Die Pharmaindustrie verspricht mehr Transparenz – in der Zusammenarbeit mit Ärzten, Apothekern oder medizinischen Einrichtungen. Und was bringt das dem Patienten?
Es ist nur ein Teil dessen, was Pharma-Firmen für Studien, Vortragshonorare oder Spenden ausgeben. Aber die Zahlen geben einen Einblick in die Zusammenarbeit zwischen Pharmabranche und Ärzten. Eine gute halbe Milliarde Euro ließen sich 54 der größeren Unternehmen der Branche 2015 dies kosten: Ausgaben unter anderem für die umstrittenen Anwendungsbeobachtungen von Arzneimitteln im Patienten-Alltag, für klinische Studien oder Spenden. Die erstmalige Veröffentlichung der Zahlen verkauft die Branche als Auftakt zu einer freiwilligen Transparenzoffensive.
Ist damit der Verdacht systematischen Kungelns mit Ärzten erledigt?
Der Verband Forschender Arzneimittelhersteller (vfa), dessen 45 Mitglieder sich der Initiative angeschlossen haben, spricht von einer „neuen Kultur“. Die Zusammenarbeit mit Ärzten werde besser erklärt und damit die Akzeptanz in der Öffentlichkeit gestärkt, sagt vfa-Hauptgeschäftsführerin Birgit Fischer. Denn sie ist unerlässlich für Wissensaustausch und Entwicklung innovativer Arzneimittel. Das ist wohl unbestritten. Selbst der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) spricht von einer „guten Initiative, Licht in die Zahlungen der Pharmaindustrie an Dritte zu bringen.“
Doch das ändert nichts daran, dass etwa Anwendungsbeobachtungen umstritten bleiben. Selbst Vertreter der Industrieseite gingen vor einigen Jahren davon aus, dass ein Großteil für die Forschung uninteressant ist.
Was bedeutet das für Patienten?
Nach Einschätzung von Wissenschaftlern handelt es sich größtenteils um Scheinstudien mit Patienten. Das würde bedeuten, dass der Vorwurf der Kritiker nicht unbegründet ist: Die Bezahlung der Beobachtungen diene vor allem dazu, Ärzte zu bestechen, um ein bestimmtes Arzneimittel bevorzugt zu verschreiben.
Der Patient kann demnach also weiterhin nicht sicher sein, das für ihn am besten geeignete Arzneimittel zu bekommen. Die Grünen-Gesundheitsexpertin Kordula Schulz-Asche mahnt: „Allein, dass Zweidrittel der Zuwendungen seitens der Pharmaindustrie für Anwendungsbeobachtungen – die als besonders korruptionsanfällig gelten – aufgewendet werden, muss Anlass sein, um mehr Transparenz für diese Studien zu fordern.“
Machen Ärzte bei der Transparenzinitiative der Industrie mit?
Der vfa sagt, etwa ein Drittel der Ärzte sei bereit, die Zuwendungen der Pharmaindustrie mit Namen zu veröffentlichen. Man stehe aber erst am Anfang der Entwicklung. Mit der Zeit würden mehr Ärzte mitmachen.
Der GKV-Spitzenverband sieht darin ein Manko für die Transparenz. Der einzelne Patient müsse nachvollziehen können, „an welchen Arzt wie viel Geld geflossen ist“, mahnt Spitzenverbandssprecher Florian Lanz. Für den Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, ist hier der Gesetzgeber gefordert, sonst versteckten sich Ärzte weiter hinterm Datenschutz.
Wie kommen neue Medikamente zum Patienten?
Rund 15 000 Pharmavertreter machen nach Expertenmeinung jedes Jahr 20 Millionen Besuche bei Ärzten. Sie preisen natürlich das Produkt ihrer Firma an. Sie bringen so neue Produkte in den Markt, die im Zweifel teurer sind, aber nicht mehr nutzen.
Dagegen beklagen die Krankenkassen seit längerem, dass Informationen über neue Arzneimittel, denen tatsächlich ein Zusatznutzen bescheinigt wird, viel zu spät in den Arztpraxen und Krankenhäusern ankommen. Solche Informationen müssten automatisch in die Praxissoftware eingespielt und wie bei den Apothekern alle 14 Tage und nicht alle drei Monate aktualisiert werden, so der GKV-Spitzenverband.
Ist die Transparenzoffensive also Feigenblatt oder ernst gemeinte Offensive?
Sicherlich nicht nur Feigenblatt. Schließlich drohen mit dem neuen Antikorruptionsgesetz im Gesundheitswesen in schweren Fällen bis zu fünf Jahre Haft bei Bestechung oder Bestechlichkeit. Das heißt, nicht nur der bestochene Arzt oder Apotheker, sondern auch der bestehende Pharmareferent ist dran. Und auf Dauer kann die Initiative auch dem Patienten mehr Sicherheit bieten, das für ihn richtig Medikament zu bekommen. Doch „um den Transparenzkodex tatsächlich mit Leben zu füllen, ist es unabdingbar, wenn sich zukünftig alle Pharmaunternehmen daran beteiligen“, sagt Grünen-Gesundheitsexpertin Schulz-Asche.
Von Ruppert Mayr (dpa)