Wenn einer der Partner pflegebedürftig wird, gibt es für Paare verschiedene Optionen. Eine davon lautet: Gemeinsam in eine betreute Einrichtung ziehen. Das kann wunderbar funktionieren, muss es aber nicht. Die Entscheidung will deshalb gut überlegt sein.
„Der Umzug ist mir nicht schwer gefallen.“ Rosemarie Huber lacht. Die 72-Jährige wohnt mit ihrem Partner Heinrich, 82, seit sechs Jahren in einem Seniorenstift in Bornheim bei Bonn. 75 Quadratmeter, zwei Zimmer, Küche. Wände und Böden wurden nach den Vorstellungen des Paares gestaltet, weil die Wohnung ohnehin renoviert werden musste. Für das Leben in der Seniorenresidenz haben sie ihr Haus aufgegeben. Es sind Fragen, die sich für viele Paare irgendwann stellen, wenn einer pflegebedürftig wird: Nimmt man einen ambulanten Pflegedienst? Geht nur einer in die betreute Wohneinrichtung oder das Pflegeheim? Oder geht man gemeinsam?
Für Huber war die Antwort klar: „Da, wo mein Partner ist, da ist auch meine Seele. Und dort geht es mir gut.“ Ihr erster Mann starb an einem Hirntumor. Die ambulanten Pflegekräfte, die vor seinem Tod täglich kamen, seien lieb und nett gewesen. „Aber sie kamen zeitlich sehr eingeschränkt. Morgens waren wir mit der Körperpflege meist schon fertig.“ An der Residenz schätzt sie, dass man dort jederzeit jemanden anrufen kann, wenn etwas ist. Nachdem ihr Mann Heinrich vor sechs Jahren stürzte und wegen einer Hirnblutung Betreuung benötigte, stand für sie fest, dass sie dort hin ziehen würden.
Nicht immer sind beide pflegebedürftig
In einer Residenz wie dem Seniorenstift, wo Huber mit ihrem Partner lebt, sei es durchaus üblich, dass Paare gemeinsam in eine Wohnung ziehen, sagt Ulrike Kempchen von der Bundesinteressenvertretung für alte und pflegebetroffene Menschen (BIVA) in Bonn. „Da kann die eine Person pflegebedürftig sein und die andere nicht.“ In der Regel gibt es dort einen Miet- und einen Servicevertrag. Der Servicevertrag ist flexibel und kann Leistungen wie Essen, Putzdienste und Freizeitangebote umfassen. Separat kann noch ein Pflegevertrag abgeschlossen werden.
Rosemarie Huber und ihr Partner Heinrich essen in der Residenz zu Mittag, dazu kommen Putzfrauen zum Saubermachen der Wohnung. Wäsche waschen, Frühstück, Abendbrot, Betten machen: All diese Dinge macht Huber selbst. „Ich bin schließlich noch gut dabei.“ Ihr Partner Heinrich ist Diabetiker und hat Alzheimer. Seine Medikamente werden ihm vom Pflegepersonal gegeben. „Das ist besser so, da gibt es keinen Zoff“, sagt Huber. Weil er Pflegestufe 0 hat, wird seine medizinische Versorgung über die Krankenkasse abgerechnet. Die restlichen Kosten – Miete und Betreuungsleistungen – teilen sich beide.
„Seniorenresidenzen gehören häufig eher zum hochpreisigen Segment“, weiß Kempchen. Vorher sollten Paare also gut kalkulieren, ob der Umzug finanziell zu stemmen ist. Es kann auch sein, dass der leicht pflegebedürftige Partner irgendwann viel mehr Pflege benötigt. Dafür sollte im Idealfall ein Pflegezentrum angeschlossen sein. „Dorthin kann der hoch pflegebedürftige Partner dann umziehen, wenn die Versorgung in der Wohnung nicht mehr möglich ist“, sagt Kempchen.
Im Pflegeheim wird die Beziehung neu definiert
Schwierig kann es werden, wenn beide Partner einen Pflegeheimplatz benötigen. Dann müssen Paare oder ihre Angehörigen erstmal eine Einrichtung finden, die entsprechende Doppelzimmer hat. „Es gibt dafür kein gesetzliches Anrecht“, so Kempchen.
Wer das Glück hat, ein Doppelzimmer zu finden, sollte auf ein wichtiges Vertragsdetail achten, rät Kempchen. Wenn möglich, sollte bereits bei Vertragsschluss geregelt werden, dass das Nebenbett nicht neu belegt wird, wenn der Partner stirbt. Dies ist oft gegen ein zusätzliches Entgelt möglich. Sonst kann es sein, dass man einen neuen Bettnachbar bekommt, wenn kein Einzelzimmer frei ist. Kempchen: „Das kann ein enormer, schwer zu verkraftender Einschnitt sein.“
Gerade für Paare, die viele Jahre zusammengelebt haben, ist es unvorstellbar, räumlich getrennt zu leben. Trotzdem sollten beide Partner den Schritt, gemeinsam in eine betreute Einrichtung zu ziehen, intensiv bedenken. Ein solcher Umzug kann zu einer Neu-Definition der Rollen in der Beziehung führen, erklärt Julia Scharnhorst, Gesundheitspsychologin aus Hamburg. „Aufgaben wie Haushalt oder Gartenarbeit fallen dann plötzlich weg.“ Klar ist: Es müssen Opfer gebracht werden. Dafür sollte man jedoch nicht ständig Dankbarkeit von seinem Partner einfordern, sagt Scharnhorst. Das ist in der Realität aber leichter gesagt als getan. Deshalb gilt: „Im Vorfeld müssen sich Paare ehrlich gemeinsam fragen: Kriegen wir das hin?“ Für die Beziehung kann es nämlich durchaus auch die bessere Lösung sein, wenn nur der pflegebedürftige Partner umzieht.
Zwischen Turnen und Skat-Spielen
Mit ihrem künftigen Heim sollten sich umzugswillige Paare intensiv beschäftigen, sagt Scharnhorst weiter. Dazu zählen ausgiebige Rundgänge in den Räumlichkeiten, um sich mit den Abläufen vertraut zu machen. „Es geht darum, eine Vorstellung zu bekommen, wie es sein wird, dort zu leben.“ Rosemarie Huber fiel die Entscheidung leicht. Sie kannte die Seniorenresidenz bereits vorher gut – die Einrichtung lag nur wenige Kilometer von ihrem Haus entfernt. Weil eine Dame vor ihnen für die Wunschwohnung absagte, standen sie nur wenige Wochen auf der Warteliste, bevor sie ihr neues Domizil beziehen konnten.
Im Seniorenstift kennt sie nach sechs Jahren inzwischen jeder: Sie ist im Turnverein, im Chor und hilft hin und wieder auch bei Aufgaben in der Residenz. Und wie geht es ihrem Mann? Sie lacht wieder. „Ach, auch gut. Er geht gleich zu seiner wöchentlichen Skat-Runde.“
Von Tom Nebe (dpa)