„Von solchen Daten können Wissenschaftler nur träumen“

Das Berliner Start-up Clue hat eine App entwickelt, die den Verlauf des weiblichen Zyklus trackt und vorausberechnet. Die gespeicherten Daten wertet das Unternehmen gemeinsam mit Forschern aus.

„Wie stark ist deine Blutung?“, „Wann war deine letzte Periode?“, „Hattest du dabei Schmerzen?“ – je mehr persönliche Informationen Frauen der Clue-App anvertrauen, desto genauer prognostiziert sie den Verlauf des nächsten Zyklus. Wer will, den erinnert die App sogar daran, neue Tampons zu kaufen.

Ida Tin, Mitgründerin und Geschäftsführerin von Clue (die App trägt den gleichen Namen wie das Start-up), geht es jedoch nicht nur darum, den Nutzerinnen ihren Alltag zu erleichtern. Clue soll Frauen helfen, ihren Körper besser zu verstehen.

Hierfür arbeitet die Dänin eng mit renommierten Universitäten wie Harvard, Stanford, Washington und Columbia zusammen und stellt ihnen die Daten ihrer Nutzerinnen zur Verfügung. „Denn je mehr Zyklus-Daten die Wissenschaftler auswerten können“, ist Tin überzeugt, „desto präziser können sie die Gesundheit von Frauen erforschen und diese verbessern.“

Zyklus-Apps

Der durchschnittliche Menstruationszyklus einer Frau dauert 28 Tage. Wie lang er tatsächlich ist, ist individuell verschieden und kann durch die Ernährung, Stress oder Krankheiten wie eine unerkannte Endometriose beeinflusst sein. Zyklus-Apps helfen, den Verlauf des Zyklus zu dokumentieren und berechnen, wann die nächste Menstruation einsetzen wird. Viele Frauen nutzen Zyklus-Apps auch, um eine Schwangerschaft besser zu planen. Zur Verhütung sollten Frauen sie jedoch nicht benutzen, denn der weibliche Zyklus ist nicht immer regelmäßig.

Mehr als ein einfaches Menstruationstagebuch

Bereits heute wird Clue von mehr als vier Millionen Frauen in über 190 Ländern aktiv genutzt. Darunter Jugendliche, Schwangere, Frauen in den Wechseljahren und über 60-Jährige. „Das ist eine Datensammlung“, so Tin, „von der Wissenschaftler bislang nur träumen konnten.“ Zum Vergleich: Eine der bislang größten Langzeitstudien zur Erforschung des weiblichen Zyklus ist die Studie* der Wissenschaftler Alan E. Treloar und Ruth E. Boynton mit gerade mal 2702 Teilnehmerinnen. Clue bringt es innerhalb eines einzigen Monats auf mehr als doppelt so viele Datensätze.

Im Grunde funktioniert die App wie ein Menstruationstagebuch. Die Frauen geben an, wann ihre Periode beginnt, wie stark sie ist und wann sie wieder nachlässt. Auf der Grundlage dieser Daten berechnet ein lernender Algorithmus ihren Zyklus. Um den Forschern mehr Datenmaterial an die Hand zu geben, können die Nutzerinnern Auskunft darüber geben, wie sie sich während oder vor ihrer Periode fühlen, ob sie Appetit haben, müde sind, Verhütungsmittel benutzen oder Lust auf Sex haben – natürlich nur freiwillig.

Ida Tin © Clue

Ida Tin © Clue

Die gewonnen Daten gibt Clue dann an die Partneruniversitäten weiter. In aktuellen Forschungsprojekten geht es etwa um die Frage, wie Verhütung und Lebensstil sich auf die Menstruation auswirken oder wie chronische Krankheiten den Zyklus beeinflussen. „Sind diese Mechanismen erst einmal entschlüsselt“, hofft Tin, „lässt sich vielleicht auch bald eine Erkrankung wie Brustkrebs früher erkennen.“

Privatsphäre und Sicherheit gehen vor

Susanne Mauersberg von der Verbraucherzentrale Bundesverband hat nichts gegen die Zusammenarbeit von Forschern und einem Start-up wie Clue einzuwenden. „Vorausgesetzt, die Nutzerinnen wissen, was mit ihren Daten passiert und das Unternehmen beachtet die Regeln des Datenschutzes.“

Um die Privatsphäre der Nutzerinnen und den Schutz ihrer Daten zu gewährleisten, werden alle gesammelten Daten nur anonymisiert weitergegeben. Wer bei den Studien nicht mitmachen will, kann die Teilnahme verweigern oder die App herunterladen, ohne ein persönliches Benutzerkonto anzulegen.

 

*Die Studie „Die Vielfalt des menschlichen Menstruationszyklus während des gebärfähigen Alters“ (eng. Variation of the human menstrual cycle through reproductive life) erschien 1967 im „International Journal of Fertility“.