Barrierefreiheit in Deutschland: Was hat sich in den letzten 10 Jahren getan?

Am 26. März 2009 trat in Deutschland die Behindertenrechtskonvention in Kraft. Darin enthalten ist auch das Recht auf den barrierefreien Zugang zu öffentlichen Gebäuden und Information. Mit Hilfe ihrer Onlinekarte Wheelmap.org haben die Sozialhelden nun untersucht, wie sich die Rollstuhlgerechtigkeit in Deutschland entwickelte.

In Artikel 9 der Behindertenrechtskonvention steht, dass die Vertragsstaaten „geeignete Maßnahmen“ treffen sollen, um „Menschen mit Behinderungen eine unabhängige Lebensführung und die volle Teilhabe in allen Lebensbereichen zu ermöglichen (…) mit dem Ziel, für Menschen mit Behinderungen den gleichberechtigten Zugang zur physischen Umwelt, zu Transportmitteln, Information und Kommunikation“ zu sichern. Seitdem wurden in vielen Städten und Gemeinden in Deutschland Maßnahmen ergriffen.

So funktioniert Wheelmap.org

Wheelmap basiert auf OpenStreetMap – einem Projekt mit dem Ziel, eine digitale Karte der Welt zu schaffen, die jeder frei nutzen darf. Alle Geodaten, die auf Wheelmap.org gesammelt werden, leitet die Software an OpenStreetMap weiter. Die Daten gehören somit nicht einem einzelnen Plattformbetreiber, sondern allen. Selbst wenn es den Verein Sozialhelden also einmal nicht mehr geben sollte, bleiben den Usern die Informationen über rollstuhlgerechte Orte erhalten.

Die interaktive Onlinekarte Wheelmap hat der Verein Sozialhelden im Jahr 2009 entwickelt. Seit dem wurden gut 960.000 öffentlich zugängliche Orte wie Cafés, Supermärkte, Geschäfte, Museen und Schulen eingetragen und bewertet. Etwa 490.000 dieser Orte befinden sich in Deutschland. Die Ergebnisse stellen die Sozialhelden uns hier vor. Natürlich sind diese Daten nicht repräsentativ. Dennoch geben sie einen guten Einblick, wie es aktuell um die Rollstuhlgerechtigkeit in Deutschland bestellt ist.

 

 

Die Entwicklung der Rollstuhlgerechtigkeit in Deutschland

 

Ebene der Länder
In den deutschen Landeshauptstädten liegt nach aktuellem Stand der Daten auf Wheelmap.org und OpenStreetMap.org der Anteil der voll rollstuhlgerechten Orte – bewertet anhand der Stufenlosigkeit des Eingangs und der Stufenlosigkeit in den Innenräumen – zwischen 47,6 und 72,6 Prozent. Spitzenreiter in der Rollstuhlgerechtigkeit ist Schwerin, die Landeshauptstadt von Mecklenburg-Vorpommern. Danach folgen Bremen (64,7 Prozent), Hannover (61,9 Prozent) und Hamburg (61,8 Prozent). Düsseldorf bildet das Schlusslicht mit 47,6 Prozent.

 

Ebene des Bundes
Auch auf Bundesebene schneidet der Norden am besten ab. Überraschend ist, dass sich Brandenburg mit 62,3 Prozent nach Bremen mit 64,7 Prozent auf den zweiten Platz schiebt. Nordrhein-Westfalen steht in Sachen Rollstuhlgerechtigkeit insgesamt hingegeben viel besser da als seine Landeshauptstadt Düsseldorf. Den geringsten Anteil rollstuhlgerechter Orte gibt es laut Wheelmap.org in Sachsen (50,5 Prozent). Den höchsten Anteil nicht rollstuhlgerechter verzeichnet Sachsen-Anhalt mit 30,3 Prozent.

 

Die Entwicklung der letzten 5 Jahre
So schlecht hört sich das alles gar nicht an. Aber wie hat sich die Rollstuhlgerechtigkeit in den letzten Jahren entwickelt: Verglichen mit den Zahlen von 2014 liegt der höchste Zuwachs an rollstuhlgerechten Orten bei 8,3 Prozent in Bayern. Hier ist gleichzeitig auch der Anteil nicht rollstuhlgerechter Orte gesunken. Bei den meisten Bundesländern liegt der Zuwachs hingegen eher im Bereich von 3,5 bis 5,5 Prozent. Außer Bayern liegen noch Niedersachsen (7,4 Prozent),  Saarland (6,6 Prozent) und Brandenburg (5,7 Prozent) über diesem Bereich. Auffällig ist, dass es in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern eine Zunahme in den Anteilen der nicht rollstuhlgerechten Orte gab – in Sachsen-Anhalt hat der Anteil rollstuhlgerechter Orte in den letzte fünf Jahren dagegen sogar abgenommen.

Das Fazit der Sozialhelden

Die Zahlen von Wheelmap.org zeigen, dass sich die Rollstuhlgerechtigkeit in Deutschland seit 2014 im Schnitt verbessert habe. Der positive Trend sei jedoch noch ausbaufähig, meint der Gründer der Sozialhelden Raul Krauthausen. Um der UN-Behindertenrechtskonvention gerecht zu werden,müssten öffentliche Hand und Privatwirtschaft daher mehr Verantwortung übernehmen.

Der Artikel ist zuvor bei wheelmap.org erschienen. Autorin ist die Sozialheldin Svenja Heinecke. Die Grafiken stammen von Ulrike Ulbricht und Adina Hermann.