Zauberpflanze oder Humbug? Aloe vera auf dem Prüfstand

Zauberpflanze oder Humbug? Aloe vera auf dem Prüfstand

© picture alliance/WILDLIFE

Den einen gilt sie als Wunderwaffe bei Sonnenbrand und schuppiger Haut. Andere sehen in der Aloe vera-Pflanze ein Geheimmittel im Kampf gegen Krebs. Schön wär’s. Die meisten Aussagen zur Wirkung von Aloe vera sind wissenschaftlich nicht haltbar.

Sie ist ein kleiner Tausendsassa: Aloe vera taucht in Cremes und Gels auf, existiert als Saft oder in Kapselform. Außerdem werben After-Sun-Produkte gerne mit ihrer kühlenden und heilenden Wirkung. In einigen Foren wird sogar ihre Kraft fürs Abwehrsystem gepriesen und ihr eine krebsvorbeugende Wirkung zugeschrieben. Doch was stimmt davon tatsächlich? Antwort: fast nichts.

Die Aloe vera zählt zu den Sukkulenten. Das heißt, die Pflanze speichert viel Wasser. Erkennbar ist das an den dickfleischigen Blättern. Aus ihrem Inneren wird das Aloe-Gel gewonnen – eine durchsichtige Masse. Aus den äußeren Blattteilen kommt dagegen das bitter schmeckende, gelbe Aloe-Latex, auch Aloe-Saft genannt.

Übertriebene Heilsversprechen

Gel und Latex werden zu unterschiedlichen Zwecken eingesetzt, Aloe-Saft zum Beispiel als Abführmittel bei Verstopfung. Allerdings sollte das laut Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte nur kurzfristig geschehen, da es nicht ganz ohne Nebenwirkungen ist. Es kann auf Magen und Darm schlagen, Blutungen auslösen und ist deshalb für Schwangere oder Kinder unter zwölf Jahren nicht empfehlenswert. „Aufgrund der Nebenwirkungen ist der Saft mittlerweile durch weniger riskante Substanzen vom Markt verdrängt worden“, erklärt Wilhelm Brodschelm. Er leitet die Apotheke am Krankenhaus St. Josef im österreichischen Braunau.

Etwas harmloser ist die Verwendung von Aloe vera als Gel. Es soll äußerlich bei allen Arten von Wunden, Verbrennungen, Hautreizungen oder Schuppenflechte nützlich sein. Es finden sich aber auch Aussagen zur Wirksamkeit bei Diabetes, Krebs oder HIV-Infektionen. „Das sind übertriebene Heilsversprechen“, urteilt Professor Bernhard Uehleke. Er arbeitet als Experte für Phytotherapie im Immanuel Krankenhaus in Berlin. Aloe vera präventiv gegen Krebs einzunehmen, sei Quatsch. Keine wissenschaftliche Studie bestätige einen positiven Effekt. Für die Verzehrmenge lasse sich außerdem keine Grenze festlegen.

Kann man Aloe-vera-Gel also als nutzlos abschreiben? Nicht ganz. Beim Seborrhoischen Ekzem, eine Hautkrankheit, bei der sich Schuppen auf der Kopfhaut bilden, tritt laut einer Studie eine Besserung bei durchschnittlich 60 Prozent der mit dem Gel behandelten Patienten auf. In der Kontrollgruppe waren es nur zirka 20 Prozent. Auch bei der Geschlechtskrankheit Genitalherpes heilte die Haut mit einer Aloe-vera-Creme schneller als bei einem Placebo.

Widersprüchlich ist die Wirkung bei strahlengeschädigter Haut, sprich: bei einem Sonnenbrand. Hier soll Aloe-vera-Gel seine ganze Kraft entfalten. Manche schwören sogar darauf, Blätter der Pflanze aufzuschneiden und sie auf die geröteten Stellen zu legen. Schaden tut das nicht – wirken aber nur bedingt. Laut Apotheker Brodschelm werden Hautirritationen nicht deutlich gemindert. Oder anders gesagt: Aloe vera ist einer normalen Öl-in-Wasser-Creme nicht überlegen. Solche Cremes wirken kühlend und austrocknend.

Die Gels bestehen zu 99 Prozent aus Wasser

Ulrike Bauschke ist Mitglied im Heilpraktikerverband und hat mit Aloe vera gute Erfahrungen gemacht. Sie schätzt die Anwendung des schleimigen Gels bei Verbrennungen: „Es spendet Feuchtigkeit, regt die Wundheilung und die Bildung von Kollagen an.“ Kollagen ist ein Protein, das im menschlichen Körper zum Beispiel in Sehnen und Bändern vorkommt. Außerdem lindere das Aloe-Vera-Gel Juckreiz und Entzündungen, regeneriere und verjünge die Haut, so die Heilpraktikerin.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband hat Aloe vera auf seinem Portal www.klartext-nahrungsergaenzung.de als Nahrungsergänzungsmittel unter die Lupe genommen. Es soll als solches den Körper entgiften, das Immunsystem stärken und für Wohlbefinden sorgen. Aloe vera wird getrocknet in Kapseln, als Saft oder Gel angeboten. Das Spektrum an Inhaltsstoffen ist dabei groß, ihre Menge aber gering: Enthalten sind Schleimstoffe aus Kohlenhydraten, Enzyme, Aminosäuren, Vitamine und Mineralstoffe. Der größte Teil, etwa 99 Prozent des Gels, besteht aber aus Wasser. Das nüchterne Urteil der Verbraucherzentrale lautet deshalb: „Viele dieser Stoffe sind auch in heimischem Obst und Gemüse enthalten.“

Diesen Tipp würde auch Professor Uehleke Verbrauchern geben: Wer Obst und Gemüse der Saison isst, muss nicht auf Aloe vera setzen. Hinzu kommt, dass Produkte mit Aloe vera meist sehr teuer sind – sie werden aus den USA, Mittel- und Südamerika, Spanien und Australien nach Deutschland importiert. Einige Produkte tragen das Siegel des International Aloe Science Council. Diese Organisation legt aber nur brancheninterne Qualitätskriterien fest und zertifiziert die Produkte danach.

Von Julia Kirchner (dpa)