Medikamente sollen beim Abnehmen helfen

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Jeder fünfte Deutsche gilt als krankhaft fettleibig – Tendenz steigend. Informationskampagnen und Unterstützungsangebote für Betroffene scheinen wenig zu bewirken. Forscher des Helmholtz Zentrums München arbeiten daran, erste wirksame Medikamente konkret gegen Adipositas zu entwickeln.

„Das Problem Fettleibigkeit bekommen wir einfach nicht ohne Medikamente in den Griff“, sagt Timo Müller, Wissenschaftler vom Helmholtz Zentrum München. Nun sollen Medikamente im Kampf gegen die überschüssigen Fettzellen helfen.

Lebensstil muss sich ändern

„Worum es in der Therapie eigentlich geht, ist die Änderung des Lebensstils“, erklärt Christina Holzapfel, wissenschaftliche Geschäftsführerin des Kompetenznetzes Adipositas. Maßgeblich seien hier die Verhaltensänderung, eine Umstellung der Ernährung sowie mehr Bewegung im Alltag. „Hier geht es nicht um Sport“, so Holzapfel, „oft ist schon viel gewonnen, wenn die Betroffenen einfach statt des Fahrstuhls die Treppe benutzen.“ Die Änderung des Lebensstils ist eine grundsätzliche Aufgabe und Bestandteil jeder Adipositastherapie. Misslingt sie, gibt es in der Behandlung von Adipositas bislang wenige wirksame Alternativen.

Übergewicht oder Adipositas

In der Behandlung von Adipositas ist es wichtig, zwischen Menschen mit Adipositas, also Fettleibigkeit, und solchen mit Übergewicht zu unterscheiden. Übergewicht ist in der Regel nichts Schlimmes. Studien zufolge können ein paar Kilos zu viel (Body Mass Index (BMI) zwischen 25 und 26 kg/m²) sogar positive Effekte auf die Gesundheit haben, beispielsweise bei Nierenleiden. Krankhaft wird Übergewicht meist erst ab einem BMI von über 30 kg/m². Allerdings steigt beispielsweise das Diabetesrisiko fast linear mit dem Körpergewicht und so kann bei manchen Personen bereits ein BMI im Übergewichtsbereich zu gesundheitlichen Problemen führen.

Eine weitere Option ist der chirurgische Eingriff. „Sind die konservativen Maßnahmen ausgeschöpft, kann beispielsweise nach sorgfältiger Prüfung eine Verkleinerung des Magens durchaus wirksam sein“, meint die Expertin. Allerdings seien Operationen wie diese auch nicht für jeden geeignet und müsse der Lebensstil im Nachgang zur Operation ebenfalls verändert werden. Der Therapieerfolg ist nicht zuletzt von der dauerhaften Lebensstiländerung und der Motviation der Betroffenen abhängig.

Menschen mit Adipositas entwickeln Fettresistenz

Müller und seine Kollegen wollen die Behandlung der Adipositas nun durch eine medikamentöse Therapie ergänzen. „Uns geht es nicht darum, ein Allheilmittel gegen überschüssiges Fett zu entwickeln“, erklärt der Wissenschaftler. Doch könnten Medikamente gerade solchen Betroffenen helfen, die nicht für einen chirurgischen Eingriff in Frage kommen.

„Einer unser Ansatzpunkte ist das körpereigene Hormon Leptin“, erklärt der Forscher. Das Hormon wird im Fettgewebe gebildet und ist für die Regulation des Energiehaushalts verantwortlich. Steigt die Leptin-Konzentration im Blut, entsteht ein Sättigungsgefühl, das in der Regel die Nahrungsaufnahme hemmt. Zudem erhöht das Hormon den Energieverbrauch.

Bei Menschen mit starkem Übergewicht ist dieser Informationsfluss jedoch oft gestört. Aufgrund ihrer permanent erhöhten Leptin-Konzentration haben sie mit der Zeit eine Resistenz gegen das Hormon entwickelt. Das Gefühl der Völle tritt bei ihnen nur noch vermindert auf.

Selbst wenn es den Personen gelingt, abzunehmen, führe der Gewichtsverlust alleine nicht dazu, dass sich die Resistenz zurückbildet, erklärt Müller. Dazu seien Medikamente notwendig. Er und seine Kollegen versuchen deshalb, den Körper medikamentös für das Leptin zu sensibilisieren. In Tierversuchen konnten die Forscher bereits erste Erfolge erzielen. Aktuell wird der Wirkstoff klinisch getestet und auch hier scheinen die Versuche vielversprechend zu sein, verrät Müller.

Medikamente als Begleittherapie

Es wäre natürlich schön, ein wirksames Medikament gegen Adipositas zu haben, so Holzapfel. Allerdings dürften die Betroffenen keine Wunderpille erwarten. Zudem hätten Arzneien immer Nebenwirkungen.

Müller sieht das ähnlich. Medikamente könnten die Therapie nur unterstützen; die Umstellung des Lebensstils ersetzten sie nicht. „Doch angesichts der stetig wachsenden Zahl der Menschen mit Adipositas“, meint der Wissenschaftler, „brauchen wir einfach mehr alternative Behandlungsmöglichkeiten.“