In nur zehn Wochen zur Traumfigur – so lautet das Versprechen des Online-Fitnessprogramms „Size Zero“. Auf Facebook, Twitter und Instagram spornen sich die Teilnehmerinnen gegenseitig an durchzuhalten. Aber ist das gesund?
Size Zero – allein der Name des Ernährungs- und Fitnessprogramms lässt aufhorchen. Die Kleidergröße Null ist bei Frauen eine sehr sehr kleine Größe und ist im Grunde eher für 12-Jährige geeignet als für Erwachsene. Die Konfektionsgröße ist bei dem Online-Kurs jedoch nicht gemeint, stellt Julian Zietlow auf der Website klar. Er ist Personal Trainer und hat Size Zero vor zwei Jahren entwickelt. Der Name solle das Programm vielmehr von anderen unterscheiden und keine falschen Hoffnungen wecken – denn Abnehmen sei tatsächlich harte Arbeit, meint Zietlow.
Und der 33-Jährige muss es wissen: Zietlow war früher selbst übergewichtig. Jahrelang – so steht es zumindest in seinem Profil auf der Website – kämpfte er gegen die Pfunde. Dann stellte er seine Ernährung um und trimmte seinen Körper zur „Traumfigur“ – heißt: wohldefinierte Bizeps und Sixpack. Danach wurde er Personal Trainer, betreute den britischen Popsänger Jay Khan und machte den Musiker in nur 70 Tagen fit fürs Dschungelcamp. Die Nachfrage nach seinem Training stieg – allen voran bei Frauen. Dann erfand Zietlow Size Zero.
#AbgerechnetWirdAmStrand lautet das Motto des Programms. Aushängeschild ist Zietlows Freundin Alina Schulte. Auch sie war früher etwas „moppelig“ und ist heute natürlich in „Topform“. Schulte ist das fleischgewordene Versprechen, dass Size Zero funktioniert.
Falsche Versprechen?
Wie sieht das 10-Wochen-Programm aus? Bei der Anmeldung werden 299 Euro fällig. Dafür können ein Ernährungs-Guide mit über 120 Rezepten (auch für Vegetarierinnen und Veganer), eine Anleitung zum Muskelaufbau und zahlreiche Fitness-Videos abgerufen werden. Dreh- und Angelpunkt des Trainings sind die sozialen Netzwerke. Auf Facebook, Instagram und Twitter motivieren sich die Mitglieder, wenn der Frust den Ehrgeiz übersteigt und posten fleißig Vorher-Nachher-Bilder. Je schlanker und sexier die Fotos, desto mehr Herzchen (Instagram), Likes (Facebook) und Retweets (Twitter) erhalten die Selfies. Am Ende – so das Versprechen von Size Zero – bekommt jeder das „Foto seines Lebens“.
Professor Ingo Froböse von der Deutschen Sporthochschule Köln hält von derlei Versprechen – überhaupt von dem ganzen Programm – wenig. „Solche Bilder bedienen zwar kurzzeitig den eigenen Narzissmus“, sagt er, „langfristig führen sie jedoch immer zur Frustration.“ Denn es gäbe immer jemanden, der besser aussieht als man selbst, irgendein Ideal, das man noch nicht erreicht hat.
Überhaupt propagiert Size Zero Ideale, die viele Menschen rein anatomisch gar nicht erreichen können. Die senkrechte Line zwischen den Bauchmuskeln etwa (unter Fitnessprofis auch A-Linie genannt), mit der Schulte für das Training wirbt, kann laut Froböse tatsächlich nur jede dritte Frau entwickeln – „egal, wie hart sie trainiert.“ Die Wirkung solcher Werbeversprechen sei verheerend: „Statt sie beim gesunden Abnehmen zu unterstützen, treiben sie junge Frauen in die Magersucht“, sagt der Sportwissenschaftler, „und all das unter dem Deckmantel des Sportes.“
Wie das in der Realität aussieht, lässt sich etwa bei der Bloggerin „My Fitness Odyssey“ nachlesen. „Darf ich vielleicht mehr als ein Stück Obst essen? Darf ich mir bei Hunger noch einen Nachschlag holen, obwohl meine 1500 kcal (mein Grundumsatz) schon überschritten sind?“, fragt sich die junge Frau in ihrem Size Zero-Tagebuch. Ein gesundes Essverhalten sieht in der Tat anders aus. Die 19-jährige Christina verkündet hingegen glücklich: „Dank dem Programm habe ich genau zehn Kilo abgenommen und fühle mich jetzt richtig wohl in meiner Haut.“ Wirklich gesund sieht die Schülerin auf ihrem Selfie allerdings nicht aus – ihr Blick ist müde, die Wangen eingefallen.
Schlanksein heißt nicht gesund sein
„Wer in so kurzer Zeit so viel abnimmt“, erklärt Froböse, „verliert nicht nur Fett, sondern auch Muskelmasse und das schlägt auf den Stoffwechsel.“ Durch die Radikaldiät steigt der Cortisol-Spiegel im Blut, ein Stresshormon, das katabole (abbauende) Stoffwechselvorgänge aktiviert und zum Muskelabbau führt. Die Folge: der Körper kann wichtige Schilddrüsenhormone nicht mehr ausreichend produzieren und geht in Winterschlaf. Die Gleichung „Schlanksein = fit + gesund“ geht nachweislich nicht auf.
Wie viele Frauen derzeit mit Size Zero trainieren, darüber macht das Unternehmen keine Angaben. Überhaupt sind Zietlow und Schulte „zu beschäftigt“, um Anfragen zu beantworten. Ein paar Tausend Mitglieder dürften es jedoch sein. Auf Facebook kommt Size Zero immerhin auf mehr als 444.000 Likes.
Zietlow und Schulte sind nicht die einzigen Fitness-Gurus, die vor allem junge Frauen mit dem Versprechen vom schnellen Schlanksein anziehen und mit der Motivation via Facebook bei der Stange halten. Online-Kurse wie die von Sophia Thiel oder der Australierin Kayla Itsines funktionieren nach einem ähnlichen Prinzip. Sie alle erheben den dünnen Körper zum Maßstab für Fitness, Schönheit und Wohlbefinden. Ein Trend, der laut Froböse vieles ist – nur nicht gesund.