„Nur eine privilegierte Gruppe stirbt im Hospiz“

Blick in ein Zimmer des Heilhauses des Mehrgenerationen-Hospizes © dpa

Blick in ein Zimmer des Heilhauses des Mehrgenerationen-Hospizes © dpa

Heim oder Hospiz: Die Frage nach dem Sterbeort beschäftigt die Deutschen. Hochgelobte Hospize kontra schlecht ausgestattete Heime. Dabei könnte ein einfacher Aufschlag schnell Abhilfe schaffen.

in Besuch im Konzert? Was so einfach klingt, kann zur logistischen und personellen Höchstleistung werden, wenn es sich bei dem Besucher um einen schwerstkranken Hospiz-Bewohner handelt. Aber im bundesweit ersten Mehrgenerationenhospiz in Nordhessen gehören Sonderwünsche zum Alltag. „Wir sind immer dann da, wenn es zu Hause nicht mehr geht“, sagt Viviane Clauss, die Pflegedienstleiterin im Kasseler Heilhaus. Sie hat einem Bewohner kürzlich mit einem Konzertbesuch einen Herzenswunsch erfüllt.

Spaziergänge, Gespräche – im Heilhaus ist immer jemand zur Stelle. Im Seniorenheim Parkhöhe Lindenfels versucht Leiter Andreas Männicke mit seinem Team ebenfalls alles möglich zu machen, aber es ist ungleich schwerer, die individuellen Wünsche zu berücksichtigen. Das Personal ist knapp. „Der Sterbeprozess ist aufwendiger als die normale Pflege“, sagt Männicke. „Wir müssen das halt irgendwie mit dem Budget hinkriegen. Uns ist das ein Bedürfnis.“ Oft geht er mit seinem Team dafür an die Grenzen. Entlastung ist kaum in Sicht. Dabei kennt er die Lösung: „ein Palliativ-Aufschlag für Pflegeheime“. Die ärztliche Dokumentation ist vorhanden. Der administrative Aufwand würde sich in Grenzen halten. So könnten die Qualitätsunterschiede zwischen Heim und Hospiz schnell verwischen.

Zu Hause sterben – Wunsch wird selten Wirklichkeit

Die meisten Menschen in Deutschland wollen zu Hause sterben – tatsächlich sterben aber drei von vier im Krankenhaus oder Pflegeheim. Das geht aus einer neuen Studie der Krankenkasse DAK-Gesundheit hervor. Demnach wollen nur sechs Prozent der Deutschen im Krankenhaus oder Pflegeheim sterben. Wie der Pflegereport 2016 weiter zeigt, starb im Krankenhaus jeder fünfte, im Pflegeheim sogar jeder Dritte allein. Zu Hause waren es nur sieben Prozent, die zum Zeitpunkt des Todes niemanden bei sich hatten. Die Analyse basiert auf einer repräsentativen Bevölkerungsbefragung zum Thema, Auswertungen von DAK-Statistiken sowie Interviews.

Nur rund drei Prozent der Menschen in Deutschland sterben im Hospiz

Denn zwischen Hospiz und Pflegeheim liegen Welten. „Der Personalschlüssel im Hospiz ist fast doppelt so hoch wie im Pflegeheim“, so Herbert Mauel, Geschäftsführer des Bundesverbands privater Anbieter sozialer Dienste (bpa), der mit mehr als 9000 Mitgliedseinrichtungen die größte Interessenvertretung privater Anbieter sozialer Dienstleistungen ist. „Nur eine kleine, privilegierte Gruppe stirbt im Hospiz.“ Dabei seien Heime die eigentlichen Sterbeorte. Die Versorgung dort sei gut, im Hospiz sei sie aber deutlich besser. Mauel fordert von der Politik eine Reduzierung der Vorschriften und eine Sterbephase, die finanziell von den Krankenkassen getragen werde.

