Probleme mit dem Gedächtnis lösen bei vielen Betroffenen Beschämung aus und wecken auch die Angst vor Demenz. Dabei ist die nicht immer begründet. Kommen neben der Vergesslichkeit weitere Probleme dazu, sollten aber die Alarmglocken schrillen.
Sie suchen ständig ihren Schlüssel oder ihren Geldbeutel, erinnern sich nicht mehr an Dinge, die sie am Vortag gehört haben, versäumen Termine und haben Probleme, sich im Alltag zurechtzufinden. Dahinter kann eine Demenz stecken. In Deutschland leben etwa 1,5 Millionen Betroffene. Je älter man wird, desto höher ist laut der Deutschen Alzheimer Gesellschaft die Wahrscheinlichkeit zu erkranken. Häufigste Ursache für eine Demenz ist die Alzheimer-Krankheit, auf die sich etwa zwei Drittel aller Demenzfälle zurückführen lassen.
Demenz nicht mit Depression verwechseln
Zu Beginn ist eine Demenz nicht leicht zu erkennen. Gedächtnisstörungen können auch durch behandelbare psychische oder körperliche Erkrankungen hervorgerufen sein. Zum Beispiel durch eine Depression. „Depressive Episoden führen vorübergehend auch zu Gedächtnisproblemen sowie zu Handlungs- und Orientierungsproblemen“, sagt Professor Wolfgang Maier, Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsklinik Bonn. Eine Demenz von einer Depression abzugrenzen, ist oft nicht einfach: „Gedächtnisprobleme werden oft als persönliches Versagen erlebt und führen zu Selbstwertzweifeln, da Selbstwertprobleme auch ein Kennzeichen von Depression sind, sind beide Erkrankungen oft nur schwer voneinander abzugrenzen.“
Auch Professor Alexander Kurz, Leiter des Zentrums für Kognitive Störungen am Klinikum rechts der Isar in München, warnt vor vorschnellen Diagnosen bei Gedächtnisproblemen. Alarmiert müsse man erst sein, wenn die Symptome zunehmen, wenn zusätzlich zur Vergesslichkeit weitere Probleme auftreten – wie Sprachschwierigkeiten oder Unsicherheit der zeitlichen Orientierung – und wenn Alltagstätigkeiten – wie Einkaufen, Kochen oder Banküberweisungen – nicht mehr so gut funktionieren wie vorher.
Erste Defizite werden oft versteckt
Psychologische Tests, die bei Hausärzten, Fachärzten und in Gedächtnissprechstunden an Kliniken, durchgeführt werden können, geben ersten Aufschluss darüber, ob eine Demenz vorliegt. Mit Hilfe von MRT- beziehungsweise CT-Aufnahmen des Gehirns oder durch eine Untersuchung des Nervenwassers kann eine Alzheimer-Erkrankung diagnostiziert werden.
Doch gerade im Anfangsstadium der Krankheit weigern sich viele Betroffene zum Arzt zu gehen. „Wenn Angehörige den oder die Betroffenen auf seine oder ihre Gedächtnisdefizite ansprechen, löst dies verständlicherweise meist Beschämung aus“, warnt Maier. Das Hauptproblem sei, dass die Familien zu Beginn der Erkrankung häufig kritisch und vorwurfsvoll reagierten. „In der Folge sinkt die Bereitschaft, zum Arzt zu gehen, Betroffene versuchen dann eher, Strategien zu finden, um ihre Defizite zu verbergen.“
Diplom-Sozialpädagogin Saskia Weiß, die beim Beratungstelefon der Deutschen Alzheimer Gesellschaft in Berlin tätig ist, rät Angehörigen, darauf zu achten, wann Betroffene selbst Probleme ansprechen. „Gerade am Anfang machen Betroffene gelegentlich Bemerkungen wie ‚heute bin ich wieder so fahrig’ oder ‚irgendetwas stimmt nicht mit meinem Kopf’. Das kann man als Aufhänger nehmen, um seine eigene Sorge zu benennen und einen Arztbesuch vorzuschlagen“, sagt Weiß. Sie empfiehlt, die Reizworte „Demenz“, „Alzheimer“ und „Gedächtnisstörungen“ dabei erst einmal zu vermeiden.
Medikamente können den Verlauf verlangsamen
Betroffene Familien finden Rat und psychosoziale Unterstützung bei regionalen Alzheimergesellschaften oder Demenzfachberatungsstellen von Wohlfahrtsverbänden und freien Trägern. Dort werden deutschlandweit Gesprächsgruppen vor Ort angeboten – für Angehörige und seit einigen Jahren auch für Betroffene im frühen Stadium, die sich über ihre Situation austauschen und gemeinsam etwas unternehmen wollen. Bei den Beratungsstellen erhält man außerdem leicht verständliche Informationsbroschüren und weiterführende Adressen.
Alzheimer ist nicht heilbar. Seit einigen Jahren gibt es aber zumindest Medikamente, die das Fortschreiten der Krankheit im Anfangsstadium um etwa ein Jahr verzögern können. Trotz der begrenzten Therapiemöglichkeiten raten Experten zu einer möglichst frühen Diagnose. „Das eine Jahr, in dem die Krankheit gebremst wird, würde ich mir nicht nehmen lassen“, sagt Kurz. Außerdem könnten Betroffene bei einer frühen Diagnose rechtzeitig mit ihrer Familie die Zukunft planen und verfügen, wie sie versorgt werden wollen, wenn sie nicht mehr urteilsfähig sind.
Von Caroline Mayer (dpa)