Rund 120.000 Kinder ohne Polio-Impfung – und nun ein Verbot in der Provinz Kandahar. Der Krieg in Afghanistan behindert die Bemühungen, Kinder vor Kinderlähmung zu schützen. Das könnte die Zahl der Erkrankungen steigen lassen – und gefährdet die Pläne, Polio weltweit auszurotten.
Rückschlag im Kampf gegen Kinderlähmung in Afghanistan: Die radikalislamischen Taliban haben Impfkampagnen in Teilen der südlichen Provinz Kandahar gestoppt. Es handele sich um teils dicht besiedelte Gegenden in vier Bezirken, sagte ein Mitarbeiter der nationalen Anti-Polio-Kampagne, Hedaiatullah Staneksai, am Freitag. Teilweise dauere die Blockade schon drei Monate.
In Kandahar wurde am Donnerstag der fünfte Polio-Fall in Afghanistan in diesem Jahr identifiziert: ein 18 Monate altes Mädchen. Das Kind lebt in einem Bezirk, der von dem Impfbann betroffen ist. Hinter dem Verbot steckt offenbar Misstrauen gegenüber den Regierungsdelegationen, die in Taliban-kontrollierten Gebieten von Haus zu Haus gehen. Die Taliban hielten Mitarbeiter für Spione und wollten eigene Leute in den Teams, sagt Staneksai.
Der Leiter der afghanischen Anti-Polio-Kampagne, Nadschibullah Safi, bestätigte der Deutschen Presse-Agentur am Freitag, dass es in Kandahar nun Verhandlungen gebe. Die Taliban hätten schon vorher Mitglieder in Impfteams entsandt. „Wir nennen sie nicht Taliban, wir nennen sie lokale Helfer“, sagte Safi. „Es sind eben Leute mit Zugang, und wir brauchen diesen Zugang.“ Nach Angaben des US-Militärs sind derzeit etwa rund elf Prozent des Landes unter Kontrolle der Taliban, weitere rund 30 Prozent sind umkämpft.
Nach mehreren großen Impfkampagnen ist die Zahl neuer Polio-Erkrankungen in Afghanistan bisher stetig zurückgegangen. 2015 wurden 20 Fälle erfasst, 2016 noch 13. Bisher gebe es auch 2017 weniger Fälle als bis zur Jahresmitte 2016, sagt Safi.
Afghanistan ist neben Pakistan und Nigeria eines von drei Ländern weltweit, in denen es noch neue Fälle der hochansteckenden Viruserkrankung gibt. Polio bedroht vor allem Kleinkinder. Eine von 200 Infektionen führt nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu dauerhaften Lähmungen. Bis zu zehn Prozent der gelähmten Kinder sterben. Ein Heilmittel gibt es nicht, Schutz bietet nur die Impfung.
Quelle: dpa