Bei Menschen mit Vorhofflimmern schlägt das Herz unregelmäßig und schnell. Schwindel, plötzliche Atemnot und Herzrasen können die Folgen sein. Mancher hat auch gar keine Symptome. Trotzdem können Betroffene die Erkrankung rechtzeitig erkennen.
Als Gerti Koch an einem Sommertag das Beet in ihrem Garten hackt, fängt es plötzlich wieder an. Ein lautes Pochen breitet sich von ihrem Herzen bis zu den Halsschlagadern aus, ihr Puls fängt an zu rasen, der Blutdruck steigt. Sofort lässt die 71-Jährige aus Paderborn alles stehen und liegen. Sie legt sich hin und greift zu Ohrstöpseln. „Dadurch muss ich das laute Pochen nicht so heftig mitbekommen“, erzählt sie. „Ich will nur noch Ruhe haben.“ Die hat sie seit vier Jahren nicht mehr. Seitdem hat Gerti Koch unangenehmes Herzbeben. Es nennt sich Vorhofflimmern.
„Normalerweise sorgt der Sinusknoten für eine regelmäßige Aktivierung der Herzvorhöfe“, erklärt Professor Andreas Götte, Vorstandsmitglied im Kompetenznetz Vorhofflimmern in Münster. Der Sinusknoten ist der Taktgeber beim Herzen. Bei Menschen mit Vorhofflimmern gerät er durch Veränderungen an den Herzmuskelzellen aus dem Takt. Dadurch bilden sich unkoordinierte elektrische Signale außerhalb des Sinusknotens. In der Folge ziehen sich die Vorhöfe nicht mehr richtig zusammen, sondern zittern lediglich.
Unbehandelt nehmen Häufigkeit und Dauer des Vorhofflimmerns zu
Das Zittern der Vorhöfe führt zu einem unregelmäßigen und beschleunigten Herzschlag. Er könne dann bis das Doppelte der normalen Herzfrequenz betragen, wie Götte sagt. Die liegt eigentlich bei 60 bis 80 Schläge pro Minute. Häufig klagen Betroffene über Herzrasen, Herzklopfen, Schwindel und eine schleichende Leistungsminderung wie plötzliche Luftnot. Auch ein erhöhtes Schlaganfall-Risiko ist eine Folge von Vorhofflimmern.
Es trifft in der Regel Ältere. „Die 65- bis 75-Jährigen sind die häufigste Patientengruppe, während die jüngsten Patienten rund 40 Jahre alt sind“, sagt Professor Daniel Steven von der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie in Düsseldorf. „Vorhofflimmern kann auch durch verschiedene Grunderkrankungen verursacht werden, etwa durch Bluthochdruck, Schilddrüsenfunktionsstörungen oder eine koronare Herzkrankheit“, erklärt der Experte. Übergewicht sei ein weiterer Risikofaktor.
Im Frühstadium fängt das Vorhofflimmern in der Regel spontan an und endet auch spontan wieder. „Die Schübe treten meist nur selten auf und können wenige Minuten, mehrere Stunden oder Tage andauern“, sagt Ralph Bosch vom Bundesverband niedergelassener Kardiologen in München. Unbehandelt nehmen Häufigkeit und Dauer des Vorhofflimmerns zu.
Behandelt wird meist mit Medikamenten
Um Vorhofflimmern zu behandeln, muss es erstmal diagnostiziert werden. Doch einige Betroffene spüren keine Symptome. „Um bei Symptomfreiheit einen Hinweis zu bekommen, ob man Vorhofflimmern hat, sollten Risikokandidaten über 60 Jahre regelmäßig den Puls fühlen“, rät Bosch. „Wenn man Extraschläge im Herzrhythmus bemerkt und er sich unregelmäßig und schnell anfühlt, sollte man eine EKG-Untersuchung beim Arzt in Betracht ziehen.“
Da Vorhofflimmern nicht unbedingt während der EKG-Untersuchung auftritt, können auch kleine Ereignisrekorder sinnvoll sein. Sie werden durch einen kleinen Schnitt unter die Haut gelegt und zeichnen ein EKG durchgehend auf. Bei der Diagnose Vorhofflimmern wird zunächst das Schlaganfall-Risiko behandelt. „Ob wir langfristig Blutverdünnungsmittel wie Marcumar geben, hängt vom individuellen Schlaganfallrisiko des Patienten ab“, sagt Steven.
In der Regel nehmen Patienten Medikamente ein, sogenannte Antiarrhythmika. Dadurch soll das Vorhofflimmern innerhalb eines Jahres um 60 bis 80 Prozent reduziert werden. Allerdings kann das Medikament auch zu anderen gefährlichen Herzrhythmusstörungen wie Kammerflimmern oder Veränderungen der Schilddrüse, der Haut oder Nerven führen. „Deshalb erfolgt die Ersteinnahme von Antiarrhythmika typischerweise unter EKG-Kontrolle“, sagt Götte.
Mit dem Katheter ins Herz
Wenn die Medikamente nicht zum Erfolg führen, kommt die Katheterablation zum Einsatz. „Dabei sollen die sogenannten Lungenvenen elektrisch isoliert werden, die häufig der Ursprung elektrischer Störimpulse sind“, erklärt Bosch. Hierfür werden Elektrokatheter über die Leiste in den rechten und dann linken Vorhof geschoben. Bei bis zu 80 Prozent der Patienten tritt das Vorhofflimmern dadurch nicht mehr auf.
In seltenen Fällen kann es bei der Katheterablation zu Schlaganfällen sowie Blutungen an der Leiste und dem Herzen kommen. Moderne Techniken reduzieren diese Risiken. „Über den Computer kann man hochauflösende dreidimensionale Karten des Vorhofs erstellen und den Katheter somit gezielt führen“, erläutert Bosch.
Ein weiteres Verfahren ist die elektrische Kardioversion. Dabei wird unter Kurznarkose ein Elektroschock über den Brustkorb auf das Herz abgegeben. „Man setzt quasi alle elektrischen Ströme im Herzen auf null, sodass die unregelmäßige elektrische Aktivierung sofort beendet wird und der reguläre Herzrhythmus wieder einsetzt“, erläutert Steven. „Das Verfahren wirkt aber nicht vorbeugend wie die Katheterablation und behandelt nicht die Ursachen.“ Es eigne sich aber für Erstpatienten, bei denen der weitere Verlauf des Vorhofflimmerns noch unklar sei.
Wissen, wann die Schübe auftreten
Gerti Koch nimmt inzwischen Antiarrhytmika und hat gelernt, mit ihrem Vorhofflimmern umzugehen. Sie kennt die Situationen, in denen die Schübe auftreten. „Meistens abends gegen 10.00 Uhr oder nachts gegen 3.00 Uhr auf. Oder aber wenn ich schnell viel esse, lange vor dem Computer sitze oder mich überanstrenge“, schildert sie. „Dieses typische Muster gibt mir Sicherheit.“ Bisher ist ihr Herz nach ein bis zwei Tagen immer von alleine wieder in den Synusrhythmus zurückgesprungen. Dann wird ihr schwindelig und schwarz vor den Augen. „Aber schon nach 30 Minuten bin ich wieder voll energiegeladen und kann durchstarten.“
Von Martin Faber (dpa)