Falsche Narkosemittel, vergessene OP-Materialien – oft liegt in der Organisation in Krankenhäusern eine Quelle für Behandlungsfehler. Doch es hat sich offenbar einiges verbessert.
Nicht immer sind es tödliche Klinik-Infektionen oder verheerende Schlamperei wie vergessene Tupfer im Bauchraum. Unter den Zehntausenden Behandlungsfehlern finden sich viele kleinere – ein Überblick:
Wieviele Behandlungsfehler gibt es?
Die Schätzungen gehen weit auseinander. Laut Bundesregierung reichen sie von 40 000 bis 170 000 Fehlern in allen Bereichen des Gesundheitssystems jährlich. Am stärksten sind Probleme in den Kliniken im Fokus. Wer wissen will, was konkret passiert, wird im Internet fündig: In einem Berichtssystem für unerwünschte Ereignisse im Gesundheitswesen (CIRS) kann man nachlesen, welche Probleme Ärzte und Pfleger anonym melden.
Was sind typische Fehlerursachen?
Unaufmerksamkeit, zuviel Stress auf der Station, zu wenig Personal – in der Organisation liegen oft die Hauptquellen von Problemen. So auch bei einem Beispiel, das in dem anonymen Meldesystem von einem Arzt angeführt wurde. Ein Mann sollte geröntgt werden, fiel aber einfach vom Tisch – und brach sich einen Arm.
Probleme im Operationssaal. Was kann passieren?
Zwei Beispiele: Bei einem Patienten mit einem komplizierten Knochenbruch sollte das Metall wieder entfernt werden. Das OP-Team verließ sich auf die zur Verfügung stehenden Standardwerkzeuge. Stattdessen war ein Spezialwerkzeug nötig – das zwar auch da war, aber nicht steril. Es musste sterilisiert werden, während der Patient mit geöffnetem Körper in der Narkose lag – eine Stunde länger als geplant. In einem anderen Fall sollte ein junger Mann in Narkose versetzt werden – doch die Medikamente reichten nicht. Zweimal wurden weitere Mittel verabreicht, doch die Narkose war immer noch nicht tief genug. Erst dann wurde den Ärzten klar, dass sie anfangs ein verdünntes Mittel verabreicht hatten. Die Ampulle war falsch beschriftet.
Sind auch schwerere Fälle bekannt?
Ja. Von der Krankenkasse beauftragte Gutachter kamen im vergangenen Jahr in 155 Fällen zum Ergebnis, dass Patienten an den Folgen eines Fehlers starben. Nach Schätzungen sollen jedes Jahr Tausende wegen Fehlern und Problemen bei Behandlungen sterben. Laut Aktionsbündnis Patientensicherheit wird jedes Jahr bis zu 3000 Mal Operationsmaterial im Körper vergessen.
Was tun Kliniken gegen die Risiken?
Immer mehr Kliniken installieren die anonymen Fehlermeldesysteme – Ziel: Aus Fehlern lernen. Eine am Donnerstag präsentierte Umfrage legt nahe, dass weit mehr als jede zweite Klink so etwas macht. „Auch OP-Checklisten und die Kennzeichnung von Operationsgebieten sind überall da eingeführt, wo sie die Sicherheit erhöhen“, sagt Georg Baum von der Deutschen Krankenhausgesellschaft.
Was hat sich in den vergangenen Jahren noch getan?
Neun von zehn Häusern sollen laut der Studie, bei der Kliniken befragt wurden, Patienten systematisch auf gegen Antibiotika resistente Erreger checken. Gegen Verwechslungen von Patienten, von Proben und Befunden helfen zudem verstärkt Standard-Checks, wie die Expertin Tanja Manser bei der Vorstellung der Studie sagt.
Wo gibt es Verbesserungsmöglichkeiten?
An vielen Stellen. „Wir sind in Deutschland leider noch immer sehr geneigt, Schuldige zu suchen und nicht Ursachen“, sagt Hedwig François-Kettner, Chefin des Aktionsbündnisses Patientensicherheit, in dem Ärzte, Kliniken, Kassen und Patientenorganisationen vertreten sind. Offenheit werde so nicht gefördert. Expertin Manser sagt, bei neuen Methoden wie Chirurgie-Robotern werde oft zu wenig im Vorfeld zur Vorbeugung möglicher Probleme getan. „Es ist erstaunlich, dass sich über 40 Prozent der Häuser noch keine Gedanken darüber gemacht haben.“
Welche Probleme gibt es in der Pflege?
Hier sind die Engpässe besonders groß. Der Chef der Techniker Krankenkasse, Jens Baas, sagt: „Wir haben definitiv in vielen Krankenhäusern ein Pflegepersonalmangel.“ Als die Gewerkschaft Verdi in einer nächtlichen Aktion im März unangemeldet Kontrollbesuche in Hunderten Kliniken machte, zeigte sich: In 56 Prozent aller Stationen musste eine Fachkraft im Schnitt 25 Patienten betreuen. Für Verdi eine klarer Risikofaktor.
Von Basil Wegener (dpa)