Masturbation stört die Verdauung, löst Schwindsucht aus und macht impotent – davon war zumindest die Mehrheit der Mediziner im 18. und 19. Jahrhundert überzeugt. Zur Therapie rieten sie Eltern daher zu drastischen Therapiemaßnahmen, etwa ihre Kinder nachts im Bett festzubinden. Diese Auffassung hat sich mittlerweile zum Glück geändert.
Heute gibt es nicht nur zahlreiche Sexspielzeuge. Websites wie OMGYes („Oh My God, Yes“) bieten sogar wissenschaftlich fundierte Anleitungen dazu, wie der Solosex besonders befriedigend ist. Doch, was steckt eigentlich hinter dem Akt der Selbstbefriedigung? Warum nutzen Männer diese spezielle Fingerfertigkeit bis heute deutlich öfter als Frauen und was hat Masturbation mit Depression zu tun? 6 Hypothesen im Faktencheck.
1. Masturbieren ist Männersache.
Stimmt nicht – der Unterschied zwischen den Geschlechtern ist heute tatsächlich gar nicht mehr so groß. Laut einer repräsentativen Umfrage der Online-Plattform YouGov aus dem Jahr 2016 masturbieren nicht nur mindestens 70 Prozent der Männer, sondern auch wenigstens die Hälfte der befragten Frauen. Was sich jedoch stark unterscheidet ist, die Häufigkeit. So hat nicht mehr als jeder dritte Mann einmal die Woche Sex mit sich selbst, bei Frauen ist es kaum jede zehnte.
2. Selbstbefriedigung macht glücklich.
Auf jeden Fall. Egal, ob Mann oder Frau – beim Orgasmus schütten die Nervenzellen im Hypothalamus verstärkt Oxytocin und Vasopressin aus. Die Glückshormone sorgen für positive Gefühle und steigern das Wohlbefinden. Ein erhöhter Oxytocinspiegel kann außerdem Schmerzen lindern.
3. Auch Solosex beugt Prostatakrebs vor.
Könnte sein. Zu diesem Schluss kommt zumindest ein Forscherteam der Harvard T.H. Chan School of Public Health. In der 2016 im Fachblatt „European Urology“ publizierten Studie untersuchten die Wissenschaftler den Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Prostatakrebs und der Häufigkeit des Samenergusses. Und tatsächlich: Die Männer, die am häufigsten ejakulierten, erkrankten seltener und wenn sie erkrankten, dann meist an weniger riskanten Tumoren. Zwischen Sex und Masturbieren machten die Forscher dabei keinen Unterschied.
4. Masturbieren hilft Männern gegen Depression.
Schauen wir mal. In der Tat masturbieren depressive Männer relativ häufig, so das Ergebnis einer Studie des Kinsey Institutes der Indiana University Bloomington. Der Sex mit sich selbst scheint ihnen Erleichterung zu verschaffen und hilft ihnen, sich auf positive Weise zu spüren.
Ob das Masturbieren Depressionen tatsächlich lindert, ist jedoch zu bezweifeln. Vermutlich handelt es sich eher um eine Art Ersatzbefriedigung. Kurzfristig mag Selbstbefriedigung den Männern helfen, von Dauer ist der Effekt wohl eher nicht. Bei Frauen mit Depression wurde der Zusammenhang noch nicht untersucht.
5. Das Spiel mit sich selbst erleichtert das Einschlafen.
Richtig. Orgasmen lösen physische und emotionale Spannungen, strengen den Körper an und machen uns dadurch müde. Während des Höhepunkts schüttet unsere Zirbeldrüse, ein Teil des Zwischenhirns, außerdem mehr Melatonin aus. Dieses Hormon sorgt dafür, dass uns die Augen schneller zu fallen.
6. Masturbieren macht sexsüchtig.
Falsch – zumindest gibt es hierfür keinerlei wissenschaftliche Anhaltspunkte. In der Tat wurde das „gesteigerte sexuelle Verlangen“, so die offizielle Bezeichnung für Sexsucht, mittlerweile in die ICD-10, die internationale Klassifikation von Krankheiten und Gesundheitsbeschwerden, aufgenommen. Trotzdem fällt es der Wissenschaft nach wie vor schwer, Sexsucht genau zu definieren. Entscheidend für die Diagnose ist nämlich nicht die Häufigkeit, sondern der Leidensdruck der Betroffenen. Zu viel Selbstbefriedigung wird jedoch an keiner Stelle als Risikofaktor erwähnt.