Mit Gesten und Mimik überbrückt Sabine Voss eine unsichtbare Kluft, die viele Gehörlose umgibt. Seit 15 Jahren arbeitet sie in einem seltenen Beruf: als Gebärdensprachdolmetscherin.
Sie ist zwar keine Hebamme und auch keine Ärztin. Dennoch hat Sabine Voss bei einer Geburt mitgeholfen – als Gebärdensprachdolmetscherin. Die 36-Jährige hat die gehörlose Mutter auch bei Vorsorgeuntersuchungen und Nachsorgeterminen unterstützt. Eine bewegende Erfahrung, wie sich die Frankfurterin erinnert. Ihr ungewöhnlicher Beruf hat auch schon dazu geführt, dass sie neben dem Dalai Lama auf der Bühne stand. Auch bei den Feierlichkeiten zum Tag der deutschen Einheit in Frankfurt war sie dieses Jahr im Einsatz.
Zur richtigen Zeit am richtigen Ort
Bereits mit 13 Jahren fing Voss an, aus Interesse die Gebärdensprache zu lernen. Bis zum Abitur beherrschte sie sie fließend, studierte aber zunächst Pädagogik. Zu ihrem heutigen Beruf kam sie eher zufällig, als sie hörte, dass jemand gesucht wird, um drei gehörlose Kinder zur Schule zu begleiten. „Da war ich zur richtigen Zeit am richtigen Ort“, sagt Voss rückblickend.
Sie entschloss sich, berufsbegleitend ein weiterbildendes Studium zur Gebärdensprachdolmetscherin zu machen. Seit 15 Jahren arbeitet sie inzwischen als solche und kennt auch die Schattenseiten: „Manchmal werde ich zu Gesprächen hinzugezogen, deren Inhalte belastend sind. Diese hängen einem aber nach und beschäftigen einen noch eine Weile.“ Deshalb trifft sie sich öfter mit Kollegen, um sich auszutauschen.
Zu wenig Dolmetscher
Der Beruf des Gebärdensprachdolmetschers ist in Deutschland selten. Es gibt „auf jeden Fall deutlich zu wenige“, sagt ein Sprecher des Deutschen Gehörlosen-Bundes. Er schätzt, dass es bundesweit nur 400 bis 600 sind. Ihnen gegenüber stehen etwa 80.000 Gehörlose. Außerdem gelten laut Gehörlosen-Bund rund 16 Millionen Menschen als schwerhörig, teils so sehr, dass auch sie einen Dolmetscher brauchen.
Der Weg zum Gebärdensprachdolmetscher ist mit dem Studium einer Fremdsprache vergleichbar. Es gibt wie bei einer gesprochenen Sprache eine eigene Grammatik, Dialekte, Sprichworte und sogar Lyrik. Für jede Sprache gibt es eine eigene Gebärdensprache, daneben gibt es eine internationale. Sie wird beispielsweise bei Konferenzen benutzt und ist mit dem Englischen als Weltsprache vergleichbar.
Umdenken in der Bildung
Dass es so viel weniger Gebärdensprachdolmetscher gebe als benötigt, liege auch an den Ausbildungsmöglichkeiten, sagt der Sprecher. In ganz Deutschland sind das gerade mal acht Ausbildungsstätten – eine davon ist die Hochschule Fresenius in Idstein.
Die dortige Studiendekanin Carla Wegener fordert, die Gebärdensprache als Wahlpflichtfach an Schulen einzuführen. Denn es fehle an breiter gesellschaftlicher Akzeptanz. Außerdem müsse bei den Bildungschancen für Gehörlose umgedacht werden. So werde die Gebärdensprache selbst an Schulen für Betroffene nicht immer genutzt und damit den Kindern das Lernen erschwert, sagt Carla Wegener.
Gehörlos ist auch Barbara Rott. Sie habe eigentlich bei Unterhaltungen keine Probleme, aber viele Hörende seien irritiert, wenn man beim Gespräch nicht sie, sondern den Dolmetscher anschaue.
Die Mimik spricht mit
Auch müsse verstanden werden, dass Mimik und Körperhaltung dazu gehören, sagt Rott. So entscheide der Gesichtsausdruck mit, ob es sich um eine Frage oder Aussage handele. Außerdem gelinge es Hörenden nicht immer, Dolmetscher und Gehörlosen auseinanderzuhalten – ein Phänomen, das Sabine Voss selbst schon oft im Sprechzimmer erlebte. „Ich übersetze für den Patienten zum Beispiel ‚Ich habe Halsschmerzen’, woraufhin mich der Arzt fragt, ob ich auch krank sei.“
Von Ines Klose (dpa)