Teleroboter hilft krebskrankem Mädchen

Krebs kann einsam machen. Eine Zehnjährige, die für eine Therapie Hunderte Kilometer weit fahren muss, besucht ihre heimische Grundschule in den USA deshalb mit Hilfe eines Teleroboters.

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Peyton Walton (10) hat Krebs. Doch sie hat auch einen virtuellen Doppelgänger, der ihr hilft, der lebensbedrohlichen Krankheit etwas mehr Normalität und Selbstbestimmung abzuringen. Während die Grundschülerin in New York eine Strahlentherapie absolviert, nimmt sie mit Hilfe eines mobilen Telepräsenzroboters jeden Tag am Unterricht ihrer fünften Klasse im 400 Kilometer entfernten Poolesville (Maryland) teil. „Sie kann Fragen stellen, alle Tests mitschreiben und mit ihren Mitschülern plaudern“, erzählt ihre Mutter, Lynn Schaeber, am Telefon. „Sie ist dabei. Das macht einen Riesenunterschied.“

Der Roboter, der wie eine Art Mini-Segway mit einem iPad in Kopfhöhe aussieht, rollt seit Wochen durch die Flure und Klassenzimmer der Poolesville Elementary School. Peyton steuert ihn von ihrem Krankenzimmer aus über ein zweites iPad plus App – und nennt ihn liebevoll PAVS. Das ist die Abkürzung für Peyton’s Awesome Virtual Self (Peytons Großartiges Virtuelles Selbst).

Virtueller Unterricht

Ihre Mitschüler haben sich längst daran gewöhnt, dass PAVS immer dabei ist. Sie kommunizieren mit Peyton über das Tablet-Display, das ihr Gesicht zeigt. „Wenn die Kinder den Roboter sehen, rufen sie: Hey, da kommt Peyton“, sagt Schulleiter Douglas Robbins. Auch die Ärzte in Washington und New York, die Peytons extrem seltene Form von Leber-Sarkom behandeln, erleben zum ersten Mal, dass eine Patientin via Roboter lernt und am heimischen Leben teilnimmt. „Das ist eine wirklich interessante Technologie, die sehr vielen Kindern Gewinn bringen könnte“, sagt Kinder-Onkologe AeRang Kim.

„Ich mag Mathe und Naturwissenschaften sehr. Und deshalb finde ich es toll, wenn ich dabei sein kann und lerne, was die anderen lernen“, sagte Peyton der „Washington Post“. Um mit dem Roboter klar zu kommen, brauchte sie kaum 15 Minuten. „Manchmal fahre ich aber noch gegen die Wand.“ Ihre Mutter ergänzt schmunzelnd: „Es ist schon auch ein cooler Faktor dabei. Welches Kind findet eine solche Technologie nicht toll.“

Die Zahl chronisch kranker Schüler und Studenten in den USA, die einen solchen Telepräsenzroboter nutzen, ist noch sehr klein. In Peytons Fall stammt er von Double Robotics (Kalifornien) und wurde eigentlich für Unternehmen entwickelt, die ihre Mitarbeiter über weite Entfernungen verknüpfen wollen. Laut Unternehmen haben US-weit zwar 350 Schulen einen solchen Roboter angeschafft – meist jedoch, um so Vertretungsunterricht mit virtuellen Lehrern zu organisieren.

In Deutschland sind Telepräsenzroboter noch nicht im Einsatz

Auch Anybots oder Suitable Technologies (Beam) bieten ähnliche Modelle an. Doch auch hier ist der Einsatz für Menschen, die durch Krankheit oder Behinderung ans Haus gebunden sind, noch in den Anfängen – ein Schüler in Long Island etwa absolvierte jüngst nach einer Notfalloperation eine prüfungsrelevante Schulwoche mit Hilfe eines Beam-Roboters. In Deutschland sind Telepräsenzroboter für diese Zwecke laut Unternehmen noch gar nicht im Einsatz.

Und sie haben ihren Preis. Rund 3000 US-Dollar (2760 Euro) hat PAVS die Familie insgesamt gekostet. „Wir haben Geld gesammelt. Viele Freunde haben geholfen. Über 1000 Euro hat unsere frühere Schule in Erlangen gespendet, wo wir einige Zeit gelebt haben“, berichtet Schaeber.

„Wir hoffen, dass Peyton im Januar wieder ganz normal zur Schule gehen kann“, sagt die Mutter. PAVS wird auch dann dabei sein, um ihr zu helfen, Dinge zu transportieren. Denn Peyton ist zierlich und durch die Krankheit zusätzlich geschwächt. „Wir müssen auch auf lange Sicht planen“, räumt Schaeber ein. Durch die starke Strahlentherapie sei das Risiko da, dass Peyton einen Sekundärkrebs entwickele. Dennoch hat die Familie als Ziel für Peyton die weiterführende Schule fest im Blick. „PAVS wird sie begleiten und ihr ein Stück Autonomie und normales Leben ermöglichen.“

Von Andrea Barthélémy (dpa)