Navigations-App weist Blinden den Weg

Blinde tun sich im Stadtverkehr schwer – besonders auf unbekanntem Terrain. Eine neue Verkehrs-App kann sie lotsen. Wer das System privat nutzen will, braucht aber Geduld.

Ein verkabelter Mann mit Stock läuft auf dem Gehsteig. Er bleibt an einer Ampel stehen. Bei Grün überquert er die Straße. An sich normal. Doch Gerhard Renzel ist absolut blind. Dennoch steuert er zielsicher durch Braunschweig. Denn Renzel ist Testperson für eine neue Handy-App für blinde Menschen.

Das System Inmobs navigiert Blinde durch den Straßenverkehr. Eine elektronische Frauenstimme gibt Renzel Anweisungen. “Ein Fahrradweg läuft parallel”, sagt die Stimme. Renzel weiß Bescheid. Mit seinem Langstock ertastet er den Radweg und meidet ihn dann. Wer will schon mit einem Radler kollidieren.

Smartphone-Anwendung mit GPS-Ortung

Die neue App wurde unter anderem von Forschern der Technischen Universität Braunschweig konzipiert. Drei Jahre lang wurde mit Unterstützung des Bundeswirtschaftsministeriums getüftelt. Am Dienstag stellten die Wissenschaftler um Koordinator Steffen Axer das Projekt in Braunschweig vor.

Die sprechende Smartphone-App funktioniert im Grunde wie ein Navigationsgerät – nur genauer. Die Position des Anwenders kann im besten Fall auf bis zu einen Meter genau angeben werden, bislang liege die Genauigkeit bei 15 bis 20 Meter, sagt Axer. Dazu muss der Benutzer einen speziellen GPS-Empfänger am Arm tragen, der besser ist als seine Verwandten in Smartphones oder Navis.

Defizite bei herkömmlichen Navigationssystemen

Die App sagt auch an, wann eine Ampel auf Grün geschaltet hat, ob der Bordstein abgesenkt oder wie weit es auf die andere Straßenseite ist. App-Tester Renzel ist Verkehrsexperte beim Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV) und schon bei der Entwicklung der App mit im Boot gewesen. Seinen Angaben zufolge sind bisherige elektronische Verkehrs-Navigationen für Blinde viel unpräziser. “Die sind wegen ihrer Ungenauigkeit auch gefährlich.”

Noch ist das System für die meisten Blinden aber Zukunftsmusik. “Es ist nicht massentauglich”, sagt Axer. Die App braucht aufbereitete Digitalkarten. Das sei im Moment noch ein aufwendiger Prozess.

Bislang gibt es erst eine vier Quadratkilometer große Testzone. Ampeln müssen speziell umgerüstet sein, damit sie mit dem Handy kommunizieren können. “Wir haben den Grundstein gelegt”, sagt Axer. Wann das System allgemein verfügbar sein könnte, dazu will er keine Prognose abgeben.

Von Valentin Frimmer (dpa)