Gefälschte Pillen im Netz

© ZB - Fotoreport

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Viele der im Internet gehandelten Medikamente sind gefälscht, warnt die Weltgesundheitsorganisation. Legale und illegale Anbieter sind oft kaum voneinander zu unterscheiden. Offenbar schauen auch die Verbraucher oft nicht genau genug hin.

Egal ob Haarwuchsmittel, Viagra oder starke Schmerzmittel: Immer mehr Menschen bestellen ihre Medikamente im Internet – in Versandapotheken oder auf Online-Marktplätzen wie Amazon. Die Gründe hierfür sind vor allem günstigere Preise, aber auch ein mehr an Diskretion. So das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov.

Doch leider ist Geiz nicht immer geil: „Im Internet sollten einen allzu niedrige Medikamentenpreise stutzig machen“, meint Harald Schweim, Professor für „Drug Regulatory Affairs“ (dt. „Arzneimittelzulassung“) an der Universität Bonn und ehemaliger Präsident des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Das Problem sind nicht die legalen Versandapotheken, die sich meist an die Marktpreise halten, sondern die vielen illegalen Anbieter, die ihre Käufer mit Billigangeboten und Gratisprodukten locken. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist gut jedes zweite Medikament, das auf diesen Websites angeboten wird, gefälscht. Bestätigt wird diese Annahme durch Testkäufe des Zentrallaboratoriums Deutscher Apotheker (ZL).

Gepanschte und sogar giftige Medikamente

„Gefälscht wird eigentlich alles, was es in der Apotheke gibt“, meint Pharmakologe Schweim. Typische Fälschungsprodukte sind in Deutschland vor allem Potenz- und Verhütungsmittel sowie „Lifestyle-Produkte“ wie Mittel gegen Haarausfall oder Diätpillen. Doch auch vor lebenswichtigen Medikamenten wie Blutdrucksenkern, Antibiotika oder Mitteln gegen HIV und Krebs machen die Fälscher nicht halt, meldet die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände e.V. (ABDA).

Im besten Fall enthält die gefälschte Tablette nur Traubenzucker und die Betroffenen merken nach kurzer Zeit selbst, dass das Medikament nicht wirkt. Im schlimmsten Fall ist die Arznei mit giftigen Produktionsrückständen verunreinigt oder sie wurde mit anderen gesundheitsschädlichen Stoffen gepanscht. Auch Bakterien, heißt es bei der WHO, wurden bereits in Medikamentenproben entdeckt. „In solchen Fällen“, sagt Christian Splett von der ABDA, „stellen Arzneimittelfälschungen eine akute Gefahr für Gesundheit und Leben dar.“

Fakten:

Seit dem Jahr 2004 dürfen in Deutschland nicht nur rezeptfreie Medikamente, sondern auch rezeptpflichtige im Internet verkauft werden.

Nach einem Urteil des Bayrischen Verwaltungsgerichtshofs ist Privatpersonen der Verkauf von Arzneimitteln im Internet nicht gestattet. Solche Verkäufe bewertete das Gericht als einen Verstoß gegen die Apothekenpflicht (§ 43 Abs. 1 Satz 2 AMG).

Im 2008 gab es lediglich 407 Verfahren wegen Arzneimittelschmuggels. Gut sechs Jahre später, also im Jahr 2014, waren es bereits 537. Dabei wurden 119.000 gefälschte Medikamente im Wert von 1,4 Mio. Euro beschlagnahmt.

Aber auch Überdosierungen können gefährlich sein. Enthält die Viagra-Pille die doppelte Wirkstoffmenge, bedeutet das nicht noch mehr Spaß im Bett, sondern es besteht die Gefahr von Herzrhythmusstörungen oder gar eines Herzinfarkts. Das Gleiche gilt für Mischungleichheiten innerhalb ein und derselben Packung, erklärt Pharmakologe Schweim. Hier kann es passieren, dass die Tablette, die ein Patient morgens schluckt, genau die richtige Wirkstoffmenge enthält, die nächste jedoch über- oder unterdosiert ist.

Gedankenloser Kauf bei Amazon und Co.

Dass der Online-Kauf von Medikamenten gesundheitliche Konsequenzen haben kann, scheinen viele Verbraucher jedoch nicht zu wissen. Das zeigt auch ein Forschungsprojekt der Universität Bonn. Zusammen mit anderen Wissenschaftlern gründete Schweim die sogenannte „Fake Apotheke“. Obwohl im Impressum direkt darauf hingewiesen wurde, dass es sich um keinen vertrauenswürdigen Shop handelte, zählte das Forscherteam nach wenigen Wochen bereits mehr als 14.000 Bestellungen.

Eine ähnliche Unbefangenheit herrscht bei Onlineversandhändlern wie Amazon. Auch hier werden Blutdrucksenker, Schmerztabletten und Viagra angeboten. Laut YouGov-Umfrage hat bereits jeder siebte Internetnutzer über 18 schon mal rezeptfreie Medikamente bei Amazon bestellt. Gut jeder Dritte sieht keinen Unterschied zwischen dem Einkauf beim Onlinehändler und dem in einer Versandapotheke.

Unternehmen wie Amazon sind jedoch keine zertifizierten Versandapotheken, sondern Online-Plattformen, auf denen die unterschiedlichsten Händler ihre Tabletten frei anbieten können. Wer sich hinter den Namen der jeweiligen Anbieter verbirgt, kontrolliert kaum ein Kunde. „Das Gleiche gilt für Privatverkäufe auf Ebay,“ meint Schweim.

Das EU-Sicherheitslogo

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Einfach mal auf das neue EU-Logo klicken

Um den Online-Kauf von Medikamenten sicherer zu machen, hat die Europäische Union (EU) nun reagiert und ein neues Sicherheitslogo eingeführt. Seit Mitte 2015 müssen alle Unternehmen, die Arzneimittel übers Internet verkaufen, dieses Siegel – es sieht aus wie ein grünes Kreuz – in ihrer Landessprache auf ihrer Webseite platzieren.

Wer auf Nummer sicher gehen will, schaut sich deshalb das EU-Siegel nicht nur an, sondern klickt auch einmal darauf. Ist der Anbieter zum Onlinehandel mit Arzneimitteln berechtigt, führt der Klick direkt zum Eintrag im offiziellen Versandhandelsregister des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI). Um sicherzugehen, dass man nicht in einem gefälschten Register gelandet ist, empfiehlt Schweim zusätzlich einen kurzen Blick auf die Internetadresse. Ist die richtig, kann der Käufer beruhigt in der Online-Apotheke bestellen.