Immer langsam: Beim Einstieg ins Laufen auf den Körper hören

© dpa

© dpa

Wer mit dem Laufen beginnt, sollte zunächst nicht leistungsorientiert denken. Denn der Körper braucht Zeit, um sich an die neue Belastung zu gewöhnen. Erst dann kann das Joggen seine positive Wirkung auf die Gesundheit entfalten.

Wenn die Tage im Frühjahr länger werden und die Temperaturen steigen, packt viele Menschen die Lauf-Lust. Doch gerade Anfänger oder Wiedereinsteiger sollten es mit dem Ehrgeiz nicht übertreiben. Um sich nicht zu überlasten, sollte man es grundsätzlich langsam angehen lassen, sagt Patrik Reize, Ärztlicher Direktor der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie im Klinikum Stuttgart.

„Für Lauf- und Wiedereinsteiger ist es gerade in den ersten Wochen wichtig, nicht zu schnell und nicht zu lange zu laufen”, erklärt Reize und empfiehlt für die Startphase ein intervallartiges Training: „Einige Minuten Laufen sollten sich mit Gehpausen abwechseln.” Ab einem Alter von 40 Jahren sei vor dem regelmäßigen Laufen zudem eine medizinische Untersuchung ratsam.

Prof. Thomas Wessinghage, Chefarzt des Medical Park in Bad Wiessee, rät aber auch dazu, auf das eigene Körpergefühl zu achten. „Wenn der Körper mit Wohlbefinden reagiert, dann macht man sicher keinen großen Fehler”, erklärt der frühere Weltklasse-Leichtathlet. Tempo und Streckenlänge ließen sich dann nach und nach steigern.

Eine Möglichkeit zu Beginn sei es, auch mal ein Stück einen Berg hochzugehen. „Dann merkt man, wie es sich anfühlt, wenn man sich stark belastet”, so Wessinghage. Wenn dabei Beklemmungen oder Schmerzen auftreten, sollte man zum Arzt gehen.

Für Übergewichtige ist ein Wechsel von Nordic Walking und Joggen empfehlenswert

Übergewichtigen rät er, zunächst über das (Nordic) Walking in die Bewegung zu finden und dann kurze Strecken zu joggen. Nach einer Intervallphase mit dreiminütigen Laufphasen, die von zweiminütigen Pausen unterbrochen sind, könne man auch längere Strecken langsam laufen – und mit der Zeit etwas schneller.

Um Verletzungen vorzubeugen, spielen aber auch die Laufschuhe eine Rolle. Diese sollten eine gewisse Dämpfung haben, erklärt Reize. Fachverkäufer empfehlen in der Regel, den Laufschuh etwa eine Nummer größer zu kaufen als den normalen Alltagsschuh. Der Grund: Der Fuß rutscht beim Joggen hin und her und braucht daher nach vorne Platz. Laufen sollte man möglichst auf Waldboden oder einem anderen weichen Untergrund, rät Reize.

Der Orthopäde betont, dass jeder Schritt Gelenke und Knochen etwa mit dem Zweieinhalb- bis Dreifachen des eigenen Körpergewichts belastet. „Dabei benötigen insbesondere die langsam wachsenden Strukturen wie Knochen, Knorpel und Sehnen Monate, bis sie auf die neue Belastungsanforderung strukturell reagiert haben.” Zu hartes und intensives Training kann deshalb zu Überlastungsschäden führen.

„Gerade das Knie ist am häufigsten betroffen, gefolgt von Sprunggelenk, Achillessehne und Fuß. Rund ein Drittel bis die Hälfte der Läufer klagen im ersten Jahr über Verletzungen und Überlastungsschäden”, betont der Stuttgarter Mediziner.

Ergänzendes Krafttraining gibt dem Körper Stabilität

Um dem Körper mehr Stabilität zu geben und ihn vor Verletzungen zu schützen, empfiehlt Wessinghage ein ergänzendes Krafttraining. „Man sagt ja umgangssprachlich: Mit dem Ausdauertraining lebt man länger, mit dem Krafttraining besser.”

Zweimal pro Woche müsse man trainieren, um die muskulären Fähigkeiten zu erhalten, bei drei Einheiten pro Woche verbessere man sie, erklärt Wessinghage. Weil der Gang ins Fitnessstudio zeitintensiv ist, könne man auch zu Hause Übungen machen. Dabei reichten oft schon 10 bis 15 Minuten.

Reize rückt dabei die beim Laufen besonders beanspruchte Streckerkette, also Wadenmuskel, vorderer Oberschenkel- und Gesäßmuskel, sowie die für die Haltearbeit verantwortliche Rumpfmuskulatur an Bauch und Rücken in den Blickpunkt. Denn beide Bereiche neigten durch den heutzutage vorwiegend sitzenden Lebensstil zur Schwäche.

Wie ein Trainingsplan für Breitensportler aussehen könnte, beschreibt der Tübinger Sportwissenschaftler und Ernährungsexperte Wolfgang Feil in seinem Buch „Lauf Dich gesund”. Zwar ist das Programm relativ ambitioniert, weil es vier Übungseinheiten pro Woche vorsieht, dennoch führt es langsam und vorsichtig an längere Distanzen heran.

Mit vierwöchiger Vorlaufphase beginnen

Für Einsteiger sieht Feil vor dem eigentlichen Training eine „Vier-Wochen-Vorlaufphase” vor. Neben leichten Bewegungseinheiten wie Spaziergängen oder lockerem Schwimmen empfiehlt er Mobilisierungs- und Stabilisationsübungen wie Beinschwung oder Standwaage. Dabei baut der Körper eine stabile Mitte auf, erklärt der Biologe.

Erst danach beginnt das Trainingsprogramm, das aus verschiedenen Elementen besteht. Die Übungen zur Mobilisierung und Stabilisation wechseln sich ab mit kurzen Geh- oder Laufphasen.

Nach und nach wird die Belastung gesteigert, in der achten Woche ist erstmals ein längerer Lauf von 20 Minuten vorgesehen. Feil will die Läufer bis zu einer Zehn-Kilometer-Distanz oder einem Halbmarathon führen, man kann es aber auch bei kürzeren Strecken belassen.

Wessinghage sieht übrigens keine unterschiedlichen Herangehensweisen für jüngere oder ältere Menschen. „Ich unterscheide nach Leistungs-, nicht nach Altersstufen. Der 25-jährige Übergewichtige kann ja viel schlapper sein als der drahtige 65-Jährige.”

Von Matthias Jung (dpa)