Tränen

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Der Prinz in Grimms Märchen Rapunzel erlangt durch die Tränen seiner Geliebten sein Augenlicht zurück und bei Harry Potter heilt ein Fabelwesen mit ihrer Hilfe Wunden – um das salzige Sekret ranken sich viele Mythen und Geschichten. Was wir aber sicher wissen: Tränen haben eine wichtige physiologische Funktion.

Gefühle wie Trauer oder Freude können uns ebenso zum Weinen bringen wie Insekten, die sich in unser Auge verirrt haben. Und natürlich: Tränen schmecken salzig. Doch was wissen wir noch über sie?

Träne … Wer bist du?

Auch wenn wir nicht täglich weinen, so haben wir doch immer feuchte Augen. Grund ist ein Tränenfilm, der das Auge schützt und aus drei Schichten besteht. Direkt auf der Hornhaut liegt die sogenannte Muzinschicht (lat. mucus, „Schleim“). Sie besteht vorwiegend aus Eiweiß und Zucker (Glykoproteinen) und wird in den Becherzellen der Bindehaut gebildet. Darüber liegt eine wässrige Schicht, die aber auch Proteine, Enzyme und Elektrolyte enthält und von der Tränendrüse produziert wird. Dann ist da noch die Lipidschicht (griech. λίπος lípos, „Fett“), ein Film aus Fetten, der von den Talgdrüsen (Meibom-Drüsen) am inneren Lidrand des Auges gebildet wird. Durch unseren ständigen Lidschlag wird das Tränensekret gleichmäßig auf dem Augapfel verteilt.

Wozu brauchen wir Tränen?

Die Hauptfunktion des Tränenfilms besteht darin, die Oberfläche des Auges, also die Horn- und Bindehaut, feucht zu halten, sie zu schützen und zu pflegen. Jede der drei Schichten hat ihre ganz eigene Aufgabe.

Die innere Muzinschicht glättet die Unregelmäßigkeiten auf dem Auge. Zudem bindet das schleimige Sekret das Tränenwasser an die wasserabweisende Hornhaut und sorgt dafür, dass das Auge nicht austrocknet. Die wässrige Schicht, die sich in der Mitte des Tränenfilms befindet, befeuchtet die Hornhaut, versorgt sie mit Proteinen und schützt das Auge vor Infektionen. Die äußere Lipidschicht stabilisiert durch ihre größere Oberflächenspannung das Tränenwasser und sorgt dafür, dass es nicht über die Lidkante abläuft. Zu guter Letzt verhindern die Fette des Films, dass die Flüssigkeit zu schnell verdunstet.

Interessant: Die chemische Zusammensetzung des Tränenfilms kann variieren, je nachdem, welches Problem gerade zu lösen ist. Neben den basalen Tränen – also der regulären Sekretversorgung – unterscheiden Wissenschaftler zwischen den sogenannten Reflex– und den emotionalen Tränen.

Reflextränen

Gelangt ein Fremdkörper ins Auge, oder wird dieses anderweitig gereizt, etwa beim Zwiebelschneiden, versucht das Auge, den Reizstoff herauszuspülen – und produziert dazu sozusagen verdünnte Tränen. Wissenschaftler haben nachgewiesen, dass diese „Reflextränen“ einen höheren Wasseranteil besitzen und damit dünnflüssiger sind als der basale Tränenfilm.

Emotionale Tränen

Emotionale Tränen vergießen wir aus Freude oder Trauer. Sie haben einen geringeren Wasseranteil als Reflextränen und beinhalten bis zu einem Viertel mehr Proteine. Welche Funktion emotionale Tränen genau haben, konnten Wissenschaftler allerdings noch nicht klären.

Warum zu viele oder zu wenige Tränen?

In der Regel funktioniert die Regulation der Tränenproduktion automatisch. Manchmal hört das Auge aber auch gar nicht auf zu tränen oder es produziert im Gegenteil zu wenige Tränen.

… zu viele Tränen:

Mögliche Ursachen für eine Überproduktion an Tränenflüssigkeit sind beispielsweise eine Bindehautentzündung oder die Erkrankung der Schilddrüse. Über die Behandlung sollte immer der behandelnde Arzt entscheiden. Vorsicht: Ist der Abfluss der Tränenflüssigkeit gestört – beispielsweise durch eine Grippeinfektion – kann es zu einer schmerzhaften Tränensackentzündung kommen.

