Vitiligo bereitet oft seelische Probleme

Winnie Harlow © picture alliance/CITYPRESS 24

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Gerade im Sommer fällt die Erkrankung auf, wenn sich die Stellen von der gebräunten Haut abheben. Bei Vitiligo haben die Betroffenen hellweiße Flecken auf ihrer Haut. Ansteckend oder schmerzhaft ist die Erkrankung nicht. Sie bereitet aber oft seelische Probleme.

Als Bea Kostrzeba an einem Sommertag vor 28 Jahren morgens in den Spiegel schaute, war ihre Haut noch unauffällig. Seit dem Nachmittag an jenem Tag ist sie es aber nicht mehr. „Beim Fahrrad-Fahren entdeckte ich im Lenkrad-Spiegel plötzlich zwei münzgroße, hellweiße Flecken an meinen Mundwinkeln“, erinnert sich die heute 39-Jährige aus Schweinfurt. Sofort fuhr sie nach Hause und schaute sich die Flecken mit einer Lupe an. „Doch ich konnte einfach nicht verstehen, woher sie kamen und warum sie nicht mehr weggingen. Ich hatte totale Panik.“ Mehrere Arztbesuche brachten Klarheit: Kostrzeba hat Vitiligo, auch Weißfleckenkrankheit genannt.

Die Krankheit verläuft sehr unterschiedlich. „Bei manchen Betroffenen können immer wieder neue Flecken auftreten, die im Laufe der Zeit größer werden, und bei anderen kann die Hautfarbe an manchen Stellen plötzlich wiederkommen“, sagt Herbert Kirchesch vom Berufsverband der Deutschen Dermatologen (BVDD) in Berlin. Zunächst treten die Flecken häufig an Bereichen wie den Augenlidern, Mundwinkeln, Achseln und Leisten sowie am Handrücken auf. Häufig tritt Vitiligo zum ersten Mal im Alter zwischen 5 und 12 sowie zwischen 20 und 40 Jahren auf.

Eine kosmetische Erkrankung

Die Ursachen von Vitiligo sind noch weitgehend unbekannt. „Einerseits gibt es die These, dass es sich um eine Stoffwechselstörung der pigmentbildenden Zellen handelt“, sagt Professor Michael Sticherling vom Universitätsklinikum Erlangen. „Andererseits könnte es sich um eine Autoimmunerkrankung handeln, wobei der Körper die eigenen pigmentbildenden Zellen als körperfremde Bestandteile fehlinterpretiert und infolge einer spezifischen Abwehrreaktion zerstört.“ Aus medizinischer Sicht ist Vitiligo eine weitgehend kosmetische Erkrankung. „Vitiligo ist nicht ansteckend, verursacht keine körperlichen Schmerzen, und Betroffene haben eine normale Lebenserwartung“, sagt Sticherling.

Zur Behandlung kommt häufig eine Bestrahlung mit sogenanntem Schmalband-UV-B-Licht zum Einsatz. In einem Zeitraum von acht bis zwölf Wochen lassen sich Betroffene rund drei Mal wöchentlich in einer Bestrahlungskammer beim Hautarzt behandeln. Die Bestrahlung dauert zu Beginn oft nur wenige Sekunden und kann sich im Laufe der Zeit auf bis zu 15 Minuten steigern. „Bei etwa 30 bis 50 Prozent der Patienten beginnen die weißen Stellen wieder zu pigmentieren, aber nicht unbedingt vollständig und gleichmäßig“, sagt Sticherling.

Gelegentlich wird auch die sogenannte PUVA-Therapie angewendet. Durch Bäder oder Cremes wird zunächst der Pflanzeninhaltsstoff Psoralen auf die jeweiligen Vitiligo-Stellen aufgetragen, der die Empfindlichkeit der Haut für UV-Strahlen steigert. Anschließend folgt eine Bestrahlung mit UV-A-Licht. „Die Steigerung der Lichtempfindlichkeit durch Psoralen ist jedoch nicht immer exakt steuerbar, so dass es gelegentlich zu Verbrennungen kommen kann“, sagt Kirchesch.

Blicke der anderen ignorieren

Bei kleineren und besonders sichtbaren Stellen wie im Gesicht können Betroffene einmal täglich auch spezielle kortisonhaltige Salben vor begleitenden UV-A-Bestrahlungen auftragen. „Um Nebenwirkungen von Kortison wie Hautverdünnungen und blaue Flecke in der Langzeitanwendung zu vermeiden, folgt nach rund sechs Wochen eine mehrwöchige Therapiepause, bevor man weiterbehandelt“, rät Kirchesch.

Gerade wenn die Flecken für andere sichtbar sind, fühlen Betroffene sich mitunter ohnmächtig und hilflos, woraus sich eine Depression oder Angststörung entwickeln kann. Häufig entsteht ein Teufelskreis. „Viele haben Angst, sich zu zeigen, und vermeiden deshalb die Öffentlichkeit, was kurzfristig Erleichterung verschafft“, erklärt Astrid Stumpf von der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie am Universitätsklinikum Münster. „Langfristig kann das aber zu weniger sozialer Bestätigung und einem negativen Selbstbild führen, wodurch die eigene Selbstunsicherheit weiter zunimmt.“

Für Betroffene ist es deshalb entscheidend, ihre negativen Einstellungen zum Umgang mit Vitiligo in positive zu verwandeln. „Wenn der persönliche Leidensdruck groß ist, kann eine Psychotherapie helfen“, sagt Stumpf. Dadurch könnten Patienten lernen, soziale Situationen wieder zu genießen. „Etwa, indem sie bestimmte Situationen bewusst aufsuchen und schrittweise neue Verhaltensweisen ausprobieren, zum Beispiel Blicke zu ignorieren und sich auf angenehme Aspekte zu konzentrieren.“

Lernen, die Flecken zu akzeptieren

Nach ihrer Vitiligo-Diagnose breiteten sich die weißen Flecken schlagartig über Bea Kostrzebas Gesicht aus. Von den Mundwinkeln zu den Augenhöhlen bis hin zu Stirn und Kinn. Mit 21 Jahren war ihr Gesicht fast vollständig mit weißen Flecken bedeckt, heute sind es durch UV-B-Bestrahlung noch rund 25 Prozent.

Während die Vitiligo-Betroffene Kanadierin Winnie Harlow international erfolgreich als Model arbeitet, brauchte Kostrzeba mehr als zehn Jahre, um ihre Flecken zu akzeptieren. „Ich selbst fand mich lange Zeit hässlich, fast so wie ein Alien.“ Bis sie sich einer Selbsthilfe-Gruppe des Deutschen Vitiligo-Bundes anschloss. „Zwar zieht mich jeder neue Fleck wieder herunter, aber ich spreche Vitiligo bei neuen Bekannten jetzt offen an. Schließlich kann ich ja nichts dafür.“

Von Martin Faber (dpa)