Migräne als Folge des warmen Alpenwinds, Luftdruckänderungen, die bei Schwangeren Wehen auslösen: Laut einer Umfrage des Deutschen Wetterdienstes (DWD) stellt hierzulande gut jeder Zweite einen Zusammenhang zwischen Wetter und eigener Gesundheit fest. Doch ist unsere „Wetterfühligkeit“ eingebildet oder tatsächlich ein medizinischer Fakt? Welchen Einfluss kann das Wetter auf unseren Körper haben? Fünf Thesen im Faktencheck.
1. „Wetterfühligkeit“ ist ein reales Phänomen.
Ja, nur weiß niemand so genau, was es ist und wie es dazu kommt. Laut DWD-Studie haben die Witterung und vor allem Wetterumschwünge tatsächlich Einfluss darauf, wie wir Menschen uns fühlen. Die häufigsten wetterbedingten Symptome, die bei der Befragung genannt wurden, waren: Kopfschmerzen und Migräne (59 %), Müdigkeit (55 %), Abgeschlagenheit (49 %), Gelenkschmerzen (42 %) und Schlafstörungen (40 %).
Wie und warum Menschen auf das Wetter reagieren, ist aus Sicht von Experten strittig. Eine Zeit lang dachten Forscher beispielsweise, sogenannte Sferics könnten die Auslöser unserer Wetterfühligkeit sein. Sferics sind schwache elektromagnetische Impulse, die besonders stark bei Gewitter auftreten. Wissenschaftler der Universität Gießen konnten diesen Zusammenhang jedoch widerlegen. In einer Studie „beschossen“ sie Probanden in einer Druckkammer mit elektromagnetischen Wellen. Das Ergebnis: Nicht einmal Migränepatienten entwickelten Krankheitssymptome.
2. Temperaturschwankungen belasten unser Herz-Kreislauf-System.
Stimmt – genauso wie schwüle Luft, Hitze oder arktische Kälte. Damit all unsere Organe optimal funktionieren, sollte unsere Körpertemperatur stets etwa 37 Grad betragen. Ändert sich das Wetter, muss unser Organismus sich darauf einstellen – etwa indem er bei Hitze Schweiß produziert (siehe: Aufgeklärt „Schwitzen“). Je stärker die Temperaturschwankungen, desto mehr Energie muss der Körper aufwenden, um seinen Wärmehaushalt zu regulieren. Abhängig von der individuellen körperlichen Verfassung kann das aufs Herz-Kreislauf-System schlagen.
Das Gleiche gilt übrigens für die Sauna oder ein heißes Bad. Ist der Körper gut trainiert, kommt er mit solchen Warm-/Kalt-Wechseln gut zurecht. Ansonsten kann einem nach einer Stunde Heißbaden oder Saunieren schon mal etwas schummrig beim Aufstehen werden.
3. Luftdruckänderungen lösen bei Schwangeren Wehen aus.
Nein. Es gibt zwar Studien, die diesen Zusammenhang statistisch belegen. Auch das Helios Klinikum in Erfurt verzeichnete im Mai 2015 während des Sturmtiefs „Andreas“ dreimal so viele Geburten wie sonst. Der Zusammenhang scheint allerdings eher zufällig.
Bei einem Übergang von einer Hochdruck- in eine Tiefdrucklage kann sich der Luftdruck in der Tat um gut eine halbe Tonne ändern. Setzt sich eine Schwangere beispielsweise ins Auto und fährt einen etwa 400 Meter hohen Berg hinauf, kommt es allerdings zu ähnlich starken Luftdruckschwankungen – dass Wehen bei solchen Anfahrten öfter einsetzen, ist allerdings noch nicht berichtet worden.
4. Wetterwechsel und Föhn führen zu Migräne.
Stimmt – zumindest ein bisschen. Laut einer Studie der Medizinischen Universität Wien besteht zwischen bestimmten Wetterlagen oder einem Wetterwechsel und dem Auftreten von Migräne bzw. Kopfschmerzen kein signifikanter Zusammenhang. Allein das Nahen einer Hochdruckfront schien das Risiko für Migräne bei den Probanden zu erhöhen.
So ganz wollten die Forscher das – also diesen geringen Zusammenhang – offenbar selbst nicht glauben. Also durchforsteten sie die Literatur und werteten 13 weitere Studien aus. Doch auch mit ihnen konnten sie keinen weiteren Zusammenhang nachweisen.
Trotzdem ist es nach wie vor nicht ausgeschlossen, dass empfindliche Menschen auf sich schnell ändernde Wetterverhältnisse in der Tat mit Migräneattacken reagieren.
5. Lebkuchen macht uns anfällig für Erkältungen.
Ja – zumindest, wenn wir uns zum Naschen immer ohne Schal und bei strengem Frost ans offene Fenster stellen. Ansonsten ist der Zusammenhang Quatsch.
Das Beispiel bringt jedoch das Problem der „Wetterfühligkeits-Forschung“ auf den Punkt: Wer Dutzende Wetterdaten miteinander vergleicht, der wird am Ende auch einen Zusammenhang finden. In der Epidemiologie nennt man das dann eine sogenannte „Scheinkorrelation“. Der Lebkuchen würde sagen: „Nur weil ich im Winter gern und viel gegessen werde und zeitgleich die Anzahl der Erkältungen zunimmt, bin ich doch nicht schuld daran, dass den Menschen die Nase läuft!“