Übelkeit

Übelkeit

Edvard Munch | “Der Tag danach”, 1895
© picture alliance/akg-images

Was haben zu viel Alkohol, das Norovirus, Karussellfahren und der Geruch nach faulen Eiern gemeinsam? Richtig: Sie schlagen uns auf den Magen, bringen uns gar zum Erbrechen. So eklig es ist – Übelkeit wie Rückwärtsessen – beides tut unserem Körper oft auch gut.

Wie das? Übelkeit und Erbrechen sind körpereigene Schutzreflexe. Der Reflex richtet sich nicht nur gegen Salmonellen in unserem heißgeliebten – aber dummerweise aufgetauten und wieder eingefrorenen – Schokoladeneis, sondern auch gegen andere schädliche Stoffe oder krankmachende Viren. Das kongeniale Prinzip dahinter: Bakterien, Viren oder Gifte, die wir in die Toilette würgen, machen uns nicht krank. Gesteuert wird dieser intelligente Schachzug von unserem Brechzentrum.

Was ist das Brechzentrum?

Ein ausgeklügeltes Netzwerk neuronaler Verbindungen mit Sitz im unteren Bereich des Hirnstamms, der Medulla oblongata, an der Grenze zum Rückenmark. Wie genau die Brechzentrale aufgebaut ist, ist bislang allerdings nicht bekannt.

Fest steht jedoch: Unser Brechzentrum ist ein Kommunikationstalent. Um zu wissen, was im Körper so alles vor sich geht, ist es mit unserer Großhirnrinde – zuständig für Geruch und Gefühl –, dem Kleinhirn, unserem Gleichgewichtsorgan sowie dem Margen-Darm-Trakt verbunden. Übermittelt werden die von dort kommenden Informationen über den Nervus vagus, einen unserer wichtigsten Hirnnerven. Auch Neurotransmitter wie Dopamin und Serotonin können, wenn sie an bestimmte Rezeptoren im Brechzentrum andocken, das Kommando für Übelkeit und Erbrechen geben. Das Serotonin ist nämlich nicht nur ein Glücksmacherhormon, es reguliert auch unsere Darmbewegung. Über die Area postrema, ein zirkumventrikuläres Organ, das es sich ebenfalls zwischen Hirnstamm und Zwischenhirn gemütlich gemacht hat, erkennt unser Brechzentrum außerdem, wenn Giftstoffe in unserem Blut planschen.

Und was die Erfahrung lehrt: Das Brechzentrum ist sensibel. Manchmal reicht schon der Anblick oder der bloße Geruch eines bestimmten Gerichts und schon ist uns „zum Kotzen“ zumute. Selbst Stress kann uns auf den Magen schlagen.

Was hat es mit der Schwangerschaftsübelkeit auf sich?

Für den Körper einer schwangeren Frau ist der Fötus in der ersten Zeit ein Fremdkörper. Die Übelkeit ist ein Zeichen, dass ihr Immunsystem funktioniert und sich ihr Körper an die neue Situation anpasst. Aktiviert wird das Brechzentrum vermutlich durch den sich verändernden Hormonspiegel – allen voran durch die Ausschüttung des sogenannten Beta-HCGs (humanes chorionisches Gonadotropin). Das Schwangerschaftshormon wird im Mutterkuchen (Plazenta) gebildet; nach der Befruchtung steigt die Hormonkonzentration stark an. Auf welche Weise es das Gehirn beeinflusst, ist jedoch unklar. Sicher ist allerdings, dass manche Frauen stärker als andere auf das Hormon reagieren.

Auch psychische Belastungen wie Stress und Traurigkeit können Dauer und Schwere der Übelkeit beeinflussen. Aber keine Angst: Ab dem vierten Monat sind die üblen Attacken in der Regel wieder vorbei.

Warum wird manchen Menschen beim Schaukeln schlecht?

Grund ist ein Konflikt beim Austausch von Informationen. Das heißt: Die Informationen, die die Rezeptoren in unseren Muskeln und Gelenken sowie die Sinneszellen unseres Gleichgewichtsorgans im Innenohr ans Brechzentrum senden, stimmen nicht mit dem überein, was unsere Augen ihm mitteilen. Der unbewegte Raum, den wir beispielsweise auf hoher See in unserer Kabine sehen, passt nicht zu dem, was wir fühlen: Wellen und Geschaukel.

Auf die Unstimmigkeit reagiert unser Brechzentrum, in dem es Stresshormone ausschütten lässt – unter anderem das Hormon Histamin. Die Folge: Zirkulieren zu viele dieser Hormone im Blut, wird uns übel. Gegen Seekrankheit können deshalb sogenannte Antihistamin-Kaugummis helfen. Der Begriff Übelkeit kommt übrigens aus dem Altgriechischen nautía ἡ ναῦτία und heißt „Seekrankheit“.

Wie kommt es zum Erbrechen?

Werden dem Brechzentrum beispielsweise Krankheitserreger gemeldet, schlägt es Alarm. Bauch- und Zwerchfell ziehen sich ruckartig zusammen und der Mageninhalt wird nach außen befördert, sprich wir übergeben uns.

Wichtig: Erbrechen reizt nicht nur die Speiseröhre, der Körper verliert auch Flüssigkeit und Mineralien. Da ist also fleißiges Trinken angesagt. Hört die Übelkeit gar nicht mehr auf, sollte man zum Arzt gehen. Denn hinter dem üblen Gefühl kann auch eine ernsthafte Krankheit stecken – etwa eine Nahrungsmittelunverträglichkeit, Gallensteine oder eine Magenschleimhautentzündung (Gastritis).

Warum werden wir, wenn uns übel ist, oft kreideweiß?

Das Brechzentrum ist nicht nur mit zahlreichen Sinneszellen sowie unserem Blutkreislauf verbunden, sondern über den Nervus Vagus auch mit dem parasympathischen Nervensystem. Schlägt das Brechzentrum Alarm, setzt es unseren Speichelfluss in Gang, sorgt dafür, dass unsere Pupillen sich weite und der Schweiß läuft. Dazu sinkt unser Blutdruck und wir werden blass.

Was hilft gegen den üblen Magen?

Zuallererst: Aushalten, der Schutzfunktion des Körpers vertrauen und abwarten, bis das Ärgste überstanden ist. Bei chronischen Erkrankungen oder der Fahrt zur See können Medikamente wie die Antihistamine helfen. Manche Menschen schwören auch auf das Baden in Lavendelblüten, auf Akupunktur oder Pfefferminztee – ob sich das Brechzentrum durch die Hausmittelchen wirklich besänftigen lässt, muss allerdings jeder selbst ausprobieren. Unwichtig scheint übrigens zu sein, wie viel wir vorher gegessen haben: Das Brechzentrum arbeitet leider auch bei leerem Magen.