Die Ambrosia ist in Deutschland alles andere als beliebt: Allergikern verlängert sie die Schniefsaison und verdrängt heimische Pflanzen. Das Bittere: Ausgerechnet an Straßen nimmt sie richtig Fahrt auf. Widerstand ist nicht zwecklos – aber noch zaghaft.
Es ist gewissermaßen doppelt ärgerlich: Nicht erst seit dem Dieselskandal ist jeder Auspuffausstoß ein Gräuel. Und nach Birke, Hasel und Gräsern haben sich viele Allergiker hierzulande längst darauf eingestellt, dass sie Jahr für Jahr auch von Pollen neuer, eingewanderter Arten gepeinigt werden. Bei der sowieso schon bei vielen verhassten Ambrosia gibt es aber eine äußerst unangenehme Gemengelage: Ausgerechnet an Straßenrändern wird sie so richtig aggressiv.
Stickstoffdioxid (NO2) aus Abgasen verursacht Stress bei der Pflanze. Dadurch verändert sich die Protein-Zusammensetzung der Pollen. Das haben Forscher des Helmholtz-Zentrums in München herausgefunden. Die Menge sogenannter allergener Proteine werde größer, erklärt der Leiter des Instituts für Biochemische Pflanzenpathologie, Jörg Durner. Und zwar je nach Allergen um den Faktor zwei bis zehn.
Aggressivere Pollen treffen auf gereiztere Schleimhäute
Für Betroffene heißt das in letzter Konsequenz: Der Körper schüttet mehr Histamin aus, und das verursacht allergische Reaktionen – Heuschnupfen und Asthma. Auch Hautentzündungen sind möglich. Und: „Eine Ambrosia-Pflanze kann zwischen 3000 und 60.000 Samen in ihrem einjährigen Lebenszyklus abwerfen“, macht Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) deutlich. „Außerdem kann sie bis zu eine Milliarde Pollen in die Luft entlassen.“
NO2 hat schon an sich schädigende Wirkung auf die Schleimhaut. „Jetzt treffen aggressivere Pollen auf gereiztere Schleimhäute“, sagt Durner. Wie stark die Effekte zusammen sind, ob sie sich addieren oder potenzieren – also deutlich krasser steigen –, soll nun an einem Modell getestet werden. Hier stehen die Wissenschaftler noch am Anfang: „Am einfachsten wäre ein Menschen mit der Ambrosia in einer Kammer, die mit NO2 behandelt wird. Aber das geht natürlich nicht“, sagt Durner. Nun gehe es um die Frage, ob ein Tiermodell herhalten muss oder zu Testzwecken eine künstliche Schleimhaut entwickelt wird.
Die nordamerikanische Beifuß-Ambrosie (Ambrosia artemisiifolia), auch Aufrechtes oder Beifußblättriges Traubenkraut genannt, wurde vor Jahren vermutlich über Vogelfutter nach Europa eingeschleppt. In Deutschland ist sie nach Angaben von Matthias Werchan von der Stiftung Deutscher Polleninformationsdienst vor allem im wärmeren Süden vertreten. Allein das Gesundheitsministerium in Bayern zählte zuletzt 393 größere Bestände im Freistaat. Aber ebenso gebe es etwa in Brandenburg Bestände „jenseits von Gut und Böse“, so Werchan. Auch wegen des Klimawandels breitet sich die Ambrosia aus.
Ihre Pollen gehören zu den heftigsten Allergieauslösern – stärker beispielsweise als bei Gräsern und Birke. Das bis zu 1,80 Meter hohe Unkraut blüht zudem erst ab etwa Mitte Juli, der Pollenflug reicht von August bis Oktober. Für Allergiker bedeutet das unter Umständen eine Verlängerung der Leidenszeit um rund zwei Monate.
In Bayern gilt für Ambrosia eine Melde- und Bekämpfungspflicht
Das Bittere: Gerade an Straßenrändern, wo die Pollen aggressiver werden, gibt es laut Werchan ein weiteres Problem. „An den Autobahnen werden regelmäßig die Grünstreifen gemäht. Dann werden die Pflanzen mitgezogen und die Samen verteilen sich im Boden.“ Dort könnten sie noch Jahre später auskeimen. Das Gesundheitsministerium in München empfiehlt daher, die Pflanze auszureißen – nur mit Handschuhen und bei blühenden Pflanzen sogar mit Mundschutz – und in einer Plastiktüte mit dem Hausmüll zu entsorgen. Bei Beständen ab rund 100 Pflanzen sollten Behörden eingeschaltet werden.
Seit 2007 gehen das Julius Kühn-Institut bundesweit und auch der Freistaat mit Aktionsprogrammen gegen die Ambrosia vor. „Insgesamt konnte bislang eine unkontrollierbare Ausbreitung wie in anderen Staaten verhindert werden“, sagt Ministerin Huml. Werchan und Durner sind aber der Meinung, in Deutschland werde – auch politisch – viel zu wenig gemacht. Gerade einmal knapp 40 Messstationen gibt es den Angaben nach in der gesamte Republik, um den Pollenflug zu erfassen.
Werchan verweist zudem auf die Schweiz, die gesetzlich verankert habe, dass Ambrosia bekämpft werden muss. „Da ist die Pflanze fast wieder ausgerottet“, sagt er. In Deutschland gebe es nur lokale Aktionen. „Dabei ist die Bekämpfung deutlich günstiger als abzuwarten.“ Bayerns Ressortchefin Huml sagt: „Wir beobachten in Bayern, ob eine gesetzliche Melde- und Bekämpfungspflicht für Ambrosia-Pflanzen auch bei uns notwendig werden könnte.“
Etwas Gutes kann Professor Durner vom Helmholtz-Zentrum der Ambrosia allerdings doch abgewinnen: „Das ist ein super Modell für die Forschung, weil eine einzelne Pflanze so viele Pollen entwickelt.“
Von Marco Krefting (dpa)