Die weißen Finger: Das Raynaud-Phänomen trifft vor allem Frauen

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Schlagartig sind die Hände eiskalt, blutleer und taub: Menschen, die am Raynaud-Phänomen leiden, macht die kalte Jahreszeit zu schaffen. Denn bei niedrigen Temperaturen stoppt plötzlich die Blutzufuhr in die Finger. Eine Krankheit ist das nicht – aber unangenehm.

Weiße Finger sind das typische Symptom des Raynaud-Phänomens. „Leichenfingerkrankheit“ wird es deshalb auch genannt, obwohl es gar keine Krankheit ist, sondern eher eine Laune der Natur, unter der vor allem Frauen leiden. „Sie machen 90 Prozent der Betroffenen aus“, sagt Clemens Fahrig, Ärztlicher Direktor des Evangelischen Krankenhauses Hubertus in Berlin und Leiter des Gefäßzentrums Berlin-Brandenburg.

Manchmal stockt das Blut mehrere Stunden lang

Meist ist ein Kältereiz der Auslöser: der eisige Wind an einem Wintertag, kaltes Wasser aus dem Wasserhahn oder die Minustemperaturen in der Tiefkühltruhe. „Dieser Reiz führt dazu, dass sich die Gefäße in den Fingern, seltener auch in den Zehen, zusammenziehen und die Blutzirkulation zum Stillstand kommt“, sagt Fahrig.

Der französische Arzt Maurice Raynaud beschrieb das Phänomen im 19. Jahrhundert zum ersten Mal, ihm zu Ehren trägt es seinen Namen. Manchmal dauert der Gefäßkrampf nur wenige Minuten, manchmal löst er sich erst nach mehreren Stunden. Dem Gewebe schade selbst so eine lange Unterversorgung nicht, sagt der Gefäßspezialist. Die Begleiterscheinungen jedoch können sehr unangenehm sein: Zunächst sind die Finger kalt und taub, kehrt das Blut dann in die feinen Äderchen zurück, kann es kribbeln und schmerzen.

Oft treten die Attacken in der Pubertät zum ersten Mal auf, neben Kälte können auch Aufregung, Stress und manche Medikamente wie beispielsweise Betablocker die Auslöser sein. Über die Ursachen weiß die Forschung bislang wenig. Ein niedriger Blutdruck scheine eine Rolle zu spielen, sagt Fahrig. Oft seien mehrere Mitglieder einer Familie betroffen. Eine Krankheit sind die weißen Finger nicht, die Lebensplanung können sie trotzdem beeinflussen: „Berufe, in denen mal viel draußen arbeitet oder mit kaltem Wasser zu tun hat, sind problematisch.“

High-Tech-Handschuhe können helfen

Wirksamstes Gegenmittel ist Wärme. Das klingt simpel, doch wichtig ist, dass sie die Finger rechtzeitig und in der richtigen Form erreicht. „Die Hände dürfen gar nicht erst kalt werden“, sagt Fahrig. Handschuhe sollten deshalb schon in der Wohnung angezogen werden. „Außerdem bringen selbst die dicksten Lammfellfäustlinge nichts, wenn sie Nähte haben, die Kälte hereinlassen“, erläutert der Gefäßmediziner. Bewährt habe sich das Zwiebelprinzip: Über dünne Seidenhandschuhe, die am besten auf der Heizung aufgewärmt werden, kommen winddichte Modelle mit Klimamembran.

Eine High-Tech-Alternative sind beheizbare Handschuhe. Die Gesundheitsjournalistin Karin Hertzer aus München hat für ihren Blog „Warmup-Cooldown“ mehrere Modelle von Raynaud-Betroffenen testen lassen. Die von einem Akku gespeisten Heizdrähte sorgten tatsächlich für warme Hände, berichtet sie, allerdings sei nicht jedes Modell für jeden Einsatzbereich geeignet: „Wenn die Handschuhe sehr dick sind, schränkt das die Beweglichkeit der Finger ein“, sagt Hertzer. Wichtig ist auch die richtige Passform: „Das warme Material sollte eng an der Haut anliegen, um die Hitze ohne Verluste zu übertragen.“

Hat der Gefäßkrampf schon eingesetzt und sind die Finger kalt und blutleer, ist die Versuchung groß, sie unter warmes Wasser zu halten. Doch mit dem Blut ist auch die Hitzeempfindlichkeit aus den Fingern gewichen: „Es drohen deshalb Verbrühungen durch zu heißes Wasser“, warnt Gefäßspezialist Fahrig. Sicherer sind kleine Wärmekissen. Sie sind mit einem Gel gefüllt, das sich erwärmt, sobald ein kleines Metallplättchen gedrückt wird.

Im Alter ist Vorsicht geboten

Das Raynaud-Phänomen plagt vor allem junge Frauen. „Wenn mit zunehmendem Lebensalter der Blutdruck steigt, kann es besser werden oder sogar ganz verschwinden“, sagt Gefäßmediziner Fahrig. Verstärkt es sich dagegen oder tritt es erst jenseits des 40. Geburtstags auf, ist das ein Alarmsignal: „Möglicherweise handelt es sich dann um das Symptom einer Sklerodermie“, sagt Keihan Ahmadi-Simab, Ärztlicher Direktor des Klinikums Stephansplatz in Hamburg. Diese entzündliche Autoimmunerkrankung führt zu Verhärtungen der Haut und kann auch innere Organe angreifen.

Klarheit bringen eine Blutuntersuchung sowie eine Untersuchung der feinen Fingerblutgefäße unter dem Mikroskop. Sind bestimmte Marker für Sklerodermie im Blut vorhanden und zeigen die Kapillaren typische Veränderungen, dann ist eine Behandlung mit Medikamenten erforderlich. „Wird eine Sklerodermie in einem so frühen Stadium erkannt, können wir aber dem weiteren Krankheitsverlauf und möglichen Komplikationen viel besser entgegenwirken“, sagt der Internist und Rheumatologe Ahmadi-Simab.

