So viele quälen sich, um ein paar Kilos loszuwerden: Sie ersetzen Mahlzeiten durch Drinks, verzichten auf Kohlenhydrate oder schlucken Pillen. Experten erklären, was wirklich hilft – und warum ständige Diäten das Abnehmen zunehmend schwerer machen.
Es klingt so einfach: Ein paar Pillen schlucken oder Pulver verrühren, und schon schmilzt das Fett. So kennt man es aus der Werbung. Dass es in der Realität nicht so einfach ist, ist vielen klar. Noch schwieriger wird es, wenn man schon viele Diäten hinter sich hat. Aber was hilft wirklich? Sind Abnehmprodukte sinnvoll, rausgeschmissenes Geld – oder sogar gefährlich?
Der wohl größte Markt an Abnehmprodukten gehört den sogenannten Formula Produkten. Das sind Pulver, die in Wasser oder Milch gerührt werden – sie sollen eine oder mehrere Mahlzeiten am Tag ersetzen. „Viele haben aber von diesen Trinkdiäten schnell genug“, sagt Silke Schwartau von der Verbraucherzentrale Hamburg. Schließlich bleibt der Genuss dabei ziemlich auf der Strecke. „Außerdem sind die Werbeversprechen übertrieben.“ Eines der Probleme mit den Getränken stellt sich vor allem dann ein, wenn der Abnehm-Willige nur einzelne Mahlzeiten damit ersetzt: Er isst zu den anderen Mahlzeiten oder zwischendurch automatisch mehr. Der Effekt des Drinks geht damit gegen null.
Trinkdiät als Starthilfe
Bei stark Übergewichtigen könnten die Formula Produkte aber eine Starthilfe sein, sagt Schwartau. Der Vorteil: Über solche Getränke können Betroffene eine genau abgemessene Kalorienmenge zu sich nehmen, ergänzt Lars Selig, Diätassistent und Leiter des Ernährungsteams an der Uniklinik Leipzig. Auch alle wichtigen Vitamine seien in den meisten Produkten enthalten.
Aber auch er meint: Die Trinkdiäten funktionieren nur, wenn man es ganz exakt macht. „Es funktioniert unter ärztlicher Aufsicht, wenn man nichts isst, sondern nur drei bis fünf Drinks – je nach Sorte – am Tag trinkt. Und das für sieben bis zehn Tage“, sagt Selig. Danach isst man zuerst eine Mahlzeit wieder normal und steigert sich langsam. Das sei beispielsweise hilfreich, wenn Menschen sehr viel abnehmen wollen oder müssen – und nach ersten Erfolgen eine frustrierende Durststrecke kommt.
„Das funktioniert kurzfristig, schließlich stellt man die Ernährung komplett um – dann muss man aber grundsätzlich an seiner Ernährung drehen“, sagt Professor Andreas Fritsche vom Lehrstuhl für Ernährungsmedizin und Prävention am Universitätsklinikum Tübingen. „Eigentlich sind alle Diäten, die auf Mangel oder Beschränkungen basieren, abzulehnen oder sogar gefährlich.“ Wer etwa plötzlich komplett auf Kalorien verzichte, versetze seinen Körper in einen Notstand. „Da herrscht Alarmstimmung, die Stresshormone gehen hoch“, sagt Fritsche.
Je mehr Diäten man macht, desto schwieriger wird es
Und: Mit jeder Diät, bei der man sich stark einschränkt, sinkt auch der Energiestoffwechsel – der Körper versucht mit aller Macht, die Vorräte zu halten. Das Abnehmen wird doppelt schwierig. Und der Körper passt sich sogar an: „Je mehr Diäten man macht, desto weniger wirken die“, sagt Lars Selig. Wer beispielsweise schon in der Pubertät mit den Abnehm-Versuchen startet, Jojo-Effekte erlebt und die nächste Diät macht, der hat seinen Stoffwechsel mitunter so sehr in die Knie gezwungen, dass Abnehmen kaum noch möglich ist.
Aber in der Werbung gibt es noch andere Mittelchen, die Erfolg versprechen. So sollen spezielle Pillen das Fett aus der Ernährung binden. Das Fett soll den Herstellern zufolge wieder ausgeschieden werden – statt sich an den Hüften festzusetzen. „Aber auch das kann kaum jemand länger durchhalten, weil man schlimme Fettdurchfälle davon bekommen kann“, sagt Selig. Auch der Erfolg halte sich in Grenzen: Selbst wer die Nebenwirkungen in Kauf nimmt, verliere oft nur wenige Kilos.
Bei den meisten anderen Mitteln sei die Wirksamkeit nicht nachgewiesen, Hinweise auf der Packung wie „Wirksamkeit bestätigt“ beziehen sich teils nicht auf den Abnehm-Effekt. Und wieder andere haben so starke Nebenwirkungen, dass sie zum Abnehmen nicht genommen werden dürfen.
Was esse ich eigentlich?
Aber was hilft dann wirklich gegen die Pfunde? Klar, der Grundsatz ist: Wer mehr verbraucht, als er zu sich nimmt, nimmt ab. Aber das ist leichter gesagt als getan. Wichtig ist erst einmal, sich seiner persönlichen Schwächen bewusstzuwerden, empfiehlt Silke Schwartau. Was esse ich eigentlich den Tag über? Mal am Wochenende ein Stück Kuchen ist sicher nicht das Problem. Aber sind es die allabendlichen Chips? Oder isst man jeden zweiten Mittag Pommes, eine große Portion Schoko-Knusper-Flakes zum Frühstück oder trinkt regelmäßig Limonade?
Wer sich nicht sicher ist, wo das Problem eigentlich liegt, dem empfiehlt Selig, mal eine Woche ein Ernährungs-Tagebuch zu führen, um so das Hauptproblem auszumachen – und zuerst wirklich nur dieses anzugehen. Denn: Je kleiner die Veränderung, desto einfacher und langfristiger lässt sie sich umsetzen.
Beispiel: Wer jeden Tag im Büro die Kekse aus der Schublade isst, ersetzt diese vielleicht durch einen Apfel. Alles andere behält er erst mal so bei – nach mehreren Wochen hat sich der Körper daran gewöhnt, und man kann überlegen, ob man eine weitere Ernährungs-Baustelle angehen will.
Mehr gehen
„Nur wer Baustein für Baustein ungünstige kaloriendichte Lebensmittel austauscht, kann seine Lebensgewohnheiten ändern“, sagt Fritsche. Was bei einem selbst wirke, müsse jeder für sich herausfinden. „Es ist auch genetisch bedingt, ob mich eher fettreiche Ernährung oder vielleicht Zucker dick macht.“
Auch beim Verbrauch gilt es, sich nicht zu hohe Ziele zu setzen, sondern die Bewegung in den Alltag zu integrieren. „Wir müssen wieder mehr gehen“, ermuntert der Mediziner. Mindestens fünf, besser zehn Kilometer sollten es am Tag sein. So lässt sich langsam und nachhaltig abnehmen – mehr als ein halbes Kilo pro Woche sollte es für einen langfristigen Erfolg aber eh nicht sein.
Von Sophia Weimer (dpa)