„Bei der Händehygiene geht es um Aufklärung“

Kaum einer weiß es, aber am 5. Mai ruft die WHO zum Internationalen Tag der Händehygiene auf. Professorin Petra Gastmeier von der Berliner Charité ist Leiterin der 2008 initiierten „Aktion Saubere Hände“, die sich an die Mitarbeiter von Gesundheitseinrichtungen wendet. Im Interview erklärt sie, was sie und ihr Team in den letzten Jahren erreicht haben.

Redaktion: Hygiene im Krankenhaus sollte doch weiß Gott eine Selbstverständlichkeit sein. Wie kann es sein, dass Ärzte oder Pfleger das vergessen?

Petra Gastmeier: Die Gewohnheit. Oft ist es aber auch einfach Unwissenheit.

Wie meinen Sie das?

Gerade in der Ausbildung von Ärzten war Handhygiene lange Zeit kein Thema. Krankenpfleger müssen den Verbandwechsel und das damit verbundene Desinfizieren von Material und Händen während ihrer Ausbildung richtig trainieren. Medizinstudenten wurde lediglich mal nebenbei gesagt: „Du musst dir die Hände desinfizieren“.

Ist das heute immer noch so?

Nein. Mittlerweile gibt es ganze Seminare zum Thema Handhygiene und Händedesinfektion. Bis dieses Wissen in der Praxis ankommt, dauert es jedoch.

Die Hygienefachkraft schreibt mit

Wie häufig sollten Krankenhausmitarbeiter ihre Hände desinfizieren?

Das hängt von der Tätigkeit ab. Ein normaler Krankenpfleger kommt während einer Schicht auf der Intensivstation auf rund 50 Desinfektionen pro Patient. Muss er zwei Patienten betreuen, sind es sogar an die 100.

Über die „Aktion Saubere Hände“

Im Oktober 2005 startete die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die globale Kampagne “Clean Care is Safer Care” (dt. „Saubere Pflege ist sichere Pflege“). Ihr Ziel: Die Händehygiene in medizinischen Einrichtungen zu verbessern und die Infektionen, die mit mangelnder Händehygiene in Verbindung stehen, zu verhindern. Mit der „Aktion Saubere Hände“ beteiligt sich Deutschland seit Anfang 2008 an der Initiative. Koordiniert wird die bundesweite Kampagne vom Institut für Hygiene und Umweltmedizin der Berliner Charité. Im Jahr 2013 wurde die „Aktion Saubere Hände“ von der WHO ausgezeichnet – die Charité darf sich nun als „Global Hand Hygiene Expert Centre“ bezeichnen.

Haben Ärzte und Pfleger dafür denn genug Zeit?

Die müssen sie sich nehmen. Das Desinfizieren der Hände dauert nicht länger als 30 Sekunden und in der Einwirkzeit können sie parallel schon mit dem nächsten Arbeitsschritt beginnen. Bei der Händehygiene geht es letztendlich um Aufklärung – und in dieser Hinsicht ist unsere Kampagne ziemlich erfolgreich.

Woran machen Sie das fest?

Aktuell beteiligen sich über 2000 Einrichtungen an unserer Aktion. Darunter zahlreiche Krankenhäuser, Alten- und Pflegeheime, aber auch ambulante Versorger wie Hausärzte oder Dialysepraxen.

Das sagt aber noch nicht, dass sich die Hygiene vor Ort tatsächlich verbessert.

Dass wir Erfolg haben, sehen wir an der Compliance, also daran wie oft die Mitarbeiter die Händedesinfektion durchführen – und die können wir tatsächlich messen.

Wie machen Sie das?

Eine von uns geschulte Person – in der Regel die Hygienefachkraft des Krankenhauses – stellt sich für ein bis zwei Stunden in eine Ecke der Intensivstation oder eines Patientenzimmers. Dann notiert sie, wie oft die Mitarbeiter sich die Hände hätten desinfizieren müssen und wie oft sie es tatsächlich getan haben. Diese Daten sendet sie per Tablet-PC an unsere Datenbank, wir werten sie aus und geben dem Krankenhaus das entsprechende Feedback.

Petra Gastmeier © m.E.

Petra Gastmeier © m.E.

Intelligente Desinfektionsspender

Wenn ich weiß, dass Schwester Gisela neben mir steht und mich beobachtet, würde ich mir auch die Hände desinfizieren.

Das stimmt. Deshalb messen wir nicht nur die Compliance, sondern auch den Verbrauch von Desinfektionsmitteln – und der ist in den letzten acht Jahren um gut 94 Prozent gestiegen. Das ist schon beachtlich.

Wie kommt dieser Anstieg zustande?

Durch das verteilte Aufklärungsmaterial und regelmäßige Schulungen. Wir geben den teilnehmenden Krankenhäusern und Pflegeheimen aber auch direktes Feedback und stellen Vergleiche zu anderen Einrichtungen auf. Niemand will schlechter sein als das Nachbarkrankenhaus.

In den USA gibt es einen elektronischen Brustanstecker, der zählt, wie oft sich Ärzte und Pfleger während ihrer Schicht die Hände desinfizieren. Ist das auch ein Modell für Deutschland?

Ich persönlich halte von solchen Geräten nicht besonders viel. Auch an der Charité hatten wir eine Zeit lang intelligente Desinfektionsspender. Verließ ein Arzt das Patientenzimmer, ohne sich die Hände zu reinigen, piepte dieser und erinnerte ihn daran es zu tun.

Auch die Besucher sind gefragt!

Um unnötige Krankenhausinfektionen zu vermeiden, sollten sich auch die Besucher beim Betreten und Verlassen der Einrichtung bzw. des Patientenzimmers die Hände desinfizieren.

Was war daran schlecht?

Viele Ärzte, die den Raum verließen, hatten sich ihre Hände bereits im Zimmer desinfiziert. Doch das ist nicht der Punkt. Wichtig ist, dass die Mitarbeiter selbst erkennen, wann genau das Desinfizieren notwendig ist. Und dieses Wissen zu vermitteln, damit sind wir auf einem guten Weg.

 

Information: Pro Jahr kommt es in Deutschland zu etwa einer halben Million Krankenhausinfektionen – davon enden bis zu 15.000 tödlich*. Rund 20 Prozent dieser Infektionen wären durch konsequente Hygiene vermeidbar.

(*Hochrechnung des Nationalen Referenz­zentrums (NRZ) für Surveillance von nosokomialen Infektionen)