Irgendwie will das Bild einfach nicht scharf werden: Viele Menschen haben eine Hornhautverkrümmung. Sie macht sich beim Sehen durchaus bemerkbar – auch wenn einige gar nicht wissen, dass sie betroffen sind. Doch die Verkrümmung muss das Sehen nicht einschränken.
Viele wissen gar nicht, dass sie eine haben – und wenn sie es erfahren, erschrecken sie beim Namen: Hornhautverkrümmung. Das klingt bedrohlich, als wäre ein wichtiger Teil des Auges irgendwie kaputt – oder zumindest krumm. „Ich glaube, das ist in der Bevölkerung ein Begriff, der viele verunsichert“, sagt Stefan Bandlitz von der Höheren Fachschule für Augenoptik in Köln.
Doch eine Hornhautverkrümmung ist keine Krankheit und auch kein Grund zur Sorge. „Das ist etwas ganz Normales“, erklärt Bandlitz. „Eine Normvariante.“ Oft wird der Astigmatismus – das ist der Fachbegriff – automatisch beim Optiker mit der Brille korrigiert, ohne dass der Brillenträger davon erfährt.
Netzhaut bündelt einfallende Lichtstrahlen nicht gleichmäßig
Ohne eine Korrektur sehen Betroffene nicht scharf. Während Kurzsichtige verschwommen sehen, verzieht sich das Bild bei einer Hornhautverkrümmung. Professor Thomas Kohnen von der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft vergleicht das mit einem Verzerrspiegel. „Das ist wie, wenn sie auf der Kirmes vor diesem Spiegel stehen und der Körper ganz langgezogen ist.“
Das liegt daran, dass durch die je nach Richtung unterschiedliche Krümmung der Hornhaut die ins Auge einfallenden Lichtstrahlen auf der Netzhaut nicht zu einem Punkt gebündelt werden. Stattdessen werden die Lichtstrahlen an manchen Stellen stärker gebündelt und an anderen schwächer – sie werden ungleich gebrochen. Schließlich werden sie als Linie – als Stab – abgebildet. Früher nannte man daher den Astigmatismus Stabsichtigkeit. „Aber das ist ein eher veralteter Begriff“, sagt Bandlitz.
Professor Michael Knorz vom Berufsverband der Augenärzte Deutschlands beschreibt die Form der Hornhaut als amerikanischen Football. „Die Hornhaut sieht nicht aus wie eine Kugel, sondern ist verkrümmt.“ Astigmatismus ist in der Regel angeboren und vererbbar – er trifft gehäuft in Familien auf. Je schwächer die Verkrümmung ist, desto weniger spüren sie Betroffene beim Sehen. Knorz schätzt, dass sie die Verkrümmung erst ab einem Wert von 0,75 Dioptrien wahrnehmen. Wie Kurzsichtigkeit und Weitsichtigkeit wird auch die Hornhautverkrümmung in Dioptrien angegeben.
Kontaktlinsen sind nicht Tabu
Ob jemand eine Hornhautverkrümmung hat und wie stark diese ist, lässt sich zum Beispiel mit einem Blick in den Brillenpass herausfinden. Dort finden Betroffene unter der Abkürzung „cyl“ oder „zyl“ den Wert für den Zylinder, der das Ausmaß der Hornhautverkrümmung in Dioptrien mit einem Minus davor angibt.
Betroffene müssen den Astigmatismus nicht zwingend mit einer Brille oder Kontaktlinsen ausgleichen. „Wenn sie es machen, sehen sie allerdings besser“, erklärt Professor Knorz. Wer sich für eine Brille entscheidet, bekommt dann sogenannte torische Brillengläser. Die können sich im Preis bemerkbar machen. „Es ist wie bei einem Anzug oder einem Kleid nach Maß“, erklärt Knorz. „In dem Moment, wo die Ansprüche höher werden, wird es auch ein bisschen teurer.“ Allerdings ist der Preisunterschied heute nicht mehr so gravierend wie noch vor einigen Jahren und hängt immer von der Wahl der Gläser ab.
Betroffene können den Astigmatismus auch mit Kontaktlinsen ausgleichen. Das Gerücht, mit einer Hornhautverkrümmung seien Kontaktlinsen tabu, ist heute noch weit verbreitet. „Das liegt auch daran, dass man Kontaktlinsen früher nicht so speziell fertigen konnte“, erklärt Stefan Bandlitz. Heute ist das anders. Je stärker die Verkrümmung, desto besser eignet sich sogar eine Kontaktlinse. Denn im Gegensatz zum Brillenglas, das einen gewissen Abstand zum Auge hat, sitzt die Linse direkt an der Stelle, wo der Sehfehler entsteht.
Auch die Kontaktlinsen können unter Umständen etwas teurer sein. „Viele sagen dann “Ach, die Linsen trage ich doch selten oder nur zum Sport” und verzichten darauf, die Verkrümmung wie bei der Brille auch mit der Kontaktlinse voll auszugleichen“, sagt Bandlitz. Dabei könnten sie damit auch bei geringer Hornhautverkrümmung viel besser sehen.
Verkrümmung bleibt meistens konstant
Auch Lasern ist eine Option, den Astigmatismus zu behandeln. Bis zu fünf Dioptrien ist das möglich, erklärt Professor Kohnen. Ab sechs Dioptrien wird davon abgeraten. Allerdings ist es möglich, dass die Hornhautverkrümmung nach dem Lasern zumindest teilweise zurückkommt. Die Wahrscheinlichkeit ist umso größer, je höher die Verkrümmung war.
Wer die Verkrümmung mit einer Brille oder Kontaktlinse ausgleicht, verbessert oder verschlechtert den Wert auf Dauer nicht. „Er bleibt im Verlauf des Lebens relativ konstant“, sagt Kohnen. Kleinere Schwankungen sind aber durchaus möglich. Verschlechtert sich der Wert allerdings stark, sollten Betroffene misstrauisch werden. Es kann sich um die seltene Krankheit Keratokonus handeln. Hier dünnt sich die Hornhaut immer weiter aus.
In der Regel ist eine Hornhautverkrümmung aber harmlos. Und wer sich mit Freunden oder Kollegen darüber unterhält, wird feststellen, dass er damit nicht alleine ist. Denn der Astigmatismus ist weit verbreitet. Je nach Stärke sind zwischen 40 bis 80 Prozent der Menschen davon betroffen. Viele wissen gar nichts davon.
Von Julia Naue (dpa)