Wenn es nicht bei einem Gläschen bleibt

© picture alliance/dpa-Zentralbild

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Gegen ein Feierabendbier ist meist nichts einzuwenden – vorausgesetzt, man ist erwachsen und gesund. Wenn allerdings aus einem Bier regelmäßig zwei oder drei werden, geht es irgendwann nicht mehr ohne. Doch wo liegt die Grenze?

Anstoßen, die Gläser klirren und Prost! Beim Feiern gehört Alkohol wie selbstverständlich dazu. Doch für einige ist Bier, Wein oder Schnaps kein Genussmittel. Sie sind süchtig nach Alkohol – und zeigen Entzugserscheinungen wie starke Unruhe oder Zittern der Hände, wenn sie nicht genug trinken.

Das ist längst keine Seltenheit: Rund 3,3 Millionen Menschen zwischen 18 und 65 Jahren in Deutschland haben Experten zufolge Alkoholprobleme. Die fangen oft harmlos an. „Missbrauchsverhalten entwickelt sich schleichend“, sagt Heidrun Thaiss, Leiterin der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) in Köln. Bereits vor einer Abhängigkeit kann Alkohol massive körperliche Schäden verursachen.

Die Grammzahl als Orientierungshilfe

Welche körperlichen Schädigungen wie stark durch zu hohen Alkoholkonsum hervorgerufen werden, ist individuell verschieden. „Das hängt unter anderem von Erkrankungen, aber auch von der seelischen Befindlichkeit ab“, sagt Professor Richard Raedsch, Chefarzt der Abteilung für Gastroenterologie am St. Josefs-Hospital in Wiesbaden.

Allerdings: Alkoholkonsum ganz ohne gesundheitliche Risiken – den gibt es nicht. „Je höher der Gehalt an reinem Alkohol in einem Getränk gleicher Menge, desto höher ist auch die Gefahr, sich Schaden zuzufügen“, erklärt Christa Merfert-Diete von der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) in Hamm.

Als „risikoarm“ ist laut Merfert-Diete Alkoholkonsum für Männer dann, wenn sie pro Tag maximal 24 Gramm reinen Alkohol zu sich nehmen. Bei Frauen dürfen es nur 12 Gramm täglich sein. Als Orientierungshilfe: Etwa 13 Gramm Alkohol sind in einem Glas Bier mit 0,33 Liter, bei einem Glas Wein mit etwa 0,2 Liter liegt die Menge bei 16 Gramm, ein Whisky in einem 0,02-Liter-Glas hat 7 Gramm reinen Alkohol. Als „schädlicher Konsum“ gilt, wenn Frauen bis 40 Gramm und Männer bis 60 Gramm reinen Alkohol trinken.

Ein Trinktagebuch hilft, das eigene Trinkverhalten zu reflektieren

Wer Alkohol über der als risikoarm eingestuften Menge trinkt, lebt gefährlich. „Selbst diejenigen, die noch keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen spüren, haben dennoch ein erhöhtes Risiko für Bluthochdruck oder Krebserkrankungen“, warnt Thaiss. Da Alkohol in der Leber abgebaut wird, besteht die Gefahr, an Fettleber und Leberzirrhose zu erkranken. Weitere mögliche Folgen seien unter anderem Speiseröhrenkrebs oder eine Entzündung der Bauchspeicheldrüse, erklärt Raedsch.

„Zudem kann das Gehirn bei missbräuchlichem oder abhängigem Alkoholkonsum geschädigt werden“, warnt Wolfgang Wesiack, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Internisten (BDI). Die Folgen können Konzentrations- und Gedächtnisstörungen, aber auch Intelligenzminderung sein. Hinzu kommt, dass Menschen, die regelmäßig zu viel Alkohol trinken, Probleme im sozialen Umfeld bekommen können. Dazu gehören Schwierigkeiten in der Familie, im Freundes- und Bekanntenkreis, aber auch am Arbeitsplatz. „Eine Alkoholabhängigkeit kann in einigen Fällen auch zum sozialen Abstieg führen“, erklärt Wesiack.

Soweit muss es nicht kommen. „Wer Zweifel angesichts seines Alkoholkonsums hat, sollte mit dem Hausarzt darüber sprechen oder Kontakt zu einer Suchtberatungsstelle aufnehmen“, erklärt Merfert-Diete. Ein Trinktagebuch hilft, das eigene Trinkverhalten zu reflektieren – unabhängig davon, ob es ein Alkoholproblem gibt oder nicht. Eine wichtige Rolle bei Menschen mit Alkoholproblemen haben oft Angehörige oder Freunde. Sie sollten einen Betroffenen dazu ermuntern, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Nach der Therapie sollte man standhaft bleiben

Mit einer umfassenden Untersuchung kann der Arzt klären, ob bereits organische Schäden vorliegen. Auch veränderte Blutwerte können ein Indiz für Alkoholabhängigkeit sein. Wird eine Sucht diagnostiziert, kann ein Entzug entweder ambulant oder stationär erfolgen. Für die Kosten kommen die Krankenkassen auf. „Die Dauer der ambulanten Entwöhnungsphase ist unterschiedlich“, erklärt Wesiack. In der Regel dauert sie zwei Wochen. Der Betroffene geht in dieser Zeit regelmäßig zum Arzt, wird untersucht und erhält bei Bedarf ein Präparat zur Linderung der Entzugserscheinungen.

Ist das Suchtverhalten stark ausgeprägt, kann auch ein Aufenthalt in einer Fachklinik nötig sein. Dort stehen neben dem körperlichen Entzug begleitende Gespräche oder die Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe an. „Nach dem Entzug ist es für Betroffene oft schwierig, sich von Alkohol fernzuhalten“, sagt Wesiack. Manch einer glaubt, sich dann und wann mal „ein Gläschen“ genehmigen zu können – was oft eine Fehleinschätzung ist. Der Alkoholkonsum ufert dann schnell wieder aus. Wer nach einer Therapie vom Alkohol entwöhnt ist, sollte standhaft bleiben – „und sich dafür von Zeit zu Zeit selbst belohnen“, rät Wesiack. Nur nicht mit Alkohol.

Von Sabine Meuter (dpa)