… zu wenige Tränen:

Zu einer Unterproduktion von Tränenflüssigkeit kommt es häufig bei älteren Menschen oder bei Frauen in der Menopause – besorgniserregend ist sie in der Regel nicht. Umgangssprachlich wird dieses Krankheitsbild schlicht als „trockenes Auge“ bezeichnet.

Luftverschmutzung, zu viel Arbeit am Computer oder rheumatische Erkrankungen können ebenfalls zu einer verminderten Tränenproduktion führen. Behandelt wird die Störung meist, indem Tränenersatzmittel auf die Hornhaut geträufelt werden.

Warum weinen wir?

Seit Menschengedenken haben Wissenschaftler und Philosophen Theorien aufgestellt, um das emotionale Weinen des Menschen zu erklären.

Hippokrates sagte:

Tränen haben eine reinigende Wirkung. Davon war jedenfalls Hippokrates, dem wir den Hippokratischen Eid verdanken, zur Zeit des antiken Griechenlands überzeugt. Ein Vorgang, den er auch Katharsis (griech. κάθαρσις, kátharsis, „Reinigung“) nannte. Seiner Meinung nach spült das Weinen ungesunde Stoffe aus dem Körper und bringt die vier Säfte – Blut, gelbe und schwarze Galle sowie Schleim – wieder ins Gleichgewicht. Was, wie wir heute wissen, nicht stimmt.

Tränen verderben die Lust auf Sex

Im Erwachsenenalter scheinen Tränen übrigens noch eine ganz andere Wirkung zu haben: Sie verderben Männern die Lust. So das Ergebnis einer Studie, die Neurobiologen des israelischen Weizmann Institute of Science 2011 durchführten. Die Wissenschaftler klebten ihren männlichen Probanden entweder mit Frauentränen oder mit Salzwasser getränkte Pads unter die Nase – Ergebnis 1: Auf Nachfrage konnten die Probanden die Flüssigkeiten nicht voneinander unterscheiden. Ergebnis 2: Beim mit Salzwasser getränkten Pad passierte nichts, bei dem mit weiblicher Tränenflüssigkeit sanken der Testosteronspiegel und damit auch die sexuelle Bereitschaft.

Einige Therapeuten sagen:

Eine andere Theorie ist die der „Psychohygiene“: Das Ausschwemmen negativer Gefühle verschaffe dem Betroffenen Erleichterung. Zahlreiche Therapeuten raten ihren Patienten daher zu weinen, um seelische Verspannungen und Blockaden zu lösen. Verschiedene Studien scheinen allerdings das Gegenteil zu belegen, da ein solcher Prozess physisch und emotional eher anstrengt als entlastet. Statt den Körper zu beruhigen, beschleunigen sich Atmung und Puls, zudem steigt die Konzentration von Stresshormonen im Blut.

Manche Kommunikationswissenschaftler sagen:

Eine These der Kommunikationswissenschaft besagt, dass das Weinen dem Menschen vor allem als Mittel zur Verständigung dient. Offenkundig ist die Signalwirkung von Tränen bei Säuglingen und Kleinkindern. Hier lautet die Botschaft ganz eindeutig: „Komm’ her und hilf mir!“ Unterstützt wird der Effekt durch akustische Signale wie Schreien, Wimmern oder Schluchzen. Eine Technik, die – wie wir alle wissen – nicht nur von kleinen Kindern eingesetzt wird.

Vermutet wird auch, dass der Anblick eines tränenvergießenden Menschen Empathie erzeugt und so soziale Bindungen stärkt. Menschen, die weinen, erhalten demnach eher Zuneigung und Unterstützung als diejenigen, die sich die Tränen verkneifen.

Jeder darf weinen!

Waren Tränen früher ein Zeichen von Schwäche, sind sie heute – jedenfalls im westlichen Kulturkreis – gesellschaftlich weitestgehend akzeptiert. Auch Männer dürfen heute ohne Scham öffentlich weinen. Wer heute Emotionen zeigt und Gefühle durch Tränen ausdrückt, gilt nicht als „Memme“, sondern als authentisch.