Rollator ist nicht gleich Rollator: Wer einen Gehwagen benötigt, sollte sich genau überlegen, für welchen Zweck er ihn einsetzen will. Die Krankenkassen zahlen aber oft nur einfache Modelle.
Schwindel, Schmerzen, Kraftlosigkeit: Wenn das Gehen allein nicht mehr möglich ist oder extrem schwer fällt, kann ein Rollator helfen. „Viele Leute gewinnen so Selbstständigkeit zurück“, sagt Sibylle Liebchen-Offt vom Verein Barrierefrei Leben in Hamburg. Sie können dann wieder manche Wege erledigen und werden mobiler. „Genau das wollen die Menschen.“
Früher waren Rollatoren oft mit einem Stigma verbunden: Freiwillig wollte kaum jemand auf vier Räder gestützt durch die Gegend laufen. Das hat sich geändert, hat Liebchen-Offt beobachtet: „Häufig merken die Leute selbst, dass ihnen ein Rollator helfen könnte.“ Doch auch Angehörige raten manchmal dazu.
Nicht über den Kopf der Betroffenen hinweg entscheiden
Viele Rollatoren werden bei einem Arztbesuch empfohlen und verschrieben, schätzt Thomas Appel, der Geschäftsführer mehrerer Rollator-Unternehmen war und die Deutsche Senioren-Liga in diesem Bereich berät. Liebchen-Offt rät: Wer das Gefühl hat, ein Rollator könne ihm helfen, sollte zum Arzt gehen, sich dort untersuchen und gegebenenfalls ein Rezept ausstellen lassen.
Manchmal entscheiden Angehörige über den Kopf des Betroffenen, dass diese nun einen Rollator brauchen. Das ist der falsche Weg. „In den Entscheidungsprozess sollten sie immer mit einbezogen sein“, erklärt Cornelia Brodeßer, die spezielle Rollator-Trainings anbietet und mit verschiedenen Verkehrswachten zusammenarbeitet. Das gelte sowohl für die Frage, ob ein Rollator nötig ist – aber auch für die Wahl des richtigen Gehwagens passend zu den individuellen Bedürfnissen.
Wo und wofür soll der Rollator genutzt werden? Soll ein Rollator angeschafft werden, sei das die erste und wichtigste Frage, sagt Brodeßer. Denn von den Antworten darauf hängt ab, welches Modell letztlich das passende ist. Die Expertin erklärt es an einigen Beispielen: Man wird häufig im Auto irgendwohin gefahren oder fährt mit dem Bus. Dann sollte der Rollator leicht zu falten sein und zusammengefaltet noch stehen, damit er etwa im Bus abgestellt werden kann. „Die Wahl fällt in dem Fall eher auf einen sogenannten Längsfalter“, sagt Brodeßer. Für eine hohe Mobilität seien sie besser geeignet als die umständlicher zusammenklappbaren Querfalter.
Die Preisspanne ist groß
Sind geplante Strecken etwa Kopfsteinpflasterwege oder andere Passagen mit unebenem Grund, bewähren sich größere, weichere Reifen, weil sie die Schläge besser abfangen, erklärt Brodeßer. Natürlich ist auch die Konstitution des Menschen wichtig. Schwere Menschen wählen lieber verstärkte und breitere Rollatoren, damit sie bei Ruhepausen auf der Sitzbank sicher sitzen. Bei arthritischen Beschwerden sollte die Bremse ausprobiert werden: Manchmal bringen die Finger die nötige Kraft zum Betätigen nicht auf. Bei einer einseitigen Lähmung kann es nötig sein, dass die Bremskraft von einem Griff aus auf beide Reifen übertragen wird. „So etwas sollte schon in der Verordnung des Arztes festgehalten sein“, sagt Brodeßer. Generell gilt: Im Rezept sollte so genau wie möglich festgehalten werden, was man will und benötigt.
Beim Zubehör der Gehwagen gibt es viele Möglichkeiten. Sie reichen vom Stockhalter, über Hängetaschen für den Einkauf bis hin zu Lampen und Reflektoren, die für Sichtbarkeit im Dunkeln sorgen.
Die Preisspanne bei Rollatoren ist groß: Sie reicht von 40 bis zu 1000 Euro, schätzt Liebchen-Offt. Zu kaufen gibt es sie auch im Internet und bei Discountern. Die Experten raten eher zum Gang ins Fachgeschäft. Dort sollte die Auswahl jedoch auch entsprechend groß sein: Zwei bis drei Rollatoren auf der Ausstellungsfläche genügen da nicht, betont Brodeßer. „Man sollte auch den Mut haben, ganz direkt nach dem Rollator-Spezialisten im Haus zu fragen.“ Die Modelle in der engeren Auswahl sollten intensiv ausprobiert werden.
Rollator-Training als Physiotherapie
Die Krankenkassen bieten auf Basis des ärztlichen Rezepts eigene Rollatoren als Leihmodelle. Die Zuzahlung beträgt fünf bis zehn Euro. Sonderwünsche können dabei jedoch extra kosten. Prinzipiell seien die Kassenmodelle besser als ihr Ruf, sagt Brodeßer. Aber: „Sie können manchmal geeignet sein, manchmal allerdings auch nicht.“ Manche Kassen zahlen auch eine Pauschale für den Rollatorkauf, die meist zwischen 70 und 80 Euro liegt, sagt Appel. Die Summe wird dann beim Kauf vom Rollator-Preis abgezogen.
Ein Rollator macht nur mit einer korrekten Einweisung Sinn. Es geht etwa um die richtige Einstellung. Und auch die Handhabung des Rollators will gelernt sein: Wie erklimmt man einen Bordstein? Wie besteigt man einen Bus? Wie kann ich die Sitzfläche des Rollators sicher nutzen? Zentral seien auch die richtige Höhenjustierung der Griffe, um sich vernünftig auf ihnen abstützen, aber auch um den Gehwagen ankippen zu können, weiß Brodeßer. Gleiches gilt für die Bedienung der Bremsen.
Die Beratung und Einweisung beim Kauf reicht oft nicht aus, um wirklich sicher mit dem Rollator zu gehen. Zur Vertiefung bieten sich Rollator-Trainings an. Landesverkehrswachten, Senioren-Verbände oder auch Stadtverwaltungen können hier Ansprechpartner sein. Liebchen-Offt nennt noch eine Möglichkeit: „Bei großen oder starken Unsicherheiten oder Schmerzen kann man sich für den Umgang mit dem Rollator auch einige Stunden Physiotherapie verordnen lassen.“ Dabei lernt man nicht nur die Handhabe. Die Physiotherapeuten kontrollieren auch, ob die Körperhaltung beim Gehen stimmt.
Von Tom Nebe (dpa)