Hämophilie: Wenn das Blut kaum zu stoppen ist

Hämophilie: Wenn das Blut kaum zu stoppen ist

© picture alliance/dpa Themendienst

Unerkannt kann eine gestörte Blutgerinnung lebensbedrohlich sein. Heilbar ist Hämophilie nicht – aber mit Vorsicht und der richtigen Therapie gut in den Griff zu bekommen.

Nur ein kleiner Stoß, eigentlich nichts Ungewöhnliches – zum Beispiel im Vorbeigehen mit dem Arm gegen den Türrahmen prallen. Die meisten vergessen so etwas gleich wieder. Manche bekommen aber kurze Zeit später an der Stelle als Erinnerung einen großen blauen Fleck. Wenn das nach eigentlich harmlosen Zusammenstößen häufiger der Fall ist, kann das ein Anzeichen für eine Blutgerinnungsstörung – die Hämophilie – sein. Die sogenannte Bluterkrankheit ist keineswegs harmlos.

Ist das System der Blutgerinnung aus der Balance geraten, kann das einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall zur Folge haben. Bei größeren Wunden oder Operationen besteht das Risiko zu verbluten. Wer den Verdacht hat, dass bei der Blutgerinnung etwas nicht in Ordnung ist, sollte unbedingt zum Arzt gehen und sich testen lassen.

Abläufe der Blutgerinnung sind gestört

„Erste Anzeichen für eine gestörte Blutgerinnung können neben gehäuften Blutergüssen nach kleineren Blessuren etwa auch häufiges und sehr starkes Nasenbluten sein“, erklärt der Allgemeinmediziner Diethard Sturm aus Chemnitz. Er ist Patientenbeauftragter des Vorstands des Deutschen Hausärzteverbandes. Betroffene Frauen haben nicht selten eine starke und lange Periode. Wenn kleine Wunden nicht aufhören zu bluten, kann das ebenfalls auf Hämophilie hindeuten.

Bei Betroffenen sind die Abläufe der Blutgerinnung gestört. Normalerweise bildet sich Schorf nach einer Verletzung, die geblutet hat. Dafür sorgen Gerinnungsfaktoren. Das sind Eiweiße, die in der Leber produziert werden und dann in den Blutkreislauf fließen. Der Schorf stoppt die Blutung, später heilt die Wunde.

Um festzustellen, ob jemand tatsächlich eine Blutgerinnungsstörung hat, erkundigt sich der Facharzt nach Vorerkrankungen und eingenommenen Medikamenten. Für eine sichere Diagnose wird dem Betroffenen unter anderem Blut abgenommen und im Labor untersucht. Der Arzt wird auch wissen wollen, ob in der Familie schon einmal Hämophilie festgestellt wurde.

Betroffen sind vor allem Männer

Eine Blutgerinnungsstörung ist häufig vererbt. „Betroffen sind vor allem Männer“, sagt Wolfgang Mondorf. Er ist Facharzt für Innere Medizin mit der Zusatzbezeichnung Hämostaseologie in Frankfurt und Vorsitzender des Ärztlichen Beirats der Deutschen Hämophiliegesellschaft (DHG). Bei Frauen sorgt in der Regel deren zweites X-Chromosom dafür, dass der Mangel an Blutgerinnungsfaktoren ausgeglichen wird. Allerdings können Männer über ihre Mutter die Krankheit erben.

Zu den bekanntesten Blutgerinnungsstörungen zählen die Hämophilie A und B. In beiden Fällen treten die gleichen Beschwerden auf. Das Problem: „Viele Menschen sind sich nicht bewusst, dass sie unter einer Blutgerinnungsstörung leiden“, so Mondorf. Auch das sogenannte von-Willebrand-Jürgens-Syndrom gehört zu den Blutgerinnungsstörungen. Es macht sich erst bemerkbar, wenn der Betroffene sich einer Operation unterziehen muss und es dabei zu nur schwer zu stoppenden Blutungen kommt. Das kann dann mitunter zu schwerwiegenden Komplikationen führen.

Eine Blutgerinnungsstörung wird nicht nur vererbt, sie kann auch im Laufe eines Lebens entstehen. „Das ist etwa bei schwersten Leberstörungen oder bei einer Blutkrebserkrankung der Fall“, erläutert Sturm. Bei einer Krebstherapie können bestimmte Medikamente die Blutgerinnung beeinträchtigen – „in solchen Fällen ist ein strenges Kontrollregime erforderlich“, sagt Sturm.

Das Risiko für Thrombose steigt

Bei Hämophilie A und B kann man den fehlenden oder nur unzureichend vorhandenen Blutgerinnungsfaktor in den Blutkreislauf bringen. „Hierfür gibt es Medikamente, die intravenös gespritzt werden“, erläutert Mondorf. Ist die Blutgerinnung verringert, dann sollten Betroffene die Finger von Alkohol und bestimmten Medikamenten lassen, die die Leber schädigen könnten. Im Zweifelsfall sollten Betroffene ihren Arzt oder Apotheker fragen.

Aber nicht nur eine unzureichende Blutgerinnung ist ein Problem: Wenn bei einem Patienten die Blutgerinnung dauerhaft verstärkt ist, kann ein Blutgerinnsel entstehen – eine sogenannte Thrombose. Löst sich ein solches Gerinnsel, kann es in die Lungenarterie gelangen und das Gefäß verstopfen – dann ist von einer Lungenembolie die Rede, die schlimmstenfalls tödlich endet. „Eine solche Gerinnselbildung kann durch Tabletten, die ein Arzt verschreibt, verhindert werden“, erläutert Ursula Sellerberg von der Bundesapothekerkammer in Berlin.

Ein erhöhtes Thrombose-Risiko besteht aber auch aufgrund von Bewegungsmangel etwa bei einer längeren Flugreise. Um dies zu verhindern, sollten Passagiere im Flugzeug Stützstrumpfhosen tragen, wie Sellerberg rät.

Von Sabine Meuter (dpa)