Kaffee kann auch Schlaftablette

© picture alliance/Mika Schmidt

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Dass Koffein wach hält, weiß jeder. Tatsächlich ist die im Kaffee enthaltene Substanz jedoch janusköpfig. Gewusst wie, kann sie dem Menschen sogar beim Einschlafen helfen.

Der aufputschende Effekt von Kaffeebohnen ist seit Jahrhunderten bekannt. Die erste überlieferte Beschreibung stammt vom syrischen Mönch Faustus Naironus Banesius, datiert auf das Jahr 1671. Demnach suchte ein durch Übermüdung verzweifelter Hirte aus dem Königreich Kaffa* Rat in einem Kloster. Seine Ziegen verweigerten den Schlaf, und zwar tags wie nachts. Basenius’ Amtskollegen fanden schnell heraus, dass die Tiere Unmengen kleiner roter, gelber und grüner Früchte fraßen. Im mutigen Selbstversuch testeten die Mönche die auf den ersten Blick kirschartigen Beeren und entdeckten so die belebende Wirkung des Kaffees.

Koffein als Muntermacher

Sind wir wach, tauschen unsere Nervenzellen Botenstoffe aus. Dabei verbrauchen sie viel Energie. Um das Gehirn vor „Überanstrengung“ zu schützen, wird Adenosin gebildet, eine chemische Substanz, die auch als Neuromodulator bezeichnet wird. Das Adenosin besetzt bestimmte Rezeptoren auf den Nervenbahnen und verringert die Ausschüttung von Adrenalin und Dopamin. Beide sind Neurotransmitter, die den Körper wach machen. Dieser Vorgang signalisiert den Nervenzellen, weniger zu arbeiten. Das Ergebnis: Wir werden müde.

Der chemische Aufbau von Koffein ähnelt dem des Adenosins. Auf den Nervenbahnen besetzt es dieselben Rezeptoren. Wo Koffein angedockt hat, findet Adenosin keinen Platz mehr. Folglich steigt die Adrenalin- und Dopamin-Konzentration im Blut an. Der Mensch bleibt aktiv, obwohl er eigentlich eine Pause bräuchte.

Kaffee wirkt individuell

Wie lange die Wirkung koffeinhaltiger Getränke andauert, hängt vor allem von der Fitness unserer Leber und Lebensalter ab. Die kann bei Menschen sehr unterschiedlich sein, wissen Schlafforscher von der Universität Zürich. So halbiert sich die Koffeinkonzentration im Blut bei Jugendlichen und Erwachsenen beispielsweise schon nach zweieinhalb bis fünf Stunden. Bei Säuglingen und Kleinkindern kann das bis zu 100 Stunden dauern.

Empfehlung für Schwangere

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sowie die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfehlen schwangeren Frauen am Tag, nicht mehr als 300 Milligramm Koffein zu sich zu nehmen. Der Grund: Föten und Säuglingen fehlt das Enzym, mit dem der Körper das Koffein abbaut.

Übrigens baut sich das Koffein unabhängig vom Alter bei Rauchern meist schneller ab als bei Nichtrauchern und bei Frauen, die die Pille nehmen, langsamer als bei Frauen, die kein entsprechendes Hormonpräparat verwenden. Auch bei Schwangeren ist die Wirkung beeinflusst: Ab dem neunten Monat kann bei ihnen die Halbwertszeit bei 15 Stunden liegen.

Bei Menschen, die regelmäßig Kaffee trinken, reagiert der Körper auf die tägliche Koffeinzufuhr, indem er einfach zusätzliche Adenosin-Rezeptoren ausbildet. Adenosin und Koffein konkurrieren dann nicht mehr massiv miteinander, sondern docken friedlich und in trauter Zweisamkeit an die Nervenbahnen an. „Das ist schlicht eine Frage der Gewöhnung“, sagt Franz Goss, stellvertretender Vorsitzender des Bundesverbands Niedergelassener Kardiologen (BNK). Die Nervenzellen erhalten das Signal, langsamer zu arbeiten, und die anregende Wirkung des Koffeins bleibt aus.

© Ihre Gesundheitsprofis MAGAZIN

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Einschlafen dank Koffein

Auch wenn es paradox klingt: Kaffee kann wach halten und ebenso beim Einschlafen helfen. Denn Koffein vergrößert die Blutgefäße und erweitert die Atemwege. Hierdurch sinken Blutdruck und Atemfrequenz, was viele Menschen als beruhigend empfinden. Dieser Effekt macht sich bereits nach wenigen Minuten bemerkbar. Die aufputschende Wirkung des Koffeins tritt hingegen erst nach einer halben Stunde ein.

Unmittelbar vor dem Zubettgehen kann eine Tasse Kaffee also durchaus beim Einschlafen helfen. Wartet man hingegen zu lange, riskiert man eine schlaflose Nacht. Da hilft dann nur noch Ziegenzählen.

*eine Region im heutigen Äthiopien