Vom Halbgott in Weiß zum Angestellten

© picture alliance/Klaus Rose

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Auf dem Land droht ein Hausärztemangel. Die Gemeinde Büsum löst das Problem jetzt selbst und eröffnet im kommenden Frühjahr das erste kommunale Ärztezentrum Deutschlands.

Jedes Jahr geben in Deutschland rund 2200 Hausärzte ihre Praxis auf. Die meisten von ihnen gehen in Rente. Sorgenfrei ist der Übergang allerdings für die wenigsten: Nur jeder Zweite findet einen Nachfolger.

In ländlichen Regionen macht sich der Hausärztemangel schon heute bemerkbar. Junge Mediziner zieht es in die Stadt und nicht aufs Land – jedenfalls bislang. Büsum will das ändern. Im Frühjahr 2016 eröffnet die Kommune die erste Gemeindepraxis Deutschlands und wird damit Arbeitgeber ihrer Ärzte.

Neues Gesetz macht Gemeindepraxis möglich

Das Versorgungsstrukturgesetz, das seit Anfang 2012 in Kraft ist, ermöglicht es einer Kommune wie Büsum, in “begründeten Ausnahmefällen” eine eigene Praxis zu betreiben. Der Hausärztemangel auf dem Land ist einer dieser Ausnahmefälle.

Vereinbarkeit von Beruf und Familie

“Geld allein reicht nicht, um junge Mediziner aufs Land zu locken”, sagt Harald Stender, Koordinator für die ambulante Versorgung im Kreis Dithmarschen. Er hat das Büsumer Modell zusammen mit der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein (KVSH) entwickelt und koordiniert es. “Um als Standort attraktiv zu sein”, meint er, “müssen wir uns auf die veränderten Bedürfnisse einstellen.”

Die wenigsten Ärzte wollen heutzutage ihr eigener Chef sein und – mit meist erheblichem finanziellem Risiko – eine Praxis übernehmen. Das zeigt eine Umfrage, die der Hartmannbund, die Interessenvertretung der Ärzte in Deutschland, Ende 2014 veröffentlichte. Was der Nachwuchs sich wünscht, sind geregelte Arbeitszeiten, eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie und weniger Bürokratie. Statt auf dem Land als Einzelkämpfer unterwegs zu sein, wollen sie im Team arbeiten.

Zudem entscheiden sich immer mehr Frauen für den Arztberuf, auch das treibt den Mentalitätswandel voran. Mehr als die Hälfte der Medizinstudierenden ist weiblich. In der Allgemeinmedizin sind es bereits 75 Prozent. “Der zukünftige Hausarzt ist eine Frau”, sagt Stender, “und darauf müssen wir uns einstellen.”

Ausprobieren ohne Risiko

Das Büsumer Modell erfüllt diese Ansprüche. Die Ärzte werden angestellt, erhalten ein festes Gehalt und können, wenn sie Eltern werden, in Teilzeit arbeiten. “Das erleichtert die Familienplanung”, meint Stender, “und es erlaubt den Ärzten, sich ganz auf den Patienten zu konzentrieren.”

Für die Mediziner hat das Angestelltenverhältnis aber noch einen weiteren Vorteil: Anders als bei der Übernahme einer Landarztpraxis sind die Nachwuchsärzte nicht zum Bleiben verpflichten. Gefällt ihnen das Leben fernab der Großstadt nicht, können sie einfach wieder gehen. Harald Stender ist sich allerdings sicher: “Ärzte, die die Büsumer Landluft erst mal geschnuppert haben, wollen am Ende auch bei uns bleiben.”

 

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