. Aber die Illusion existiert, dass Beziehungspartner leicht austauschbar sind. Dabei gibt es nach einer gewissen Zeit ja wieder nur die gleichen Probleme. Und wirklich problematisch wird es dann, wenn der eigene Marktwert durch nicht beeinflussbare Faktoren sinkt. Etwa wenn Frauen ab 50 Partner suchen.