Das Alter hat auch gute Seiten. Hat man erst die 65 Jahre überschritten, lassen bei vielen Menschen die Rückenschmerzen nach. Über die Ursachen wird allerdings noch gerätselt. Ist es eine Frage der körperlichen Konstitution, oder ändert sich mit den Jahren vielleicht die Wahrnehmung?
Rückenschmerzen sind ein Volksleiden, nicht nur hierzulande. Zumindest temporär klagt fast jeder Deutsche über Probleme mit dem Kreuz. Eine Studie des Robert-Koch-Instituts kommt aber zu einem interessanten Ergebnis: Mit dem Alter lassen die Leiden anscheinend nach.
Zwar stehen auch bei den über 60-Jährigen Rückenschmerzen auf Platz eins der Beschwerdeliste. Insbesondere chronische Rückenschmerzen zeigen sich hartnäckig. Trotzdem nehmen die Probleme ab dem Alter von 65 Jahren in ihrer Gesamtzahl ab. Das klingt zwar widersprüchlich, doch bezieht man die akuten, sprich die nicht-chronischen Rückenschmerzen in die Rechnung mit ein, so geht die Betroffenenzahl tatsächlich nach unten. “Warum Ältere weniger über leichte Rückenschmerzen berichten als Jüngere, ist nicht geklärt”, heißt es in dem Institutsbericht.
Ab 65 Jahren lassen Rückenschmerzen nach
Am wahrscheinlichsten, so die Experten, sei als Ursache ein Mix von “teils biomechanischen Entlastungen, teils stabilisierenden Selbstheilungsvorgängen”. Kurz erklärt: Mit den Jahren nimmt die Verknöcherung der Wirbelsäule zu. In der Folge werden Knochen und Wirbel härter, können sich weniger leicht verdrehen und drücken so offenbar weniger stark auf die Nerven. Orthopäden beschreiben diesen Vorgang auch als “wohltuende Teilverkrümmung der Wirbelsäule”.
Dieser “heilende” Effekt wird übrigens auch in der Behandlung von jüngeren Patienten mit Wirbelbrüchen oder Tumorbefall eingesetzt. Hier wird den Betroffenen die Bandscheibe entnommen und durch einen sogenannten Abstandshalter ersetzt. Anschließend werden Titanschrauben in die Wirbelsäule gedreht und durch eine Platte miteinander fixiert. Die Wirbel werden verklammert, unbeweglich gemacht und gewissermaßen versteift. Bei unspezifischen Rückenleiden ist die Anwendung zwar stark umstritten, trotzdem nehmen die Operationen insgesamt zu. Im Alter scheint diese “therapeutische Versteifung” hingegen von ganz alleine einzusetzen.
Wohltuende Verknöcherung oder eine Veränderung der Wahrnehmung?
Eine andere Erklärung zielt auf die Psyche der Betroffenen ab. Es scheint, als würde die Intensität von Rückenschmerzen im Alter anders wahrgenommen. Im Vergleich zu anderen schwerwiegenderen Gesundheitsstörungen treten Rückenprobleme möglicherweise in den Hintergrund. Tatsächlich nehmen Menschen unterschiedliche Schmerzen stets in Relation zueinander wahr. Je intakter der Körper, je weniger Gebrechen jemand hat, desto stärker wird ein Schmerz empfunden.
Ähnliches vermutet die Britische Geriatrische Gesellschaft (orig. “British Geriatrics Society”), die 2006 eine der ersten Studien zum Thema veröffentlichte. Auch sie spricht von einer “abnehmenden Schmerzwahrnehmung und wachsenden Schmerztoleranz” im Alter. Daneben verweist die Studie aber auch auf kognitive Veränderungen und psychische Erkrankungen wie Depressionen, die das Schmerzempfinden beeinflussen können.
Im Alter verschwindet der Rückenschmerz also nicht unbedingt. Doch scheint es, als könnten die späten Jahre ihn in ein neues Licht rücken.