„Mein Blind Date mit dem Leben“: Wer ist hier behindert?

„Mein Blind Date mit dem Leben“: Wer ist hier behindert?

Saliya Kahawatte © picture alliance

Saliya Kahawatte ist fast blind und startet eine Lehre in einem Luxushotel. Die Sehschwäche kompensiert er mit seinen anderen Sinnen, die extrem geschärft sind. Trotzdem ist der Job eine Herausforderung, wie die Gute-Laune-Komödie „Mein Blind Date mit dem Leben“ zeigt.

Du kannst es schaffen, wenn du willst. Ein Satz, der das Lebensmotto von Saliya Kahawatte sein könnte. Als Auszubildender in einem Luxushotel serviert er Cocktails, bezieht Betten und rackert in der Küche. Dass er fast blind ist, weiß und merkt anfangs niemand, nicht mal seine Chefs. Denn Kahawatte hat sein fehlendes Sehvermögen verschwiegen. Mit eiserner Disziplin und hartem Training hat er seine anderen Sinne aufs Äußerste geschärft, um seine schlechte Sicht damit wettzumachen. Die ungewöhnliche Lebensgeschichte des Hamburgers wurde nun verfilmt. „Mein Blind Date mit dem Leben“ mit Kostja Ullmann und Anna Maria Mühe ist eine Gute-Laune-Komödie mit einem sympathischen Helden, der unbeirrt seine Träume verfolgt und der zeigt, wie absurd die Vorurteile sind, mit denen Menschen mit Behinderungen immer noch zu kämpfen haben, trotz aller Bestrebungen um Inklusion.

„Seien Sie realistisch! Hören Sie auf zu träumen“ – ein Satz, den der junge Mann oft zu hören bekommt. Etwa, als er sich in einem Jobcenter nach Arbeitsmöglichkeiten erkundigt. „Wie soll das gehen, soll ich mir vielleicht eine Traumbehinderung zulegen?“, fragt Saliya (Kostja Ullmann) und weist empört die Jobs zurück, die nach Ansicht der Berater für Behinderte infrage kommen.

Das Glück scheint perfekt

Doch den Abiturienten mit der Sehschwäche will sonst keiner haben. Also verschweigt Saliya bald sein Handicap. Beim Bewerbungsgespräch im noblen Bayerischen Hof in München hinterlässt der höfliche, zielstrebige junge Mann einen so guten Eindruck, dass er als Auszubildender engagiert wird. Dass er dafür wochenlang hart trainiert und mit seiner Schwester jeden Schritt von der Straßenbahn bis ins Hotel abgezählt hat, weiß keiner

Endlich kann Saliya in seinem Traumberuf durchstarten, unterstützt von seinem Kollegen Max (Jacob Matschenz). Als er sich in die Gemüselieferantin Laura (Anna Maria Mühe) verliebt, scheint sein Glück perfekt. Doch dann kommt er in die Bar, die härteste Station der Ausbildung. Argwöhnisch beobachtet der unsympathische Barchef Kleinschmidt (Johann von Bülow) jede Ungeschicklichkeit und lässt Saliya bis tief in die Nacht Gläser polieren. Dabei kann Saliya die Schlieren einfach nicht sehen. Bald hält er dem Druck nicht mehr stand und sein mühsam errichtetes Leben droht zu zerbrechen.

Marc Rothemund („Sophie Scholl – Die letzten Tage“) hat Kahawattes Lebensgeschichte einfühlsam inszeniert. Schade nur, dass sich der Film stark auf die Hotelausbildung konzentriert und die Stationen vom Zimmerservice über die Küche bis hin zur Bar der Reihe nach abspult. Gerne hätte man noch mehr Persönliches über Saliya erfahren, der sich nicht in eine vermeintlich behindertengerechte Ecke abdrängen lassen will.

Die Behinderung ist auch eine Herausforderung

Trotzdem ist der Film sehr vergnüglich. Temporeich, humorvoll und ohne moralischen Zeigefinger schildert er die Probleme, mit denen Saliya zu kämpfen hat. Ullmann spielt die Rolle beeindruckend. Er ließ sich von dem echten Saliya schulen, deckte unter dessen Anleitung Tische ein und servierte Drinks an der Bar, alles mit einer Simulationsbrille, mit der er nur verschwommen Umrisse erkannte. Auch Matschenz als hilfsbereiter und feierfreudiger Max und Mühe als hübsche und warmherzige Laura spielen hervorragend und bilden mit Ullmann ein Freundesgespann, dem man gerne zusieht.

Der echte Saliya Kahawatte ist heute Unternehmenscoach und Berater, er hat ein Kochbuch geschrieben und setzt auf die Ayurveda-Künste seiner sri-lankischen Vorfahren. Er sieht den Film als Ermutigung für andere Menschen, habe er selbst sein Handicap trotz Rückschlägen und scheinbarer Hoffnungslosigkeit doch als Herausforderung angenommen.

Dass zu seiner Sehschwäche eine Gehbehinderung hinzugekommen ist, sei zwar „ein ziemlich großer Scheiß“, schreibt der Deutsch-Singhalese in der Autobiografie „Mein Blind Date mit dem Leben“. Trotzdem fühle er sich privilegiert. „Mein Leben hat noch so viel mehr glückliche, wunderschöne Seiten, dass ich aus tiefster Überzeugung sagen kann: Ich bin ein reicher Mensch. Ich genieße jeden Tag.“

Von Cordula Dieckmann (dpa)