Déjà-vu

© picture alliance/Leemage

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Irgendwie kommt einem die Szene bekannt vor: Der Mann an der Kasse, die Geste der Verkäuferin, die eigene Position – genau das glaubt man bereits gesehen zu haben und weiß doch, dass es nicht sein kann. Woher kommt solch eine “Vision” und wieso nennen wir dies ein “Déjà-vu”?

Der Begriff “Déjà-vu” stammt aus dem Französischen und heißt so viel wie “schon gesehen”. Im Jahr 1876 wurde das Phänomen erstmalig von dem französischen Philosophen Émile Boirac in einem Brief an seinen Verleger beschrieben. 1918 wurde die Beschreibung des Déjà-vus in seinem Buch “Die Zukunft der psychischen Wissenschaften” veröffentlicht. Heute gehört er zur Alltagssprache.

Für Wissenschaftler ist das Déjà-vu ein “subjektiver Erlebniszustand”. Es ist das Gefühl, eine Situation, eine Szene schon einmal genau so erlebt zu haben – was natürlich, und das wissen wir auch, nicht sein kann. Dieser Eindruck der vermeintlichen Vertrautheit des Unbekannten ist das Wesen des Déjà-vus.

Wer hat Déjà-vus?

Studien zufolge hat fast jeder Mensch mehr oder weniger häufig diesen Eindruck des falschen Wiedererkennens. In der Häufigkeit zeigen sich zwischen Männern und Frauen keine signifikanten Unterschiede. Allerdings scheinen sich Frauen genauer an ihre Déjà-vus erinnern zu können.

Interessant: Kinder und Jugendliche, aber auch Ältere, berichten öfter von Déjà-vu-Erlebnissen als Menschen mittleren Alters. Bei den Jüngeren spielt vermutlich der Prozess der Gehirnreifung eine wesentliche Rolle, wohingegen ältere Menschen in ihrem Leben einfach schon viel erlebt haben.

Déjà-vu … aber wann und wo?

Das Gefühl des “Das kenne ich doch” erlebt man in der Regel bei vollem Bewusstsein ­– Déjà-vus haben daher nichts mit Träumen zu tun. Wie genau sie entstehen, ist bislang jedoch umstritten.

Neurologen sagen:

Bei der Entstehung des Déjà-vus spielt der Temporallappen, in dem ein Großteil unserer Gedächtnisarbeit stattfindet, eine entscheidende Rolle. Der Temporallappen wird auch als Schläfenlappen des Gehirns bezeichnet und befindet sich im unteren Bereich des Großhirns. In ihm liegen der sogenannte Gyrus parahippocampalis, eine Hirnregion des limbischen Systems, die beurteilt, wie vertraut uns eine Situation ist, sowie der Hippocampus, der für die zeitliche Einordnung und geografische Verortung von Erinnerungen zuständig ist. So entstehen die Erinnerungen, auf die wir dann zurückgreifen können.

Beide Gehirnregionen liegen im Temporallappen allerdings sehr eng zusammen. Kommt es in ihnen zu starken Erregungszuständen, entstehen Déjà-vus – so die Theorie. Gestützt wird diese These durch experimentelle Studien. So konnte im Labor gezeigt werden, dass gesunde Menschen, bei denen der Temporallappen elektrisch stimuliert wird, verstärkt von Déjà-vu-Erlebnissen berichten. Auch Epileptiker, bei denen die beiden Hirnregionen häufig erregt sind, erzählen von Déjà-vus.

Psychologen sagen:

In der Gedächtnispsychologie gehen Wissenschaftler von einer Art Quellenamnesie aus. Damit ist gemeint: Eine Person erlebt eine Situation, die sie auf ähnliche Weise tatsächlich schon einmal erlebt hat. Allerdings an einem anderen Ort und zu einer anderen Zeit, nur hat man Letzteres schlicht vergessen. Das Déjà-vu ist demnach das Produkt zweier zwar nicht gleicher, aber doch sehr ähnlicher Wahrnehmungen.

Anschaulich wird diese Theorie, wenn man sich einen Gegenstand vorstellt, den man kennt, beispielsweise eine Kommode. Die Kommode selbst ist einem vertraut. Das Zimmer, in dem sie steht, sieht man jedoch zum ersten Mal. Die Folge: Der Betroffene kann die unvertraute Umgebung mit dem vertrauten Element in Verbindung bringen und es entsteht der Eindruck des “Das kenne ich doch”.

Kognitionswissenschaftler sagen:

Eine andere Hypothese erklärt die Entstehung eines Déjà-vus mit unterschiedlich gelagerten Aufmerksamkeitsprozessen. Verliert der Betroffene seine Umgebung aus dem Blick, weil er beispielsweise unkonzentriert ist oder unter Stress steht, kann das Gehirn die Informationen, die es in seiner Umgebung aufnimmt, nicht vollständig verarbeiten. Der Mensch sieht zwar alles, was um ihn herum geschieht, er nimmt die Dinge jedoch nicht bewusst wahr. Dennoch können äußere Reize, etwa der Geruch von frisch gemähtem Gras, unbewusste Erinnerungen wachrufen und sich mit der aktuellen Situation verbinden.

Gewährt das Déjà-vu einen Blick in die Zukunft?

Fälschlicherweise haben viele Personen, die ein Déjà-vu erleben, den Eindruck, zukünftige Geschehnisse vorhersehen zu können. Das liegt daran, dass bei einem Déjà-vu der nachfolgende Eindruck oft glasklar erscheint – im Fachjargon wird dieser Zustand auch als präkognitiver Moment bezeichnet. Derjenige, der die Situation erlebt, scheint sie nicht nur bereits zu kennen – er glaubt auch zu wissen, wie sie weitergeht. Dieser Vorausblick dauert in der Regel nur wenige Sekunden. Sobald einem das Gefühl des “Das kann doch gar nicht sein” bewusst wird, gewinnt die Realitätskontrolle meist wieder die Oberhand und das Déjà-vu ist vorbei.

Sind Déjà-vus Teil einer Krankheit?

Déjà-vus haben in der Regel nichts mit Wahnvorstellungen oder Halluzinationen zu tun. Bei Wahnvorstellungen sieht oder hört der Betroffene Dinge, die nicht da sind, wohingegen Halluzinationen, anders als Déjà-vus, nicht an ihre Umgebung gebunden sind und überall stattfinden können. Auch kann das Erleben von Wahnvorstellungen und Halluzinationen oft mehrere Tage, wenn nicht gar Wochen andauern, und muss meistens mit Medikamenten behandelt werden. Déjà-vus sind hingegen kurzzeitig: Sie dauern nur wenige Sekunden und gehen von alleine vorüber.