Den Stickoxiden wegradeln

Den Stickoxiden wegradeln

Foto: Tobias Hase/dpa Themendienst

Fahrradfahrer sind oft einer besonders hohen Stickoxid-Belastung ausgesetzt. Manche tragen deshalb spezielle Atemschutzmasken. Aber auch Autofahrer bleiben vom Feinstaub nicht verschont.

Wer mit dem Fahrrad an einer stark befahrenen Kreuzung direkt neben dem Auspuff eines LKWs auf die nächste Grünphase wartet, fragt sich schon gelegentlich, was er oder sie seiner Lunge da eigentlich gerade zumutet. Schon deshalb sieht man immer häufiger Radfahrer mit Schals über Mund und Nase, trotz milder Temperaturen. Doch sind Feinstaub und Co. wirklich so gefährlich? Und wenn sie gefährlich sind: Wie können Radfahrer und Fußgänger sich schützen?

Die erste Frage lässt sich eindeutig mit Ja beantworten, weiß Thomas Lob-Corzilius, Pneumologe, Kinderarzt und Umweltmediziner in Osnabrück und Mitglied der Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie und Umweltmedizin (GPA). „Feinstaub und Stickoxide schwächen die Immunfunktion der Lunge, bedingen Entzündungen der Schleimhäute und können zu Atemwegserkrankungen führen, bis hin zu Asthma“, erklärt Lob-Corzilius – und dagegen könnten weder Schals noch einfache Staubmasken helfen.

Was sind Feinstaub und Stickoxide?

Laut Umweltbundesamt ist Feinstaub ein komplexes Gemisch fester und flüssiger Partikel und wird abhängig von deren Größe in unterschiedliche Fraktionen eingeteilt. Man unterscheidet zwischen PM10 (PM, particulate matter) mit einem maximalen Durchmesser von 10 Mikrometer (µm), PM2,5 und ultrafeinen Partikeln mit einem Durchmesser von weniger als 0,1 µm. Stickstoffoxid (NOx) ist laut UBA eine Sammelbezeichnung für verschiedene gasförmige Verbindungen, die aus den Atomen Stickstoff (N) und Sauerstoff (O) bestehen.

Auf Höhe von Kindernasen ist die Stickstoffkonzentration am höchsten

Laut Schätzungen des Umweltbundesamtes (UBA) sterben wegen der hohen Feinstaubbelastung jährlich etwa 45.000 Menschen in Deutschland vorzeitig. Viele von ihnen hätten vorher bereits gesundheitliche Probleme gehabt. Aber es sei nicht auszuschließen, dass auch diese wiederum durch die lebenslange Schadstoffbelastung mitbedingt worden seien. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat deswegen viele deutsche Großstädte auf Fahrverbote zum Schutz der Bevölkerung verklagt.

Besonders verheerend, so der Kinderpneumologe: „Bei Kindern unter zehn Jahren kann das Lungenwachstum beeinträchtigt werden.“ Und obwohl die Kleinsten aufgrund ihrer erhöhten Atemfrequenz am stärksten betroffen seien, werde die Abgasbelastung auf zwei Metern Höhe gemessen, kritisiert Lob-Corzilius: „Dabei ist die Konzentration auf Höhe von Kindernasen deutlich höher.“

Eine drastischere Maßnahme, wie man sie zuweilen bei Fahrradfahrern sieht, sind Atemschutzmasken mit Aktivkohlefilter und Hepa-Filter. Ein Hersteller solcher Masken ist die britische Firma Respro, deren Tests nach eigenen Angaben gezeigt hätten, dass durch die Filter Feinstaub und Stickoxide sowie andere gesundheitsschädliche Stoffe aus der Luft herausgefiltert würden.

Das UBA erklärt, dass Hepa-Filter grundsätzlich Feinstaubpartikel und Aktivkohle Gase wie NOx aus der Luft herausfiltern können. Ob und wie effizient das durch Atemschutzmasken gelingen kann, hänge aber von vielen unterschiedlichen Faktoren ab. Für Kinder seien solche Atemmasken keine Option, so Kinderarzt Lob-Corzilius: „Ich kenne die Wirkung solcher Masken auf zarte Nasen. Das können Sie vergessen.“

Umwege suchen und verkehrsreiche Straßen besser meiden

Und wer sich im Auto geschützt wägt, der irrt. Parallelmessungen im Auto und auf dem Fahrrad hätten gezeigt, so Roland Huhn, Verkehrsexperte des ADFC Bundesverband, dass Autofahrer teils sogar stärker von Abgasen betroffen seien.  „Die Spitzenbelastungen durch die Abgase einzelner besonders schmutziger Kraftfahrzeuge sind für Radfahrer höher, klingen aber auch schneller wieder ab“, so Huhn: „Beim Auto wird die Frischluft für den Innenraum unterhalb der Windschutzscheibe angesaugt, dort ist die Schadstoffkonzentration höher als in Kopfhöhe von Radfahrern.“

Für nicht-motorisierte Verkehrsteilnehmer gibt es eine Empfehlung, der sich alle Experten anschließen: Umwege suchen und verkehrsreiche Straßen und Kreuzungen meiden. Wenn möglich. Denn Messungen, beispielsweise des Instituts für transformative Nachhaltigkeitsforschung (IASS) in Potsdam zeigen, dass die Belastungen in Nebenstraßen oder Parks deutlich geringer sind.

Ein Grund das Radfahren aufzugeben ist das aber nicht. Denn insgesamt, hebt das Umweltbundesamt hervor, übertreffen die positiven Gesundheitseffekte bei Radfahrern durch die zusätzliche Bewegung die negativen Effekte erheblich. Und: Je mehr Menschen aufs Fahrrad umsteigen, umso geringer die Schadstoffbelastung.

 

Den Stickoxiden wegradeln

Foto: privat

 

Die Autorin

Juliane Dickel ist freie Journalistin in Berlin mit Schwerpunkt auf Tages- und Umweltpolitik und selbst passionierte Fahrradfahrerin.