„Von der Seele schreiben“: Chats mit der Telefonseelsorge nehmen zu

Auf der Suche nach Ratschlägen oder einem offenen Ohr greifen Hunderttausende Menschen Jahr für Jahr zum Telefonhörer. Sie erwarten Hilfe von der Telefonseelsorge. Immer häufiger nutzen Betroffene aber auch Computer und Mausklick, wenn es ihnen nicht gut geht.

Immer mehr Menschen lassen sich bei der Telefonseelsorge lieber über Chats statt im direkten Gespräch beraten. Zwar biete die Seelsorge vor allem Anrufern ihre Hilfe an, doch nehme die Beratung über Kurzmitteilungen zu, sagte Stefan Schumacher, der Präsident von IFOTES (International Federation of Telephone Emergency Services) am Dienstag in Aachen. Dort beginnt in rund einem Monat der Weltkongress der Telefonseelsorger. Die Tagung wird von IFOTES und der Telefonseelsorge veranstaltet.

Zum Aachener Weltkongress (19. bis 22. Juli) werden 1600 Teilnehmer aus 33 Ländern erwartet. Im Mittelpunkt der Konferenz mit dem Thema „Damit das Leben weitergeht…” steht die Auseinandersetzung mit Menschen in suizidalen Situationen. Unter anderem werde auf dem Treffen Teresa Enke erwartet, deren Mann – Fußball-Nationaltorwart Robert Enke – sich 2009 das Leben nahm, kündigte Pfarrer Frank Ertel an, der die Veranstaltung mitorganisiert.

Bei der Telefonseelsorge sind rund 7500 Ehrenamtliche engagiert. „Die meisten können inzwischen beides, Telefon und Internet”, sagte IFOTES-Präsident Schumacher der Deutschen Presse-Agentur. Ehrenamtliche sollten in allen Medien zu Hause sein. „Deshalb werden auch Ältere mitgeschult zum Thema Internet, die Jüngeren haben es leichter.”

Per Mail oder Chat wird bereits seit 1995 beraten. Erkennbar sei, dass die hohe Anonymität im Netz den Menschen helfe, auch Themen anzusprechen, die für sie mit Scham oder Angst besetzt seien, sagte Ruth Belzner, die Vorsitzende der evangelischen Konferenz für Telefonseelsorge. Dazu zählten sexuelle Gewalt, Suizidalität oder Selbstverletzungen.

„Im Chat sind Menschen sehr spontan, emotionaler”, erklärte Schuhmacher. Für die Seelsorger gehe es darum, eine instabile Situation abzufangen. „Beim Chatten brauche ich stärker das Gegenüber. Teilweise können die Menschen gar nicht reden, es sind gewisse Hemmungen da. Chatten ist einfacher, chatten ist sehr hilfreich, um sich emotional zu stabilisieren.” Die Chat-Zahlen sind nach Angaben Schumachers von 7000 im Jahr 2013 auf 10.000 im vergangenen Jahr gestiegen.

In Mails schrieben sich Menschen „etwas von Seele”. „Das sind Menschen, die was loswerden wollen, die eine Resonanz bekommen wollen. Häufig ist das nicht mit einer Antwort getan.”

Quelle: dpa