Mit zunehmendem Alter steigt die Gefahr, in einem unbedachten Moment zu fallen. Das kann komplizierte Brüche und lange Aufenthalte im Krankenhaus zur Folge haben. Aber man kann mit Bewegung die Balance trainieren und somit das Sturzrisiko verringern.
Ein unebener Fußweg, eine steile Treppe oder eine rutschige Dusche: Je älter man wird, desto eher läuft man Gefahr zu stürzen. „Experten schätzen, dass etwa 30 Prozent der Menschen über 65 Jahre mindestens einmal pro Jahr hinfallen“, sagt der Mediziner und Hochschullehrer Clemens Becker. Er ist Chefarzt der Klinik für Geriatrische Rehabilitation am Robert-Bosch-Krankenhaus in Stuttgart. Nach seinen Angaben wird davon ausgegangen, dass rund 40 bis 50 Prozent aller Menschen über 80 Jahren wenigstens einmal innerhalb von zwölf Monaten stürzen. Zwar führt nicht jeder Sturz zu Knochenbrüchen oder sonstigen äußerlichen Blessuren. „Allerdings können Angst und sozialer Rückzug gravierende Folgen von Stürzen sein“, erklärt Becker.
Hinzu kommt, dass diejenigen, die einmal hingefallen sind, ein erhöhtes Risiko für weitere Stürze haben. Darauf weist der Hamburger Arzt für Innere Medizin, Wolfgang Wesiack, hin. Er ist auch Präsident des Berufsverbandes Deutscher Internisten. „Damit Menschen ihre Selbstständigkeit möglichst lange erhalten, ist es wichtig, Stürzen vorzubeugen“, betont Wesiack. Dazu gehört nach seinen Worten „in erster Linie, potenzielle organische Ursachen wie Sehstörungen oder Schwindel zu beheben“.
Aktiv im Alter
Zielführend ist auch, Stolperfallen in der Wohnung wie frei umherliegende Telefonkabel oder Türschwellen zu beseitigen sowie für eine gute Beleuchtung auch nachts zu sorgen. Zudem sollte der Boden rutschfest sein.
„Auch Muskelschwäche kann ein Risikofaktor für Stürze sein“, erklärt Becker. Er ist neben seiner Chefarzt-Tätigkeit Leiter des Projektes „Aktiv in jedem Alter“. Dabei handelt es sich um eine Initiative unter anderem von Ärzten, Sportwissenschaftlern, Krankengymnasten, Pflegewissenschaftlern, Psychologen und Sporttherapeuten. Dieses Team hat es sich nach eigenen Angaben zur Aufgabe gemacht, Gesundheit und Lebensqualität älterer Menschen zu fördern. Laut Becker hat sich in den vergangenen Jahren vielfach gezeigt, dass Sport sowie ein Kraft-Balance-Training dazu führen können, die Anzahl von Stürzen zu reduzieren.
Gleichgewicht und Kraft
Das Übungsprogramm “Fit und beweglich im Alter” der BZgA.
Das Gleichgewicht trainieren
„Art und Intensität der körperlichen Aktivitäten sollten im Vorfeld mit einem Arzt, zum Beispiel mit dem Hausarzt, abgesprochen werden“, empfiehlt die Medizinerin Heidrun Thaiss, Leiterin der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). Sie weist darauf hin, dass es neben häufig selbst organisierten Bewegungsaktivitäten wie Wandern, Schwimmen und Fahrradfahren auch zahlreiche Angebote von Sportvereinen und Volkshochschulen gibt. Auch für zu Hause gibt es ein Kraft- und Balance-Training, das den Gleichgewichtssinn schult. Dieses Programm „Gleichgewicht & Kraft – Das Übungsprogramm – Fit und beweglich im Alter“ wurde von der BZgA und der Bundesinitiative Sturzprävention gemeinsam im Juni 2015 veröffentlicht. „Damit sich erste Erfolge zeigen, sollte dieses Training zweimal pro Woche über mindestens sechs Monate durchgeführt werden“, erläutert Becker.
Wesiack rät, neben täglichen körperlichen Aktivitäten nach Absprache mit dem behandelnden Arzt auch für eine hinreichende Vitamin-D-Zufuhr zu sorgen. „Dieser Vitalstoff wirkt sich positiv auf den Knochenaufbau und das Muskelgewebe aus“, erklärt Wesiack. In der Folge verbessere sich die Stärke und die Funktion der Muskeln wie auch die Balance. „Das führt im Ergebnis zu einer verminderten Sturzhäufigkeit“, so der Mediziner. Vitamin D steckt unter anderem in Eiern und Heringen – vor allem aber ist Sonnenlicht unerlässlich, damit der Körper selbst Vitamin D bilden kann. Da der Bedarf nicht immer auf natürlichem Wege abgedeckt werden kann, kann Vitamin D auch in Tablettenform eingenommen werden – auch das sollte man mit seinem Arzt besprechen.
Soziale Kontakte fördern
Auch wer sich bislang wenig sportlich betätigt hat, kann mit körperlichen Aktivitäten beginnen. „Jüngste Forschungsergebnisse zeigen, dass Menschen bis ins hohe Alter trainierbar sind“, erklärt Thaiss. Hinzu kommt, dass Bewegung das Risiko unter anderem auch für Bluthochdruck und Osteoporose senkt. Und es gibt noch einen „weiteren wichtigen und nicht zu unterschätzenden Aspekt“, wie die Medizinerin sagt: „Sport und Bewegungsaktivitäten machen auch Spaß – sie verbinden Menschen miteinander und fördern soziale Kontakte.“
Von Sabine Meuter (dpa)