Die Oma stirbt, der Onkel ist schwer erkrankt, Mama und Papa trennen sich: Es gibt Dinge, die würden Eltern ihren Kindern am liebsten verschweigen. Dass das nicht geht, ist klar. Aber wie bringt man Kindern traurige Nachrichten bei?
Viele Eltern würden am liebsten alles Schlimme von ihren Kindern fernhalten. Doch traurige Nachrichten zurückhalten ist keine Lösung. Wie also bringt man Kindern Todesfall, Krankheit oder Scheidung bei? Experten geben Antworten:
Wann muss ich meinem Kind etwas sagen?
„In dem Moment, in dem das Kind im Alltag von dem Ereignis betroffen ist, müssen Sie immer darüber reden“, sagt Heidemarie Arnhold, Vorsitzende des Arbeitskreises Neue Erziehung (ANE) in Berlin. Das Kind bekomme ohnehin mit, dass etwas passiert ist. Doch auch wenn das Kind nicht direkt berührt ist, die Eltern ein Ereignis aber sehr mitnimmt, sollten sie die eigene Trauer erklären.
Laut Stephanie Engelmann, Kinder- und Jugendtherapeutin bei der Familienberatung der Stadt Köln, muss man sich für so ein Gespräch Zeit nehmen. Den richtigen Zeitpunkt gibt es nicht: „Wenn jemand aus der Familie gestorben ist und das wirft Sie völlig aus der Bahn, können Sie nicht bis zum Wochenende warten und so tun, als ob alles okay sei.“ Anders verhalte es sich bei einer bevorstehenden Trennung: „Hier wartet man besser, bis diese wirklich ansteht und klar ist, wie es weitergeht.“ Bei Scheidungsgesprächen ist wichtig, dass Vater und Mutter gemeinsam und ohne gegenseitige Schuldzuweisungen mit dem Kind reden.
Was sollte ich sagen und was verschweigen?
Arnhold empfiehlt, nicht zu wenig zu erklären, das Kind aber auch nicht mit Informationen zu überladen. „Erzählen Sie nicht die ganze Leidensgeschichte, nicht all’ das, was Sie einem Erwachsenen sagen würden.“ Grundsätzlich raten Experten zur Wahrheit. „Sie sollten diese aber kindgerecht formulieren“, sagt Ulric Ritzer-Sachs von der Online-Beratung der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung (bke). Er gibt ein Beispiel: Statt die einzelnen Stadien einer Krebserkrankung zu erklären, könne man sagen: Oma hat eine ganz schlimme Krankheit, das ist sehr traurig, und es kann sein, dass sie stirbt.
Woher weiß ich, was mein Kind versteht?
Orientieren können Eltern sich an den Fragen, die das Kind stellt – oder eben nicht. „Wenn es nicht weiter interessiert ist, müssen Sie nicht noch mehr und mehr erzählen“, erläutert Arnhold. Wenn Tochter oder Sohn aber konkret nachfragen, etwa was nach dem Tod kommt, sollte man darauf eingehen und das Kind nicht mit seinen Fragen zurückzulassen. Im Zweifel könne man ruhig zugeben, etwas selbst nicht zu wissen, sagt die Pädagogin.
Wie erkläre ich einen Todesfall?
Hier geht man am besten von den eigenen Vorstellungen aus. „Gläubige haben es an diesem Punkt sicherlich einfacher“, sagt Ritzer-Sachs. Arnhold rät: „Man kann den Tod entweder religiös begründen: Oma ist gestorben und schaut uns jetzt vom Himmel aus zu. Oder: Sie ist weg, aber wenn wir sie bei uns haben wollen, denken wir an sie.“ Auch Engelmann rät bei kleinen Kindern zum Himmelbegriff, es sei denn, man könne absolut nicht mit dieser Erklärung leben. Wer überzeugt sei, nach dem Tod ist alles vorbei, sollte überlegen, ob man das einem Kind so sagen muss. „Oder ob es nicht besser wäre, zu sagen: Manche Menschen glauben dieses, andere das, und genau weiß man es nicht“, erläutert Ritzer-Sachs.
Wichtig ist ein Abschied vom Verstorbenen: Das Kind kann ein Bild malen oder überlegen, welche Blume es ans Grab legen möchte. „Nehmen Sie das Kind auf jeden Fall mit zur Beerdigung, wenn es zu der Person einen Bezug hatte“, rät Engelmann. Vorher sollte man erklären, was auf einer Beerdigung passiert.
Muss ich meine eigene Trauer verbergen?
Nein. Zwar sollte man das Kind nicht damit überschütten. Gefühle darf man aber zeigen. Daraus lernen Kinder: „Sie sehen, dass etwas Schlimmes passieren kann, das Leben aber weitergeht, Mama trotzdem das Frühstück macht“, erklärt Engelmann. Wer gar nicht weiter weiß, holt sich besser Hilfe. „Auch hieraus lernt das Kind: dass es Situationen gibt, in denen man Unterstützung braucht, das aber nicht schlimm ist.“ Wer vor lauter Schluchzen kein Gespräch hinbekommt, kann enge Freunde oder Verwandte darum bitten. „Aber es wäre gut, wenn man später noch mal selbst mit den Kindern redet“, sagt Ritzer-Sachs.
Sollte ich Geschwister getrennt aufklären?
Am besten ist es, mit allen Familienmitgliedern gleichzeitig zu reden, auch wenn die Kinder im Alter auseinanderliegen. Das schafft eine Gemeinschaftssituation, die auch kleinere Kinder wahrnehmen. Ritzer-Sachs verweist auf den familiären Zusammenhalt: „Geschwister sind eine starke Unterstützung.“ Will der ältere Bruder Details wissen, können die Eltern später noch mal alleine mit ihm sprechen.
Wie vermeide ich Missverständnisse und Schuldgefühle?
Engelmann rät, sich seine Worte gut zu überlegen. Problematisch sei zum Beispiel der Satz: „Oma ist eingeschlafen“. Kleine Kinder bekämen dadurch oft Angst vor dem Schlafen. „Wählen Sie lieber sachlich das Wort ‚gestorben’“. Ritzer-Sachs empfiehlt, dem Kind immer wieder das Gespräch anzubieten. „Kinder brauchen zudem die Botschaft: Das hat nichts mit dir zu tun, Du kannst nichts dafür!“
Von Olivia Konieczny (dpa)