Wie positives Altern gelingen kann

Christoph Englert © FLI

Christoph Englert © FLI

Körperlich fit und geistig rege bis ins hohe Alter – nicht jedem ist das vergönnt. Doch positives Altern sei möglich, meint Altersforscher Christoph Englert. Die Lebenserwartung in Deutschland steigt, doch vielen Menschen graut davor, alt zu werden. Sein Fazit: Das Bild, das man selbst vom Alter hat, beeinflusst, wie gut man physisch und psychisch altert.

 

 Zur Person

Christoph Englert hat an der Universität Tübingen Biochemie studiert. Seit 2004 ist er Professor für Molekulargenetik am Leibniz-Institut für Altersforschung in Jena. Er ist 52 Jahre alt.

 

 

 

 

 

 

 

 

Redaktion: Manche Menschen sind bis ins hohe Alter sportlich und beruflich aktiv. Sind 80- und 100-Jährige heute fitter als früher?
Christoph Englert: Nach meiner Erfahrung ist das so. Ich selbst mache viel Sport. Da fällt auf, dass in den Sportveranstaltungen die Altersklassen der 60- und teilweise auch 70-, 80-Jährigen noch stark vertreten sind. Pro Jahr steigt die Lebenserwartung im Schnitt um drei Monate. Insofern leben wir heute rund fünf Jahre länger als die Menschen vor 20 Jahren.

Die Lebenserwartung steigt

Was sind die Gründe dafür?
Da spielen mehrere Dinge eine Rolle. Unser Leben ist leichter geworden – man denke nur daran, wie viel schwerer die Arbeit vor 100 Jahren etwa in der Landwirtschaft war. Natürlich trägt auch der medizinische Fortschritt dazu bei. Es ist zu beobachten, dass wir insgesamt langsamer altern.

Vielen graut jedoch beim Gedanken ans Alter, vor allem davor an Gesundheit und Leistungsfähigkeit einzubüßen.
Natürlich nimmt im Alter die körperliche Leistungsfähigkeit ab. Es gibt aber Studien die belegen, dass man kognitive Dinge wie Sprachenlernen im höheren Alter noch ganz gut kann. Oft, wenn übers Altern geredet wird, hat das einen negativen Beigeschmack – leider. So ist von Überalterung der Gesellschaft die Rede, und da schwingt etwas Bedrohliches mit. So lange das so ist, altern wir auch schlechter.

Das heißt: Die Art, wie wir über das Altern denken, beeinflusst die Qualität, wie wir tatsächlich altern?
Ja. Es gibt interessante psychologische Studien darüber, wie das Altersbild einer Gesellschaft auf das Altern zurückwirkt. In Asien genießen ältere Menschen ein ganz anderes Ansehen als bei uns. Wir sind da stärker leistungsgeprägt und müssten endlich mal mit dem Bild aufräumen, dass Alter gleich weniger Leistung bedeutet. Wenn Sie jemanden wie Altbundeskanzler Helmut Schmidt sehen, zeigt sich doch, dass man im Alter kognitiv absolut leistungsfähig sein und sozusagen positiv altern kann. Letztlich gilt: Das Bild, das man selbst vom Alter hat, beeinflusst, wie gut man physisch und psychisch altert.

Gutes und schlechtes Altern

Was verstehen Sie unter “positiv altern”, wie macht man das?
Damit meine ich eine gewisse Leistungsbereitschaft und Beweglichkeit, kognitiv nicht abzubauen. Es ist wichtig, dass Menschen auch im hohen Alter das Gefühl haben, gebraucht zu werden. Die Leute bei uns mit 65 aufs Abstellgleis zu schicken, zu sagen, du darfst jetzt nicht mehr arbeiten, du gehst in Rente, ist nichts, was positives Altern fördert. Diese Leute altern schlechter als jemand, der gebraucht wird. Eine Aufgabe haben, integriert sein in die Gesellschaft – all das trägt zu positivem Altern bei. Das kann auch die Großmutter sein, die sich um ihre Enkel kümmert.

Nichtsdestotrotz nimmt die körperliche Leistungsfähigkeit im Alter ab. Oder glauben Sie, dass die Wissenschaft irgendwann die Macht der Gene brechen und das Altern generell aufhalten kann?
In der Altersforschung geht es erst einmal darum, die Macht der Gene zu verstehen. Wir versuchen anhand verschiedener Organismen – zum Beispiel Mäusen und Fischen – eine Idee zu kriegen, wie viele Gene überhaupt am Altern beteiligt sind. Wenn wir das verstehen, kann man schauen, ob man in die Signalwege der Gene eingreifen kann. Das Altern aufzuhalten ist schwierig, aber wir wissen, dass wir als Gesellschaft das Altern verlangsamen können. Die älteste Frau, die es auf der Erde gegeben hat, ist 122 Jahre alt geworden. Sie war, nach allem was wir über sie wissen, bis zu ihren letzten Tagen eine jugendlich wirkende Frau, die mit 117 noch gefochten hat und Fahrrad gefahren ist. Es gibt viele Beispiele, wo das Altern durch eine positive Einstellung dazu verlangsamt worden ist. Umkehren oder aufhalten wird man es nicht können.

Interview: Andreas Hummel (dpa), 07. November 2014