Augen auf und durch: Forscher haben herausgefunden, wie Virtual-Reality-Brillen das Schmerzempfinden von Menschen vermindern können. Dennoch werden Ärzte ihre Praxen in absehbarer Zeit kaum aufrüsten müssen.
Beim Arztbesuch virtuelle Pinguine beim Schwimmen beobachten oder den Mount Everest besteigen – ein Ausflug in die virtuelle Realität kann Patienten von einer schmerzhaften Behandlung ablenken. Forscher um Birgit Nierula von der Universität Barcelona stellen nun in der Fachzeitschrift „Journal of Pain“ einen neuen Ansatz vor, der Patienten mithilfe von Virtual-Reality-Brillen helfen können, Schmerzen weniger stark zu spüren. Der Effekt ist allerdings überschaubar.
Forscher wissen seit Jahren, dass Menschen weniger empfindlich sind, wenn sie während einer schmerzhaften Behandlung auf ihren Körper sehen. Das haben Patrick Haggard und Matthew Longo vom University College London herausgefunden, als sie die Hände Freiwilliger mit einem Infrarot-Laser bestrahlten, um ihnen Schmerzen zuzufügen. Die Teilnehmer schauten währenddessen entweder ihre Hand oder aber ein kleines Buch an. Dabei spürten jene Menschen, die auf ihre Hand sahen, den Schmerz schwächer. Auch das Schmerzzentrum ihres Gehirns war weniger aktiv als das jener Freiwilligen, die auf das Buch sahen. Forscher vermuten, dass sie beim Ansehen ihrer Hand deswegen weniger Schmerz spürten, weil sich ihr Körper auf den Laser vorbereitete und die Schmerzschwelle automatisch erhöhte.
Die „Gummihand-Illusion“
Die Neurowissenschaftler um Nierula prüften nun, ob dieser Effekt auch mithilfe virtueller Realität funktioniert. Dabei nutzten sie ein psychologisches Phänomen: Bei der sogenannten Gummihand-Illusion nehmen Menschen unter bestimmten Umständen eine unechte Hand als Teil ihres Körpers wahr.
Die Forscher ließen 19 Freiwillige zunächst auf einem Stuhl sitzen und setzten ihnen eine Virtual-Reality-Brille auf. Durch diese sah jeder Proband eine Person, die in der gleichen Position auf einem Stuhl saß wie er selbst. Sie hielt einen Knopf in der linken Hand, genau wie der Teilnehmer. Wenn nun der virtuelle Knopf vibrierte, spürte der Teilnehmer eine Vibration in der eigenen Hand. So sollte er die virtuelle Hand als Teil des eigenen Körpers empfinden.
Im nächsten Schritt untersuchten die Forscher, ob die Freiwilligen unempfindlicher gegenüber Schmerzen waren, wenn sie auf das virtuelle Körperteil sahen. Die Teilnehmer nahmen Elektroden in die rechte Hand, die sich langsam aufheizten. Sie mussten beurteilen, ab wann die Hitze schmerzhaft wurde. Das Resultat: Wenn die Freiwilligen die virtuelle Hand als Teil ihres Körpers wahrnahmen, waren sie weniger schmerzempfindlich. Sie meldeten erst ab durchschnittlich 45,2 Grad, dass ihnen die Elektrode zu heiß wurde – den anderen Teilnehmern wurde der Schmerz bereits ab 44,7 Grad zu viel.
Das Gehirn aktiviert Mechanismen zur Schmerzlinderung
„Bisher hat man die virtuelle Realität vor allem zur Ablenkung während schmerzhafter Behandlungen genutzt“, sagt Nierula. „Jetzt wissen wir, dass man diese Technik auch dazu nutzen könnte, Patienten Bilder eines Körpers zu zeigen und damit ihr Schmerzempfinden zu verringern.“ Denn beim Ansehen des Körpers, so vermutet Nierula, aktiviere das Gehirn bestimmte Mechanismen zur Schmerzlinderung. Das sei jedoch noch Spekulation. Die genauen Mechanismen wollen die Forscher nun klären.
Für den Philosophen Thomas Metzinger von der Universität Mainz, der sich seit langem mit dem Thema befasst, birgt dieser Ansatz Potential: „Diese Forschung ist sehr nützlich und vielversprechend, da sie aufdeckt, wie man die virtuelle Realität therapeutisch nutzen kann, um Schmerzen zu lindern.“
Quelle: dpa