Die Elektromobilität ist auf dem Vormarsch – vom Fahrrad bis zum Autobus. Fehlt nur noch der „E-Rollator“. Doch bald kommen die ersten Modelle auf den Markt.
Rollatoren helfen Menschen mobil zu bleiben. Vorausgesetzt, der geplante Weg zwingt nicht zu einer Berg- und Talfahrt. In hügeligen Landstrichen ist es mit der Mobilität mitunter schnell vorbei – trotz Gehhilfe. Das weiß auch der junge Stuttgarter Max Keßler: „Viele Ältere haben Angst vor dem Berg.“
Das Problem will der Mechatroniker lösen. Nach Elektroauto und Elektrofahrrad (E-Bike oder Pedelec) sei die Zeit reif für den E-Rollator. Schon während des Studiums begann er zu tüfteln und arbeitete an ersten Modellen. „Mich hat damals gewundert“, sagt er, „dass es so etwas noch nicht gab.“
Die Branche gewinnt an Fahrt
Seither ist einiges passiert. Keßler hat zusammen mit drei Freunden das Start-up eMovements gegründet und will im kommenden Jahr seinen ersten elektrischen Rollator auf den Markt bringen. Er ist aber nicht der Einzige.
„Gerade werden E-Rollatoren an allen Ecken und Enden entwickelt“, meint Peter Herrmann, Geschäftsführer von Bemotec – nicht zuletzt an Universitäten. Das Reutlinger Unternehmen für Medizintechnik ist aktuell Vorreiter der kleinen Branche. 2013 präsentierte die Firma ihren ersten E-Rollator, den „beactive+e“. Seit einigen Monaten ist er im Verkauf. Mit der Zulassung und den klinischen Prüfungen der Technik hat es dann doch etwas länger gedauert als geplant.
Warten auf die Technik
Auch Hartmut Witte, Professor für Biomechatronik an der Technischen Universität Ilmenau, entwickelt mit seinen Studenten Elektrorollatoren. Aus seiner Sicht hat der plötzliche Boom von Lösungen für ein schon länger offensichtliches Problem vor allem mit dem technischen Fortschritt zu tun.
Bemotec-Geschäftsführer Herrmann schätzt die Marktentwicklung ähnlich ein. Die Ursache für die schleppende Entwicklung sieht auch er in der Beschleunigung der bisher langsamen Technik. „Wir brauchten erst einmal Akkus, die einen ganzen Tag lang halten“, sagt er. „Dank der E-Bikes haben wir die jetzt.“ So bleibt der E-Rollator nicht auf halber Strecke liegen. Auch nicht am Berg.
Elektrorollator: Luxus oder Standard?
Einig sind sich Wissenschaftler, Unternehmer und Start-up-Gründer auch darin, dass die Bedienung eines E-Rollators maximal einfach sein muss. Die Lösungsansätze der drei sind aber äußerst unterschiedlich.
Keßler will ein Gefährt, das sich jeder leisten kann. Während des Studiums hatte er noch mit beheizbaren Griffen und einer Steuerung per iPad experimentiert. Heute ist er pragmatischer und verzichtet auf teure Extras. Hightech ist nur der Startknopf. Legt der Nutzer den Finger auf die Taste, senkt diese sich automatisch ab und es geht im gemütlichen Schritttempo vorwärts. Nimmt der Fahrer den Finger vom Knopf, fährt der Motor runter.
„Einfacher geht’s nicht“, sagt Keßler. Und beim E-Rollator als Komplettangebot soll es nicht bleiben. Das Ziel von eMovements ist es, Komponenten zu entwickeln, die jeden normalen Rollator in einen elektrischen verwandeln können. Sie wollen ein „massentaugliches Produkt“.
Der E-Rollator von Bemotec lässt sich ebenfalls über eine einfache Tastatur bedienen. Ein „Volksrollator“ ist er aber eher nicht. Der beactive+e hat beispielsweise speziell entwickelte ergonomische Griffe, die es dem Benutzer ermöglichen, länger unterwegs zu sein, und die ihm als Aufstehhilfe dienen, sowie einen Kippsensor mit Alarmknopf, sollte man stürzen. Außerdem, so Herrmann, lasse sich „das Tempo individuell auf die Bedürfnisse des Nutzers anpassen“. Die besondere Ausstattung hat allerdings auch ihren Preis: Der beactive+e kostet mehr als 2000 Euro – etwa das Doppelte dessen, was der Konkurrent von eMovements voraussichtlich kosten wird.
Vom E-Rollator zum iRollator
Um Preiskalkulationen scheren sich Professor Witte und seine Studenten wenig. Sie wollen die „Usability“, also die Nutzerfreundlichkeit, ebenso vorantreiben wie die Technik insgesamt. Das Team hat seinen neusten E-Rollator deshalb mit einer Reihe spezieller Sensoren „intelligenter“ gemacht.
Das Gefährt passt sein Tempo selbstständig dem seines Besitzers an und lässt sich wie ein Fahrrad durch einfache Gewichtsverlagerung steuern. Es braucht weder Knöpfe noch Tastatur; Neigungssensoren registrieren nicht nur, ob es bergab geht oder bergauf, sondern erlauben dem Rechner sogar zu entscheiden, „ob der Nutzer gerade ins Straucheln gerät“, so der Wissenschaftler, „oder ob er nur freundlich vor seiner Nachbarin den Hut zieht.“