Mit Hunden gegen Burnout

Foto: Kerstin Ehlen – 2 & 4 zusammen unterwegs

Immer mehr Menschen werden wegen chronischem Stress krankgeschrieben. Dagegen helfen Hunde im Büro, ist Markus Beyer überzeugt. Beyer ist Hundetrainer und hat vor vier Jahren den Verein Bürohund gegründet. Aber die Sache wirklich so einfach? Ein Gespräch.

Redaktion: Unternehmen zerbrechen sich den Kopf darüber, wie sie gestressten Mitarbeitern helfen können. Sie sagen: Hunde im Büro sind die Lösung. Tatsächlich?

Markus Beyer: Hunde werden bereits seit vielen Jahren in unterschiedlichen Bereichen erfolgreich therapeutisch eingesetzt. Man weiß heute, dass bei einer positiven Begegnung zwischen Hund und Mensch bei beiden Spezies das „Feel-Good“-Hormon Oxytocin freigesetzt wird. Dieses Hormon ist in vielen Fällen die Basis des therapeutischen Erfolgs. Ein Hund im Büro ist daher tatsächlich eine mögliche Lösung, um die Risiken von Stress, und vor allem dem gesundheitsgefährdenden Dauerstress, zu reduzieren.

Ist es wissenschaftlich belegt, dass Bürotiere bei der Burnout-Prävention helfen?

Zu Bürotieren im Allgemeinen kann ich nichts sagen. Die positive Wirkung eines Hundes im Büro ist bereits vor vier Jahren von der Virginia Commonwealth University durch den Management-Professor Randolph T. Barker nachgewiesen worden. Barker hat in seiner Untersuchung das Stresslevel von drei unterschiedlichen Mitarbeitergruppen untersucht. Die Gruppe, die ihren Hund während der Arbeitszeit mit im Büro hatte, lag im Gesamtverlauf des Tages immer deutlich unter den Gruppen ohne Hund.

Hunde entspannen das Arbeitsklima

Warum ist das so?

Das liegt am bereits erwähnten Oxytocin. Erstmals untersucht wurde das im Jahr 2010 von der schwedischen Wissenschaftlerin Linda Handlin. In ihrer Doktorarbeit „Human-Human and Human-Animal Interaction“ verglich sie die Produktion von Oxytocin im Blut von Frauen, die gerade geboren hatten mit Menschen, die ihren Hund streichelten. Das Ergebnis: Die Hormonentwicklung war in beiden Gruppen nahezu gleichwertig. Mit anderen Worten: Wir Hundemenschen reagieren biochemisch auf unseren Hund, als ob wir ein menschliches Kind hätten.

Wir lieben also.

Richtig – ein Effekt, den Handlin auch beim Hund nachweisen konnte: Auch bei ihm war der Oxytocinspiegel erhöht.

Ist das Hormon der entscheidende Faktor?

Das Oxytocin ist zumindest ein wesentlicher Schlüssel. Das Hormon senkt linear die Stresshormone Insulin und Cortisol im Blut. Es gilt als sozio-emotionaler Schalter bei fast allen mehrzelligen Tierarten, vom Borstenwurm bis zum Homo Sapiens. Es macht emphatischer, also empfänglicher für die Sichtweise des Anderen und vermindert körperliche und psychische Erkrankungsrisiken. Innerhalb des Büros führt es zu einem angenehmeren menschlichen Umgang, damit zu einem besseren Betriebsklima und einem geringeren krankheitsbedingten Ausfall der Mitarbeiter.

Mit welchen Techniken kann man Stress am Arbeitsplatz weiter reduzieren?

In dem wir unsere Arbeit immer mal wieder unterbrechen. Damit schaffen wir eine Balance zwischen An- und Entspannung, bieten unserem Gehirn neue Eindrücke und verhindern die Überlastung von einzelnen Schaltkreisen. Gut ist auch Bewegung. Denn fehlende körperliche Aktivitäten erhöhen die Risiken für einen Herzinfarkt, Schlaganfall oder auch Diabetes.

Jemand, der wenig Erfahrungen mit Hunden hat, wird zunächst sicherlich sagen: Ein Hund stört.

Diese Reaktion ist verständlich und begegnet uns bei Gesprächen häufig. In Ihrer Frage steckt aber auch schon die Antwort. Sehr oft sind es einfach fehlende Erfahrungen, die zu bestimmten verallgemeinernden Vorstellungen führen. In diesem Fall können Gespräche mit Menschen helfen, die bereits einen Bürohund haben.

Hunde sind kein Mittel zum Zweck

Ist denn jeder Hund als Bürohund geeignet?

Nein. Hunde, die sich unwohl und möglicherweise gestresst in der Büroumgebung fühlen, sollten entweder erst nach Vorbereitung oder gar nicht dieser Situation ausgesetzt werden. Ein Hund ist ein lebendes Wesen und als solches ausnahmslos durch uns Menschen zu respektieren und zu schützen. Der Hund im Büro ist nicht Mittel zum Zweck, sondern Teammitglied.

Sie sagen: Hunde wirken sich positiv auf das Unternehmen aus. Warum kommen dann Betriebe nicht von allein auf die Idee und es braucht ihren Verein, um die Idee bekannter zu machen?

Zum einen war die positive Wirkung von Hunden auf Menschen bisher oft nur Experten oder interessierten Hundehaltern bekannt. Hier schaffen wir jetzt mehr Öffentlichkeit. Zum anderen sind Arbeitgeber geneigt, den kleinsten gemeinsamen Nenner bei Vereinbarungen für die Mitarbeiter zu suchen. ,Bitte nur kein Aufruhr bei Mitarbeitern‘, lautet oft die Devise des Handelns. Aus Erzählungen weiß ich, dass beispielsweise allein die Genehmigung zum Aufstellen von Zimmerpflanzen im Büro in manchen Betrieben zu einer schier unlösbare Aufgabe wurde. Als Verband haben wir da noch dicke Bretter zu bohren. Aber unsere Arbeit zeigt Wirkung. In der ersten Zeit wurden wir vornehmlich von Mitarbeitern kontaktiert, die Hunde in das Büro mitnehmen wollten. Seit etwa sechs Monaten rufen uns auch immer mehr Arbeitgeber an.

In welchen Unternehmen sind Hunde denn schon erlaubt? 

Etwa bei Google und Amazon in den Vereinigten Staaten. Beide verfügen über eine sogenannte Dog-Policy, die den Umgang mit dem Bürohund genau definiert. In Deutschland sind einige sehr interessante Unternehmen in Kontakt mit uns und prüfen die Zulassung von Bürohunden. Ich glaube, da gibt es bald spannendes zu bereichten.

 

Foto: Jennifer Fey

Zur Autorin

Teresa Buecker ist Chefredakteurin bei EDITION F, einem Online-Magazin für „starke Frauen“. Gegründet wurde das Magazin im Jahr 2014 von Nora-Vanessa Wohlert und Susann Hoffmann. EDITION F, so ihr Wunsch, soll Frauen eine Bühne geben und sie inspirieren, Neues auszuprobieren – nicht nur im Alltag, sondern auch im Job. Zu dem Magazin gehört auch das Projekt Female Future Force, ein digitales Coaching für Frauen. Der Beitrag “Mit Hunden gegen Burnout” ist zuvor bei EDITION F erschienen. Für das IGPmagazin haben wir das Interview leicht gekürzt.