Hoffnung für Millionen Diabetiker?

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Durch konsequente Veränderungen im Lebensstil könnten Millionen Typ 2-Diabetiker ihre Blutzuckerwerte wieder verbessern – umso wirksamer, je früher man damit beginnt.

Im Jahr 1989 stand die US-amerikanische Schauspielerin Halle Berry für die TV-Serie „Living Dolls“ vor der Kamera. An einem der Drehtage fiel sie in Ohnmacht. Die Diagnose der Ärzte: Diabetes. Gut 17 Jahre später, im Jahr 2006, berichtete Halle Berry, kein Insulin mehr zu brauchen. Geschafft habe sie das durch einen angepassten Lebensstil.

Stellen Menschen mit Diabetes Typ 2 konsequent ihre Ernährung um, bewegen sie sich regelmäßig, vermeiden sie Stress und Gifte wie Nikotin und Alkohol, dann bildet sich die Krankheit in vielen Fällen tatsächlich zurück. Nach Schätzungen der Deutschen Diabetes-Stiftung (DDS) könnten auf diese Weise rund drei Millionen Betroffene in Deutschland ohne Medikamente auskommen – oder zumindest mit deutlich weniger. „Je früher die Lebensstiländerung stattfindet, desto Erfolg versprechender ist sie“, erklärt Professor Thomas Haak, Chefarzt am Diabetes Zentrum Mergentheim.

Wie wird Diabetes diagnostiziert?

Diabetes mellitus macht sich meist durch Symptome wie Harndrang, Durst und Müdigkeit bemerkbar. Der Typ-1-Diabetes wird in der Regel bereits im Jugendalter diagnostiziert. Diabetes Typ 2 bleibt dagegen oft lange Zeit unentdeckt. Die Symptome entwickeln sich meist schleichend, weshalb die Betroffenen sie oft nicht als besorgniserregend wahrnehmen. Das Deutsche Zentrum für Diabetesforschung (DZD) empfiehlt daher eher, regelmäßig zu Vorsorgeuntersuchungen zu gehen und den Blutzucker bestimmen zu lassen.

Angriff auf die Blutgefäße

Die Nationale Versorgungsleitlinie (NVL) für Diabetes empfiehlt, Menschen mit einem Blutzuckerwert zwischen 110 und 126 Milligramm pro Deziliter Blut (gemessen im nüchternen Zustand vor dem Frühstück) nicht gleich mit Medikamenten zu behandeln, sondern sie zunächst in Sachen Ernährung und Lebensstil zu beraten. „Diese Menschen sind noch keine Diabetiker“, sagt Rüdiger Landgraf von der DDS, der die Nationale Versorgungsleitlinie mit erarbeitet hat, „doch das Risiko, die Krankheit zu entwickeln, ist bei ihnen hoch.“

Die frühe Intervention, so die Hoffnung, soll die Entwicklung der Krankheit unterbinden. Doch nicht alle Diabetes-Experten stimmen dem zu. Denn schon ab einem Blutzuckerwert von 115 Milligramm pro Deziliter Blut könnten wichtige Blutgefäße angegriffen werden, sagt Thomas Haak. Und so erhöhe sich das Risiko, später eine Herz-Kreislauf-Krankheit zu entwickeln. Auch die Umstellung der Ernährung falle vielen Betroffenen schwer.

Haak sieht die Empfehlung der NVL deshalb kritisch. Auch er ist für Ernährungsberatung, schließt die Kombination mit einer medikamentösen Therapie jedoch nicht aus: „Nimmt der Patient ab und pendelt sich sein Blutzucker wieder ein, können wir die Tabletten schließlich immer noch absetzen.“ Doch alle Änderungen in Lebensstil und Ernährung greifen nur, wenn sie nachhaltig umgesetzt werden: „Deshalb ist es so wichtig, dass die Patienten Verantwortung für sich und ihre Krankheit übernehmen“, sagt Thomas Haak.

Was kann ich gegen Diabetes Typ 2 tun?

Die meisten Typ-2-Diabetiker sind übergewichtig. Für sie ist das Wichtigste: Abnehmen und Bewegung. Beides verbessert die Insulinempfindlichkeit der Zellen. Einfallstor für versteckten Zucker sind vor allem Getränke wie Cola und Saft. Aber auch Rauchen und Alkohol steigern das Risiko, einen Diabetes Typ 2 zu entwickeln.

„Ich habe meinen Diabetes lange ignoriert“

Menschen mit Diabetes Typ 1 haben diese Chance nicht. Bei ihnen produziert die Bauchspeicheldrüse gar kein Insulin mehr. Die Betroffenen sind daher ein Leben lang auf das Spritzen von Insulin angewiesen. Gesunde Ernährung und ausreichend Bewegung können aber auch ihnen helfen, den Blutzucker besser im Griff zu behalten. Diese Erfahrung hat Elke Ederer gemacht. Die 31-Jährige lebt seit 19 Jahren mit der Diagnose Diabetes Typ 1.

Auf ihrem Blog „Einfach Zucker“ berichtet sie über die Krankheit und berät andere Betroffene in Ernährungsfragen. „In der Pubertät wollte ich mich mit der Stoffwechselkrankheit nicht auseinandersetzten“, erzählt Ederer. Doch sie erkannte dann, dass das Ignorieren ihres Diabetes auch schlimme Folgen haben kann. Nach wie vor werden in Deutschland pro Jahr rund 40.000 Fußamputationen vorgenommen, als Folge des diabetischen Fußsyndroms. Auch die meisten Dialysepatienten hierzulande sind Diabetiker. „Als mir klar wurde, dass diese Spätfolgen auch mich betreffen können, begann ich meine Krankheit ernst zu nehmen“, sagt die Bloggerin.

Von da an dachte Ederer darüber nach, was der Biss ins Nutella-Brötchen für ihren Blutzucker bedeutet – und was Zucker und Fette dann in ihrem Körper auslösen. „Ich lernte meinen Körper neu kennen“, sagt sie, „und veränderte meinen Lebensstil.“ Heute geht es ihr nicht nur besser – sie muss auch deutlich weniger Insulin spritzen.