Wann Sie welches Medikament einnehmen sollten

Die Medikamenten-Uhr: Wann Sie welches Mittel einnehmen sollten

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Damit ein Arzneimittel optimal wirken kann, muss es zum richtigen Zeitpunkt eingenommen werden. Der ist von Medikament zu Medikament unterschiedlich. Was sollten Patienten beachten?

Morgens, nach dem Aufstehen, fühlen sich die Gelenke steif an und schmerzen. Rheumapatienten wissen, wovon die Rede ist. Um beweglicher zu werden, greifen viele dann zu einer Tablette, und die Beschwerden lassen nach. Betroffenen könnte es aber morgens von vornherein besser gehen, würden sie das Medikament am Vorabend zu sich nehmen. So kann das Medikament schon über Nacht wirken. Die Morgensteifigkeit fällt geringer aus.

Das Beispiel zeigt: Zu welcher Tageszeit ein Medikament eingenommen wird, ist alles andere als egal. Die Konzentration vieler Hormone, der Blutdruck, sogar das Schmerzempfinden verändern sich innerhalb von 24 Stunden. Bei der Medikamenteneinnahme kommt es deshalb auch auf den richtigen Zeitpunkt an, erklärt Prof. Björn Lemmer von der Heidelberger Uniklinik, dessen Spezialgebiet die Chronopharmakologie ist. Lemmer untersucht den Rhythmus, der von der inneren Uhr vorgegeben wird, und die sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Arzneimitteltherapie.

„Biologische Rhythmen beeinflussen Aufnahme, Stoffwechsel, Ausscheidung – und die Wirkungen eines Arzneimittels”, sagt er. Hilft ein Arzneimittel gar nicht, könnte es sein, dass der Betroffene das Medikament zur falschen Zeit nimmt oder dass seine innere Uhr nach einem Interkontinentalflug aus dem Takt geraten ist.

Beispiel Cortison: am besten morgens einnehmen

„Patienten sollten kritisch sein, sich über ein Medikament, das sie einnehmen, gut informieren und bei Zweifeln den Arzt oder Apotheker um Rat fragen”, sagt Ursula Sellerberg von der Bundesapothekerkammer in Berlin. Die richtige Einnahmezeit ist nicht nur wichtig, damit das Präparat wirkt. Auf diese Weise werden auch unerwünschte Nebenwirkungen vermieden.

Julia Richter, Pressesprecherin des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie, erklärt es an einem Beispiel: Die körpereigene Produktion des Stresshormons Cortison schwankt im Laufe des Tages deutlich. Die höchsten Werte werden morgens zwischen 6.00 und 9.00 Uhr erreicht, die niedrigsten gegen Mitternacht. Wird beispielsweise bei Entzündungen Cortison als Tablette vom Arzt verordnet, sollte es in der Regel morgens, zeitgleich mit der körpereigenen Cortisonproduktion, eingenommen werden.

„Würde man dagegen Cortison zur Nacht einnehmen, würde der Körper von einem zu hohen Cortisonspiegel ausgehen und die eigene Hormonproduktion drosseln”, erläutert Richter. Rheumapatienten, die mit Cortison behandelt werden, sollten dieses also nicht schon am Vorabend nehmen. Es sei denn, es handelt sich um ein Präparat, das den Wirkstoff zeitverzögert abgibt.

Im Zweifel gezielt beim Arzt nachfragen

Ein anderes Beispiel sind Blutdruckpräparate. In der Regel ist der Blutdruck tagsüber höher, in der Nacht fällt er um circa 15 Prozent ab. Wer einen zu hohen Blutdruck hat, muss die Arzneimitteltherapie an sein individuelles 24-Stunden-Blutdruckprofil anpassen. Nur so kann das Medikament optimal wirken. Sogenannte ACE-Hemmer etwa verstärken bei abendlicher Einnahme die nächtliche Blutdrucksenkung. „Das kann bei Bluthochdruckpatienten zu einem Schlaganfall führen”, warnt Richter.

Bekannt ist seit langem, dass Asthma-Anfälle vermehrt nachts auftreten. „Der Grund ist, dass in dem Zeitraum die Bronchien verengt sind und empfindlich auf Reize wie Allergene und Kälte reagieren”, erläutert Lemmer. Daraus folgt, dass Präparate gegen Asthma abends eingenommen werden müssen. „Antihistaminika, die etwa gegen Heuschnupfen wirken, sollten ebenfalls abends eingenommen werden”, ergänzt Sellerberg. Denn erstens sind nachts die Beschwerden am stärksten und zweitens machen viele dieser Präparate müde.

Wer unsicher ist, wann er ein Mittel einnehmen muss, fragt am besten gezielt bei seinem Arzt nach. Viele Hinweise zu einem Präparat finden sich zudem im Beipackzettel. Dort fließen Erkenntnisse ein, die sich aus Zulassungsstudien und allgemeinen Informationen über die physiologischen Vorgänge im Körper ergeben, erklärt Richter.

In manchen Fachgebieten macht man sich Erkenntnisse aus der Chronopharmakologie ganz gezielt zunutze. So weiß man inzwischen, dass das Schmerzempfinden im Laufe des Tages unterschiedlich ausgeprägt ist. „Das zeigt sich beispielsweise bei einer Zahnbehandlung”, sagt Lemmer. Ein lokales Schmerzmittel an den Zähnen wirkt nach seinen Angaben mittags oder nachmittags deutlich länger als vormittags.

Von Sabine Meuter (dpa)