Kuhmilch macht gesunde Kleider

Textilfasern lassen sich aus allem Möglichen machen – auch aus Milch. Was gerade diesen Rohstoff so besonders macht, ist seine antibakterielle Wirkung. Eine kleine Firma aus Hannover hat daraus ein Geschäftsmodell gemacht.

© Q-Milch

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Vor sieben Jahren erkrankte Anke Domaskes Stiefvater an einer schweren Form der Altersleukämie. „Sein Blut musste ausgetauscht werden“, erzählt die 32-Jährige. „Nach der Transfusion reagierte er auf alles chemisch Behandelte allergisch.“ Schließlich musste er sogar in einen sterilen Raum.

Ob T-Shirt, Unterwäsche oder Schlafanzug, in fast jedem Kleidungsstück stecken zumindest Spuren von Chemie. „Nichts davon konnte mein Stiefvater tragen“, sagt Anke Domaske – und machte sich an die Arbeit. Glücklicherweise hatte die Modemacherin auch Mikrobiologie studiert. Und Milch, dass wusste sie deshalb, eignet sich nicht nur für die chemiefreie Herstellung von Textilfasern, sie enthält vor allem antibakterielle Hemm-(Inhibine) und Wandlungsstoffe (Mutine).

Die Geburt eines Unternehmens

Dass sich Milcheiweiß (Kasein) zu Stoffen verarbeiten lässt, ist schon seit den 1930er Jahren bekannt. Die Produktion war damals jedoch sehr teuer. Es wurde zu viel Energie und Wasser verbraucht und so verschwand die Idee schnell wieder in den Schubladen.

Ökobilanz

Milchfasern sind nicht nur heilsam, sie haben sogar eine gute Ökobilanz: Für die Herstellung von einem Kilo Baumwolle werden durchschnittlich 12.000 Liter Wasser verbraucht. Für ein Kilo Milchfasern reichen hingegen bereits zwei Liter aus.

Doch Anke Domaske glaubte an das Potenzial von Milch. Unterstützt vom Faserinstitut Bremen (FIBRE) entwickelte sie ein neues Verfahren, um das in der Milch enthaltene Protein Kasein in textile Fasern zu verwandeln – ohne Chemie und umweltschonend. 2011 gründete sie mithilfe von Investoren die Qmilch Deutschland GmbH, aus der sich mittlerweile eine kleine Unternehmensgruppe entwickelt hat. Ziel ist, den gesamten Erzeugungsprozess bis hin zur Verarbeitung der Stoffe in einer Hand zu halten.

„Die Herstellung funktioniert letztlich ähnlich wie die von Nudeln“, erklärt Anke Domaske. Wird Rohmilch sauer, bilden sich an ihrer Oberfläche Flocken, und die enthalten das Kasein, das für den weiteren Prozess gebraucht wird. Die Flocken werden abgeschöpft, getrocknet und gemahlen. Das Pulver wird dann mit Wasser und natürlichen Zusatzstoffen – über deren genaue Zusammensetzung Domaske nichts verrät – vermengt und zu einem homogenen Teig verknetet. Der wird schließlich von einer Maschine durch ein gelöchertes Blech gepresst. Statt Nudeln gibt’s so allerdings feine Fasern.

Keine Allergien, keine Entzündungen

Die Qmilch-Stoffe eignen sich aber nicht nur für Menschen mit Kontaktallergie. „Kasein steckt auch im Quark“, erklärt Domaske, „und der hilft bekanntlich gegen Entzündungen.“ Zudem machen die in der Milch enthaltenen Proteine die Haut geschmeidig. Damit die Inhibine und Mutine sowie alle Proteine erhalten bleiben, wird das Kasein nicht über 80 Grad Celsius erhitzt.

Klar, dass diese Eigenschaften auch für die Hersteller von Medizinprodukten interessant sind. Die ersten hautpflegenden Kompressionsstrümpfe aus Milchfasern kommen vermutlich schon nächstes Jahr auf den Markt. Zur Nutzung in Wundverbänden sind hingegen noch spezielle dermatologische Tests erforderlich. Das ist ein langwieriger, bürokratischer Prozess. „Bis das durch ist“, sagt die Mikrobiologin „wird es wohl noch einige Jahre dauern.“

Unternehmen Qmilch

Momentan beschäftigt Anke Domaske zwanzig Mitarbeiter. Noch in diesem Jahr soll die Produktion deutlich gesteigert und die Anzahl der Mitarbeiter mehr als verdoppelt werden. Geplant ist momentan die Herstellung von jährlich 1000 Tonnen Fasern. Bis zu 600 Unternehmen, die meisten aus Deutschland, sind an der Nutzung der Milchfasern interessiert. Auf der Liste stehen Unternehmen aus der Medizinbranche, Mode- und Bettwäscheunternehmen, aber auch Raumausstatter sowie die Automobilindustrie.

Neben den Fasern aus Milch stellt Qmilch Kosmetikprodukte und eigene Kleidung her. Für ihr Start-up Qmilch wurde Anke Domaske mit dem GreenTec Award 2015, einem Preis für grüne Technologien, Initiativen und Unternehmen, ausgezeichnet.