„Stationäre Hospize sind wichtig. Die Aufnahme im Hospiz erfolgt aber erst dann, wenn eine Versorgung zu Hause nicht mehr möglich ist“, berichtet Benno Bolze, Geschäftsführer des Deutschen Hospiz- und Palliativ Verbands (DHPV). „Rund drei Prozent der Menschen, die in Deutschland im Jahr sterben, sterben im Hospiz“, bilanziert er. Es gelte der Grundsatz „ambulant vor stationär“. Die meisten Menschen wollten dort sterben, wo sie gelebt haben – zu Hause. Oft sei auch das Pflegeheim das Zuhause geworden. Wichtig sei dem DHPV, dass in Pflegeeinrichtungen die hospizliche und palliative Arbeit weiter ausgebaut werden. Da sei „vieles bereits auf gutem Weg, aber wir sind noch nicht am Ziel“, so Bolze. Mehr Personal und vor allem mehr qualifiziertes Personal seien unabdingbar.

© dpa - Report

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Sterben soll sich nicht rechnen müssen

Der Geschäftsführer des Kasseler Heilhauses, Gerhard Paul, hat eine klare Forderung: „Es darf nicht zum Minutensterben kommen.“ Das Sterben müsse in den Mittelpunkt rücken, auch wenn sich das nicht rechne. So handhaben er und sein Team es auch in Kassel. Nicht nur der Konzertbesuch, auch die Teilnahme an einer Hochzeit wurde im Mehrgenerationenhospiz schon verwirklicht.

„Rollstuhlfahrer gehören zum Alltag, Besucher im Bett ernten noch überraschte Blicke“, so Pflegedienstleiterin Clauss, die mit ihrem Team jeden Tag daran arbeitet, dass sich ein Gedanke in der Gesellschaft durchsetzt: „Sterben gehört zum Leben.“

Von Claudia Bonati (dpa)

 


Welche Möglichkeiten der Palliativversorgung es in Deutschland gibt

Eine unheilbare Krankheit bringt auch die Frage nach der bestmöglichen Versorgung bis zum Lebensende mit sich. Die Hospiz- und Palliativversorgung ist ambulant und stationär möglich, wie der Deutsche Hospiz- und PalliativVerband (DHPV) informiert. Eine Übersicht der Angebote samt Postleitzahlensuche gibt es unter www.wegweiser-hospiz-palliativmedizin.de im Internet.

  • Ambulante Palliativversorgung: Angehörige können sich entweder bei ihrem Hausarzt informieren oder mit dem jeweiligen Hospiz- und Palliativdienst vor Ort ein Beratungsgespräch vereinbaren. Deutschlandweit gibt es laut DHPV rund 1500 ambulante Hospizdienste. Grundsätzlich haben Angehörige zwei Möglichkeiten: Die spezialisierte und die allgemeine ambulante Palliativversorgung.
  • Spezialisierte ambulante Palliativversorgung: Diese wird vom Haus- oder Krankenhausarzt verschrieben und beinhaltet die Versorgung des Betroffenen durch ein sogenanntes SAPV-Team, bestehend aus Palliativmedizinern und entsprechend ausgebildeten Pflegekräften, das auch mit niedergelassenen Ärzten und Pflegediensten zusammenarbeitet.
  • Allgemeine ambulante Palliativversorgung: Hier ist der Hausarzt der Ansprechpartner. Der Betroffene wird von ihm und von einem Pflegedienst versorgt und erhält auf Wunsch zusätzlich Unterstützung von einem ehrenamtlichen Hospizbegleiter. Dieser kommt zum Beispiel ein- oder zweimal in der Woche und bietet dem Betroffenen und der Familie psychosoziale Unterstützung an.
  • Palliative Versorgung im Krankenhaus: Einige Kliniken haben einen Konsiliardienst beziehungsweise Palliativstationen. Alternativ bieten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der ambulanten Hospizdienste Hilfe und Unterstützung nicht nur zu Hause, sondern auch in Krankenhäusern an. Den Kontakt zu einem ambulanten Hospizdienst können Angehörige oder Betroffene dann über den Sozialdienst der Klinik herstellen. Auch in Pflegeeinrichtungen besteht die Möglichkeit der Unterstützung durch einen ambulanten Hospizdienst.
  • Stationäre Hospize: Davon gibt es laut DHPV deutschlandweit etwa 230. Sie kommen in Betracht, wenn der Mensch an einer nicht heilbaren und weit fortgeschrittenen Erkrankung leidet und eine umfassende Versorgung zu Hause nicht mehr möglich ist.

Quelle: dpa