Ab 2015 will die Bundesregierung pflegende Angehörige besserstellen. Dabei geht es vor allem um mehr und flexiblere Leistungen durch ambulante Pflegedienste. Die Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage der Techniker Krankenkasse zeigen jedoch: Schon heute kennen viele Betroffene weder ihre Ansprüche noch existierende Beratungs- und Entlastungsangebote.
Egal ob Kurzzeit-, Nacht- oder Tagespflege, ob Pflegekurse in Gruppen oder individuelle Schulung zur Pflegetätigkeit zu Hause: Das Angebot zur Unterstützung pflegender Angehöriger ist vielfältig – nur ist ein Großteil der Betroffenen schlecht oder gar nicht darüber informiert. Das geht aus einer aktuellen Studie* der Techniker Krankenkasse (TK) hervor.
Unkenntnis bei den pflegenden Angehörigen
Zwar kennen etwa drei Viertel der Befragten das Modell der Nachthilfe, genutzt wird es hingegen von gerade einmal sieben Prozent. Noch schlechter steht es um die Kenntnisse zu allgemeinen Beratungsangeboten: Die Hälfte der Befragten weiß nichts von der Möglichkeit, sich persönlich zu Hause schulen zu lassen. Und selbst von in Gruppen organisierten Pflegekursen haben gerade einmal 60 Prozent der Betroffenen etwas gehört. Ambulante Pflegedienste werden immerhin von fast jedem Zweiten genutzt.
Ein Ergebnis, dass Thomas Kolbe, Pressesprecher des Bundesverbands Rehabilitation (BDH), wenig überrascht. Er vermutet sogar, dass viele der pflegenden Angehörigen noch schlechter informiert sind, als die Befragung der TK es andeutet. Deshalb sei es zwar gut, dass die Regierung ab dem nächsten Jahr mehr Geld zur Unterstützung pflegender Angehöriger ausgeben wolle. “Doch vielleicht”, so Kolbe, “sollte man erst mal fragen, warum die Betroffenen die bereits bestehenden Angebote nicht abrufen.”
Was sind teilstationäre Angebote
Bei der Tages- und Nachtpflege handelt es sich um teilstationäre Angebote, deren Kosten jeweils von der Pflegeversicherung übernommen werden können. Anders als bei der ambulanten Pflege findet die Versorgung hier nicht direkt zu Hause, sondern in speziellen Tages- oder Nachtpflegeeinrichtungen statt. Die Unterbringung ist nur vorübergehend und soll es den Betroffenen ermöglichen, so lange wie möglich im eigenen Haus leben zu können.
Mehr Geld für Pflegeleistungen
Zum 1. Januar 2015 tritt das sogenannte Pflegestärkungsgesetz I in Kraft. Es sieht vor, mit bis zu 3,6 Milliarden Euro jährlich zum einen die direkte Verbesserung der Pflege und zum anderen einen Pflegevorsorgefonds zu finanzieren. Damit werden beispielsweise die Leistungsbeiträge der gesetzlichen Pflegeversicherung um rund vier Prozent angehoben.
Die grundsätzliche Verteilung der Gelder hat das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) bereits geregelt. Für die ambulanten Pflegedienste erhöht sich der Zuschuss um bis zu 1,4 Milliarden Euro. Ziel ist vor allem ein Ausbau der bestehenden Kurzzeit-, Tages- und Nachtpflegeangebote sowie von Betreuungs- und Entlastungsleistungen. Zudem soll etwa eine Milliarde Euro für stationäre Pflegeeinrichtungen sowie das Thema barrierefreies Wohnen ausgegeben werden. Die restlichen knapp 1,2 Milliarden Euro fließen in den Aufbau eines Pflegevorsorgefonds. Finanziert wird das Reformvorhaben durch die Erhöhung des Beitragssatzes zur gesetzlichen Pflegeversicherung um 0,3 Prozentpunkte.
Pflegestärkungsgesetz II
Im Jahr 2017 soll das Pflegestärkungsgesetz II folgen, mit dem der Beitragssatz um weitere 0,2 Prozentpunkte angehoben wird. Neu definiert wird dann auch der Begriff der Pflegebedürftigkeit, damit künftig auch Demenzkranke stärker von den Leistungen der Pflegeversicherung profitieren können. Bis heute bezieht sich der Pflegebegriff hauptsächlich auf Menschen mit körperlichen Gebrechen.
Auf pflegende Angehörige zugehen
Doch was bringt das viele Geld, wenn ein Großteil der Betroffenen die Angebote schon jetzt nicht abruft? “Hier gilt es Aufklärung zu leisten”, sagt Dr. Jens Baas, Vorsitzender des Vorstands der Techniker Krankenkasse: “Da sind auch wir als Kasse gefragt.” Vor allem müssten die schon bestehenden Programme besser miteinander vernetzt und die Pflegenden ausführlicher über die Angebote beraten werden.
Da stehen einige in der Pflicht: Politik, Krankenkassen, Sozialverbände und Ärzte. „Wir sehen doch, dass die Informationen nicht ankommen“, sagt Thomas Kolbe vom Bundesverband Rehabilitation: “Da hilft es auch nichts, den schwarzen Peter immer nur dem Nächsten zuzuschieben.” Vielmehr müsse man fragen, wieso die Betroffenen ihre Leistungen nicht abrufen. Liegt es wirklich nur an der unzureichenden Aufklärung oder sind es vielleicht die Angebote, die den Bedürfnissen nicht gerecht werden?
Tatsächlich sind konkrete Daten darüber, wie Angehörige pflegen und welche Probleme sie haben, noch Mangelware – das stellte bereits der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen in seinem aktuellen Gutachten fest. Hier gibt es offenbar noch einigen Handlungsbedarf. Die Studie der TK ist vielleicht ein Schritt in die richtige Richtung.