Auch Gefäßmediziner Clemens Fahrig rät, Raynaud-Symptome ärztlich abklären zu lassen, wenn sie zum ersten Mal auftreten oder wenn sie sich verschlechtern. Aber er beruhigt auch: „Weniger als fünf Prozent der Betroffenen entwickeln tatsächlich eine Sklerodermie.“

Von Eva Dignös (dpa) – Aktualisiert IGP-Magazin am 12.01.2021

 

Praxistipps vom IGP-Magazin

Die Ursache für chronisch kalte Hände ist nicht immer das Raynaud-Phänomen. Eine allgemein schwache Durchblutung der Hände und Finger ist weit verbreitet und häufig kein Grund zur Sorge. Für mehr Wohlbefinden und auch zur Prävention ist die Förderung der Durchblutung durch Wärme immer sinnvoll. Um mehr zu tun, als normale Handschuhe aus Leder oder verschiedenen Stoffen zu tragen, können beheizbare Handschuhe eine sinnvolle Option sein.

1. Für welche Aktivitäten wurden beheizte Handschuhe entwickelt?

Ursprünglich sind beheizte Handschuhe in speziellen Bereichen entwickelt wurden, wo Menschen sich längere Zeit im Kalten aufhalten oder die Hände besonders stark dem Wetter ausgesetzt sind und dabei jedoch in ständiger Verwendung. Das ist zum Beispiel beim Motorradfahren und Skifahren so. Allerdings sind spezielle, beheizte Motorradhandschuhe oder Skihandschuhe sind für diese Aktivität ausgelegt. Mitunter können sie für den Alltagseinsatz zu starr sein. Achten Sie daher auf die Herstellerempfehlung.

2. Beheizbarer Innenhandschuh oder kompletter Heizhandschuh?

Vorteil des Innenhandschuhs ist, dass er leicht ist. Jedoch ist das Tragen ohne darüber gezogenen Außenhandschuh nur dann zu empfehlen, wenn keine echte Beanspruchung vorliegt. Von chronisch kalten Händen Betroffene können zu Hause auf dem Sofa einen Innenhandschuh solo nutzen. Sobald ein Außenhandschuh über den Innenhandschuh gezogen wird, verstärkt sich die Heizwirkung an den Händen.

Wenn Sie die beheizten wegen dem Raynaud-Syndrom kaufen, sollten die Heizdrähte und somit die Heizwirkung bis in die Fingerspitzen reichen.

3. Heizdauer: Wie lange halten die Akkus von beheizbaren Handschuhen?

Leider geben die meisten Hersteller nur recht vage Laufzeiten der Akkus an. Die Laufzeit hängt neben der Kapazität und Qualität der Akkus von Faktoren wie der Umgebungstemperatur beim Einsatz oder natürlich auch dem Alter der Akkus ab. Hinweise können Nutzerbewertungen geben, allerdings sollten Sie sich eher an kritischere Stimmen halten. Unabhängig davon ist jedoch immer davon auszugehen, dass Sie für einen längeren Einsatz einen Zusatzakku dabei haben sollten.

4. Was kostet ein hochwertiger beheizbarer Handschuh?

Das Angebot wächst und es kommen auch günstige Modelle besonders in den Onlienverkauf. Allerdings zeigt sich, dass gute Modelle nach wie vor über 100 Euro kosten. Bei günstigeren Modellen wird zu meist an der Akkuleistung gespart. Ebenso gibt es hier die größten Schwächen bei der Verarbeitung und Materialqualität.

5. Zahlt die Krankenkasse beheizte Handschuhe?

Beheizbare Handschuhe sind keine Medizinprodukte. Sie werden als Gebrauchsgegenstände des alltäglichen Bedarfs eingeordnet. Somit sind beheizte Handschuhe nicht als medizinisches Hilfsmittel anerkannt und stehen nicht im Hilfsmittelverzeichnis. In der Folge gehört die Versorgung von solchen Handschuhen nicht zur Regelversorgung durch die Krankenkassen.

Sollte Ihre berufliche Arbeit durch den Einsatz von beheizbaren Handschuhen wesentlich verbessert werden oder sogar überhaupt möglich sein, könnte sich die Nachfrage zur Kostenerstattung bei der Berufsgenossenschaft lohnen. In Einzelfällen kann eine Übernahme entschieden werden.

6. Gibt es beheizte Handschuhe im Sanitätshaus?

Häufig ist das nicht der Fall. Es gibt jedoch etliche Sanitätshäuser, die beheizbare Handschuhe durch Bestellung beim Großhandel besorgen. Ein Anruf zur Nachfrage in einem lokalen Fachgeschäft kann also nicht schaden.

7. Wo kann ich mich über beheizte Handschuhe weiter informieren und was muss ich beachten?

Wir empfehlen den Test von Karin Hertzer aus München auf ihrem Blog „Warmup-Cooldown“ zu lesen.

Weiterhin lohnt es sich, Erfahrungsberichte unter Produktangeboten zu lesen. Dabei sollten Sie jedoch aufmerksam und kritisch vorgehen. Auch wenn Käufer beispielsweise bei Amazon Bewertungen nur abgeben können, wenn sie einen Kauf getätigt haben, kommt es zu organisierten Fälschungen von Käufermeinungen. Das Lesen der 2-, 3- oder 4-Sterne-Bewertungen gibt mehr authentische Hinweise zu den möglichen Schwächen und Vorzügen einzelner Produkte, als die tendenziell zu überschwänglichen 5-Sterne-Bewertungen.